21.11.2013

Zur Anwendbarkeit von § 1 Abs. 2 KBV im finanzgerichtlichen Verfahren

Ein FG ist an die Beschränkungen nach § 1 Abs. 2 KBV gebunden, wenn das Finanzamt zuvor auf Grundlage dieser Bestimmung die Änderung einer Steuerfestsetzung abgelehnt hat. Denn ist § 1 Abs. 2 KBV auch im finanzgerichtlichen Verfahren zu beachten, gilt dies auch dann, wenn sich die Frage nach einer Anwendung dieser Vorschrift erstmals im finanzgerichtlichen Verfahren stellt.

BFH 3.6.2013, V B 4/13
Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte beim Finanzamt ihre Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2009 eingereicht. Daraus ergab sich eine Umsatzsteuer von 2.073 €, die nach § 168 S. 1 AO als Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung galt. In ihrer Umsatzsteuererklärung machte die Klägerin nach § 17 Abs. 1 S. 1 UStG einen Minderungsbetrag i.H.v. 9,79 € geltend.

Später änderte die Finanzbehörde allerdings die Umsatzsteuerfestsetzung auf rund 2.092 €, indem sie das Vorzeichen für den Betrag (Steuerbeträge die nach § 17 Abs. 1 Satz 6 UStG geschuldet werden) korrigierte und dadurch die Steuer um denselben Betrag erhöhte. Im Einspruchsverfahren erläuterte der steuerliche Vertreter der Klägerin, dass es sich bei dem Minderungsbetrag von 9,79 € nicht um eine Änderung i.S.v. § 17 UStG gehandelt habe, sondern dass dieser Betrag dazu diene, die Umsatzsteuer um einen Betrag unter 10 € abzurunden, um § 1 Abs. 2 der Kleinbetragsverordnung (KBV) auszunutzen. So verfahre er bei allen Mandanten.

Der Einspruch blieb erfolglos, genauso wie die Klage vor dem FG. Dieses ging davon aus, dass sich die materiell-rechtlich richtige Steuer auf rund 2.082 € belaufe, einem gegenüber der Steuerklärung der Klägerin um 9,79 € erhöhten Betrag. Danach sei der erlassene Steuerbescheid zwar materiell-rechtlich um 9,79 € zu mindern. Hieran sei das Gericht aber durch § 1 Abs. 2 KBV gehindert. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin blieb vor dem BFH ohne Erfolg.

Die Gründe:
Eine von der Klägerin geltend gemachte Divergenz zum BFH-Urteil vom 16.2.2011 (Az.: X R 21/10) lag nicht vor. Der BFH hatte in diesem Urteil die Rechtsgültigkeit von § 1 Abs. 2 KBV im Hinblick auf die Ermächtigungsgrundlage in § 156 AO bestätigt und zudem entschieden, dass diese Vorschrift auch im finanzgerichtlichen Verfahren anzuwenden sei. Infolgedessen war auch das FG an die Beschränkungen nach § 1 Abs. 2 KBV gebunden, wenn das Finanzamt zuvor auf Grundlage dieser Bestimmung die Änderung einer Steuerfestsetzung abgelehnt hatte. Denn ist § 1 Abs. 2 KBV auch im finanzgerichtlichen Verfahren zu beachten, gilt dies auch dann, wenn sich die Frage nach einer Anwendung dieser Vorschrift erstmals im finanzgerichtlichen Verfahren stellt. Somit hatte das FG im vorliegenden Fall die Minderung der angefochtenen Steuerfestsetzung um 9,79 € zu Recht abgelehnt, so dass insoweit auch keine grundsätzliche Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO erkennbar war.

Entgegen der Auffassung der Klägerin lag auch kein Verstoß gegen § 96 Abs. 1 S. 1 FGO vor. Denn insoweit berücksichtigte die Klägerin nicht hinreichend, dass der Umstand, dass das FG zu einer anderen rechtlichen Würdigung als die Klägerin gelangte, keinen Gehörsverstoß begründet. Das FG ging davon aus, dass entgegen dem Klageantrag eine Herabsetzung der festgesetzten Steuer auf 2.073 € bereits deshalb nicht in Betracht kam, weil sich diese Steuer nur ergab, weil die Klägerin von der materiell-rechtlich zutreffenden Steuer von 2.082 € rechtswidrig - als "Minderungsbetrag" und ohne Bezug zu § 17 UStG - einen Betrag von 9,79 € abgezogen hatte. Einer Herabsetzung auf die zutreffende Steuer i.H.v. 2.082 € stand schließlich § 1 Abs. 2 KBV entgegen. Dass sich der von der Klägerin erstrebte Vorteil aus der Anwendung von § 1 Abs. 2 KBV dadurch in sein Gegenteil verkehrte, war im Übrigen eine Folge der Rechtsanwendung im Einzelfall, deren Beanstandung im Beschwerdeverfahren aber nicht zu einer Revisionszulassung führt.

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