31.10.2016

Zur Antragsfrist für abweichenden Wertansatz bei Einbringung und Anteilstausch

In den Fällen der Einbringung und des Anteilstauschs darf die übernehmende Gesellschaft den Antrag auf einen den gemeinen Wert des Einbringungsgegenstands unterschreitenden Wertansatz nur bis zur erstmaligen Abgabe der steuerlichen Schlussbilanz beim Finanzamt stellen. Mit der "steuerlichen Schlussbilanz" ist die nächste auf den Einbringungszeitpunkt folgende steuerliche Jahresschlussbilanz der übernehmenden Gesellschaft gemeint, in der der Einbringungsgegenstand erstmals anzusetzen ist; für den Ablauf der Frist kommt es nicht darauf an, ob die eingereichte Bilanz den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung oder den steuerbilanzrechtlichen Sonderregeln entspricht.

BFH 15.6.2016, I R 69/15
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine KG, an der im Streitjahr (2008) der Beigeladene zu 2) als Kommanditist zu 81,55 Prozent beteiligt war. Der Beigeladene zu 2) hielt außerdem 100 Prozent der Stamm- und Vorzugsaktien an der A-Inc., einer Kapitalgesellschaft mit Sitz in Georgia/USA. Nach einem Wertgutachten wies die Bilanz der A-Inc. zum 31.12.2007 ein bilanzielles Eigenkapital i.H.v. umgerechnet rd. 2,7 Mio. € aus. Nach dem Gutachten entsprach dieser Wert dem Substanzwert der A-Inc. zum 5.8.2008. Steuerlich wurden die vom Beigeladenen zu 2) gehaltenen Aktien als dessen Sonderbetriebsvermögen bei der Klägerin behandelt und mit dem Buchwert von 1 € angesetzt.

Die Klägerin war ursprünglich alleinige Gesellschafterin der ebenfalls zum Rechtsstreit beigeladenen A-GmbH (Beigeladene zu 1). Im August 2008 erhöhte die Gesellschafterversammlung das Stammkapital der Beigeladenen zu 1). Den neuen Geschäftsanteil übernahm der Beigeladene zu 2). Er brachte dafür am 4.8.2008 alle Aktien der A-Inc. durch Abtretung in die Beigeladene zu 1) ein. In ihrem handelsrechtlichen Jahresabschluss zum 31.12.2008 wies die Beigeladene zu 1) auf der Aktivseite als Anlagevermögen Finanzanlagen aus. Aus der "Erläuterung des Jahresabschlusses III." geht hervor, dass sie die Beteiligung an der A-Inc. mit Anschaffungskosten angesetzt hat. Den die Stammeinlage übersteigenden Differenzbetrag stellte sie in die Kapitalrücklage ein. Diesen Jahresabschluss fügte die Beigeladene zu 1) ihrer Steuererklärung für das Streitjahr bei, die am 25.5.2009 beim Finanzamt einging. Mit dem Jahresabschluss reichte sie eine "Überleitungsrechnung zur Steuerbilanz hinsichtlich der Mehr-Abschreibungen aus den Ergänzungsbilanzen vor Formwechsel" sowie eine Anlage "Korrektur nach § 60 (2) EStDV" ein.

Im Verlauf der sich anschließenden Außenprüfung entstand Streit darüber, inwiefern die Beigeladene zu 1) das Antragsrecht der übernehmenden Kapitalgesellschaft zur Buchwertfortführung nach § 21 Abs. 1 S. 2 des Umwandlungssteuergesetzes 2006 (UmwStG 2006) ausgeübt hat. Im März 2010 legte die Beigeladene zu 1) dem Finanzamt daraufhin eine Steuerbilanz zum 31.12.2008 vor, aus der eine Fortführung des Buchwerts der Anteile an der A-Inc. mit einem Betrag von 1 € hervorgeht. Der Prüfer und nachfolgend das Finanzamt blieben demgegenüber bei ihrer Auffassung, der zufolge die Beigeladene zu 1) das Antragsrecht zur Buchwertfortführung nicht in der Frist des § 21 Abs. 1 S. 2 Halbs. 2 i.V.m. § 20 Abs. 2 S. 3 UmwStG 2006 ausgeübt habe. Mangels Vornahme von Abschreibungen auf die Beteiligung an der A-Inc. blieb dieser Streit jedoch ohne Auswirkungen auf die Höhe der für das Streitjahr festzusetzenden Körperschaftsteuer.

Mit ihren vom FG gem. § 73 Abs. 1 S. 1 FGO zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbundenen Klagen gegen jenen Bescheid - die im Hauptantrag auf Anfechtung und hilfsweise auf Feststellung gerichtet waren - machten die Klägerin und die Beigeladene zu 1) geltend, die Beigeladene zu 1) habe das Antragsrecht hinsichtlich der eingebrachten Anteile an der A-Inc. mit Vorlage der Steuerbilanz am 24. März 2010 rechtzeitig zugunsten des Buchwertansatzes ausgeübt. Bei dem mit der Steuererklärung zuvor eingereichten Jahresabschluss für 2008 habe es sich noch nicht um die "steuerliche Schlussbilanz" i.S. von § 20 Abs. 2 S. 3 UmwStG 2006 gehandelt.

Das FG wies die Klage ab. Die Revision der Klägerin hatte vor dem BFH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das Finanzamt ist im Rahmen der Festsetzung der Körperschaftsteuer der Beigeladenen zu 1) zutreffend davon ausgegangen, dass die Beteiligung an der A-Inc. zum Einbringungszeitpunkt mit ihrem gemeinen Wert anzusetzen ist. Grundsätzlich ist gem. § 21 Abs. 1 S. 1 UmwStG 2006 im Fall des Anteilstauschs die eingebrachte Beteiligung mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Da hier nach den obigen Ausführungen ein qualifizierter Anteilstausch stattgefunden hat, hätte die Beigeladene zu 1) zwar gem. § 21 Abs. 1 S. 2 Halbs. 1 UmwStG 2006 die Möglichkeit gehabt, die Beteiligung auf Antrag zum Buchwert oder einem höheren Wert, höchstens jedoch mit dem gemeinen Wert, anzusetzen. Von diesem Antragsrecht hat sie jedoch nicht rechtzeitig Gebrauch gemacht.

Für die Ausübung des Antragsrechts verweist § 21 Abs. 1 S. 2 Halbs. 2 auf § 20 Abs. 2 S. 3 UmwStG 2006. Danach ist der Antrag auf den vom gemeinen Wert abweichenden Wertansatz spätestens bis zur erstmaligen Abgabe der steuerlichen Schlussbilanz bei dem für die Besteuerung der übernehmenden Gesellschaft zuständigen Finanzamt zu stellen. Bei der "steuerlichen Schlussbilanz" i.S.v. § 20 Abs. 2 S. 3 UmwStG 2006 handelt es sich um die nächste auf den Einbringungszeitpunkt folgende steuerliche Jahresschlussbilanz der übernehmenden Gesellschaft i.S.v. § 4 Abs. 1, § 5 EStG, in der das Wirtschaftsgut erstmals anzusetzen ist und nicht um eine von der Steuerbilanz zu unterscheidende eigenständige "Schlussbilanz". Der Senat hat dies bereits zur Wahlrechtsausübung nach § 20 Abs. 2 S. 1 UmwStG 1995 so gesehen und in diesem Punkt ist kein tragfähiger Grund dafür ersichtlich, warum für die in § 20 Abs. 2 S. 2 und § 21 Abs. 1 S. 2 UmwStG 2006 eingeräumten Antragsrechte etwas Anderes gelten sollte.

Bei dem von der Beigeladenen zu 1) am 25.5.2009 beim Finanzamt abgegebenen handelsrechtlichen Jahresabschluss für 2008 nebst "Überleitungsrechnung" und "Korrektur nach § 60 (2) EStDV" hat es sich um ihre Steuerbilanz für das Streitjahr und mithin um die steuerliche Schlussbilanz i.S.v. § 20 Abs. 2 S. 3 UmwStG 2006 gehandelt. Wer, wie die Beigeladene zu 1), seinen Gewinn nach § 4 Abs. 1, § 5 EStG ermittelt, hat seiner Steuererklärung gem. § 60 Abs. 1 EStDV 2000 eine Abschrift der Bilanz, die auf dem Zahlenwerk der Buchführung beruht, sowie (bei doppelter Buchführung) eine Gewinn- und Verlustrechnung beizufügen. Enthält die Bilanz Ansätze oder Beträge, die den steuerlichen Vorschriften nicht entsprechen, so sind diese Ansätze oder Beträge durch Zusätze oder Anmerkungen den steuerlichen Vorschriften anzupassen (§ 60 Abs. 2 S. 1 EStDV 2000). Der Steuerpflichtige kann auch eine den steuerlichen Vorschriften entsprechende Bilanz (Steuerbilanz) beifügen (§ 60 Abs. 2 S. 2 EStDV 2000).

Jede dieser drei Varianten der steuerlichen Rechnungslegung (1. reine Handelsbilanz mit der Erklärung, diese sei so auch der steuerlichen Beurteilung zugrunde zu legen, 2. Handelsbilanz mit steuerrechtlichen Zusätzen bzw. Anmerkungen, 3. eigenständige Steuerbilanz), die der Steuerpflichtige der Finanzbehörde im Zusammenhang mit seiner Steuererklärung überreicht, ist als "steuerliche Schlussbilanz" i.S.v. § 20 Abs. 2 S. 3 UmwStG 2006 anzusehen und löst damit das Fristende für die Antragsrechte nach § 20 Abs. 2 S. 2 und § 21 Abs. 1 S. 2 UmwStG 2006 aus. Demnach ist das Antragsrecht der Beigeladenen zu 1), steuerrechtlich den Buchwert für die "getauschte" Beteiligung an der A-Inc. anzusetzen, in dem Zeitpunkt (am 25.5.2009) abgelaufen, als sie ihre Steuerklärung nebst handelsrechtlichem Jahresabschluss und "Überleitungsrechnung" sowie "Korrektur nach § 60 (2) EStDV" beim Finanzamt eingereicht hat, ohne diesem gegenüber zu beantragen, die Beteiligung an der A-Inc. steuerrechtlich mit einem niedrigeren Wert als den in der Handelsbilanz ausgewiesenen gemeinen Wert anzusetzen. Der am 24.3.2010 samt Steuerbilanz nachgereichte Antrag auf den Buchwertansatz ist mithin nach Fristablauf eingegangen und durfte deshalb vom Finanzamt nicht mehr bewilligt werden.

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