18.07.2013

Zur Abzweigungsberechtigung beim Kindergeld

Nach BFH-Rechtsprechung sind bei der Ausübung des Ermessens, ob und in welcher Höhe das Kindergeld an Sozialleistungsträger abzuzweigen ist, auch geringe Unterhaltsleistungen der Eltern zu berücksichtigen. Ein Sozialhilfeträger ist grundsätzlich nicht abzweigungsberechtigt, wenn er Leistungen der Grundsicherung nach §§ 41 ff. SGB XII für ein Kind mit Schwerbehinderung zahlt, das im Haushalt des Kindergeldberechtigten untergebracht ist.

BFH 18.4.2013, V R 48/11
Der Sachverhalt:
Die Beigeladene bezog Kindergeld für ihren Sohn, der zu 80% schwerbehindert ist und in ihrem Haushalt lebt. Der klagende Landkreis (Sozialhilfeträger) hatte im September 2010 bei der Familienkasse die Abzweigung des Kindergelds aus dem Anspruch der Beigeladenen unter Hinweis auf die von ihm gewährte Grundsicherung bei Erwerbsminderung i.H.v. damals rund 402 € monatlich beantragt. Hilfsweise meldete er einen Erstattungsanspruch nach § 74 Abs. 2 EStG i.V.m. § 104 SGB X an. Zur Begründung führte er an, dass gem. § 43 Abs. 2 SGB XII Unterhaltsansprüche des Kindes gegen seine Eltern bei der Leistungsgewährung unberücksichtigt bleiben müssten, sofern die Eltern jährlich ein Gesamteinkommen von unter 100.000 € erzielten. Deshalb sei auch dann eine Abzweigung möglich, wenn der Kindergeldberechtigte nicht zum Unterhalt seines volljährigen Kindes verpflichtet sei, weil das Kind Grundsicherungsleistungen nach den §§ 41 ff. SGB XII erhalte.

Die Beigeladene teilte der Familienkasse hierzu mit, dass die Betreuung ihres Sohnes für sie mit einem erheblichen behinderungsbedingten zusätzlichen Aufwand verbunden sei. Sie wende für ihren Sohn monatlich etwa 4.520 € auf. Zur Begleichung dieser Kosten verwende sie das Pflegegeld von 430 €. Infolgedessen lehnte die Familienkasse den Antrag des Klägers auf Abzweigung ab und führte zur Begründung an, dass sich für die Beigeladene im Durchschnitt eine monatliche Belastung ergebe, die das monatliche Kindergeld erheblich übersteige.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Revision des Klägers blieb vor dem BFH erfolglos.

Die Gründe:
Die Voraussetzungen für eine Abzweigung lagen nicht vor, da jede andere Entscheidung als die Ablehnung der Abzweigung ermessenswidrig wäre.

Nach BFH-Rechtsprechung sind bei der Ausübung des Ermessens, ob und in welcher Höhe das Kindergeld an Sozialleistungsträger abzuzweigen ist, auch geringe Unterhaltsleistungen der Eltern zu berücksichtigen. Sind die Leistungen mindestens so hoch wie das Kindergeld, ist eine Abzweigung nicht ermessensgerecht. Eine Abzweigung scheidet aus, wenn der kindergeldberechtigte Elternteil durch Übernahme eines Kostenbeitrags und durch Gewährung von Unterkunft Unterhaltsleistungen mindestens in der Höhe des gesetzlichen Kindergeldbetrags für ein volljähriges behindertes Kind erbringt, das nicht vollstationär untergebracht ist, sondern sich über Nacht und an freien Tagen im Haushalt des Kindergeldberechtigten befindet.

In Übereinstimmung mit dieser Rechtsprechung steht die Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des DA-FamEStG zu § 74 Abs. 1 EStG, bei der es sich um eine Verwaltungsvorschrift handelt, die das der Verwaltung durch § 74 Abs. 1 EStG eingeräumte Ermessen lenken soll. Die im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung zu berücksichtigende XII. DA-FamEStG 2009 zu § 74 EStG in der Fassung vom 21.12.2010 ordnete an, dass grundsätzlich keine Abzweigung erfolgen kann, wenn ein Kind in den Haushalt des Berechtigten aufgenommen ist. Ebenso kommt keine Abzweigung in Betracht, wenn der Berechtigte regelmäßig Unterhaltsleistungen erbringt, die den Betrag des anteiligen Kindergeldes übersteigen. Hieran hat die Verwaltung auch in der Folgezeit festgehalten.

Der schwerbehinderte Sohn der Beigeladenen lebt in ihrem Haushalt. Die Beigeladene selbst hat keine Grundsicherungsleistungen nach §§ 41 ff. SGB XII erhalten, die dem Kindergeldanspruch entgegenstünden. Die im Streitfall nach § 102 FGO nur im Hinblick auf Ermessensfehler zu überprüfende Verwaltungsentscheidung erwies sich danach unter Berücksichtigung der ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften zu § 74 Abs. 1 EStG als rechtmäßig. Der Kläger konnte sich auch nicht auf § 74 Abs. 1 S. 3 u. 4 EStG berufen. Selbst wenn zugunsten des Klägers davon auszugehen wäre, dass sich aus der Gewährung von Grundsicherungsleistungen nach §§ 41 ff. SGB XII ergibt, dass die Beigeladene im Umfang dieser Grundsicherung "mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig" gewesen sein sollte, kommt eine Abzweigung nicht in Betracht, soweit der Kindergeldberechtigte trotz dieser Grundsicherungsleistungen eigene Unterhaltsleistungen erbringt, die der Höhe nach mindestens dem Kindergeld entsprechen.

Linkhinweis:

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