17.10.2024

Zur Anwendung abkommensrechtlicher Aktivitätsvorbehalte auf ausländische Betriebsstätteneinkünfte

1. Sieht eine abkommensrechtliche "Switch over"-Klausel vor, dass die Anwendung der Freistellungsmethode bei Betriebsstätteneinkünften unter einem Aktivitätsvorbehalt steht und wird hierfür auf § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 des Außensteuergesetzes (AStG) verwiesen, erfüllen ausländische Betriebsstätten das dortige Tatbestandsmerkmal "ausländische Gesellschaft". Die Verweisung betrifft nicht nur die Regelung der aktiven (Grund-)Tätigkeiten, sondern bezieht die in § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AStG vorgesehenen Einschränkungen ein (hier: Mitwirkung eines gemäß § 7 AStG an der Gesellschaft beteiligten, unbeschränkt Steuerpflichtigen an der Dienstleistung nach § 8 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a AStG).
2. Die (Rück-)Ausnahme des § 20 Abs. 2 Satz 2 AStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2010 (JStG 2010), die als Rechtsfolge die Beibehaltung der Freistellungsmethode vorsieht, kommt nicht zur Anwendung, wenn ein Wechsel der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode nicht aus § 20 Abs. 2 AStG bzw. § 20 Abs. 2 Satz 1 AStG i.d.F. des JStG 2010, sondern bereits aus der Anwendung einer abkommensrechtlichen "Switch over"-Klausel folgt.

Kurzbesprechung
BFH v. 3.7.2024 - I R 4/21

AStG § 8 Abs 1 Nr. 5, § 20 Abs 2
DBA RUS Art 7, Art 23 Abs 2 Buchst c
DBA ROU Art 7, Art 23 Abs 2 Buchst c


Streitig war, ob für im Jahr 2004 (Streitjahr) erzielte Einkünfte aus ausländischen Betriebsstätten unter Berücksichtigung abkommensrechtlicher Aktivitätsvorbehalte und § 20 Abs. 2 AStG die Freistellungs- oder die Anrechnungsmethode anzuwenden ist.

Die Steuerpflichtige, eine KG, ist Rechtsnachfolgerin der X-GmbH, die im Streitjahr ihren Sitz und Ort der Geschäftsleitung im Inland hatte und an der zu Beginn des Streitjahres A zu 70 % (ab 28.02.2004: 95 %) und B zu 30 % (ab 28.02.2004: 5 %) beteiligt waren. Aufgrund von Consultingverträgen war die X-GmbH unter anderem in Russland und Rumänien tätig. Dort wurden ihr Geschäftsräume zur Verfügung gestellt oder von ihr selbst auf eigene Rechnung angemietet, in denen eigenes Personal (darunter auch A) beratend tätig wurde. Die X-GmbH erklärte insoweit Einkünfte aus ausländischen Betriebsstätten, die im Inland nach dem jeweils anwendbaren Abkommen zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung (DBA) steuerfrei seien.

Das FA vertrat jedoch die Auffassung, dass die Einkünfte aus den Projekten in Russland und Rumänien nicht der Freistellungs-, sondern der Anrechnungsmethode unterfielen. Die nach erfolglosem Einspruch eingelegte Klage wies das FG als unbegründet ab. Auch der BFH entschied, dass das FG zutreffend entschieden hatte, dass die Betriebsstätteneinkünfte nicht der Freistellungs-, sondern der Anrechnungsmethode unterliegen.

Nach Art. 23 Abs. 2 Buchst. c DBA-Russland werden ‑ ungeachtet der Bestimmungen des Buchst. a ‑ Einkünfte im Sinne des Art. 7 DBA-Russland nur dann von der deutschen Steuer ausgenommen, wenn die in Deutschland ansässige Person nachweist, dass die Betriebsstätte in dem Wirtschaftsjahr, in dem sie den Gewinn erzielt hat, ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich aus unter § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AStG fallenden Tätigkeiten bezogen hat.

Art. 23 Abs. 2 Buchst. c DBA-Rumänien enthält eine vergleichbare Regelung. Danach sind auf Einkünfte im Sinne des Art. 7 DBA-Rumänien anstelle der Bestimmungen des Art. 23 Abs. 2 Buchst. a DBA-Rumänien die Bestimmungen des Art. 23 Abs. 2 Buchst. b DBA-Rumänien (Anrechnungsmethode) anzuwenden, wenn die in Deutschland ansässige Person nicht nachweist, dass die Betriebsstätte in dem Wirtschaftsjahr, in dem sie den Gewinn erzielt hat, ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich aus unter § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AStG fallenden Tätigkeiten bezogen hat.

Nach dem in Bezug genommenen § 8 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a AStG, der auch schon zum Zeitpunkt des Abschlusses des DBA-Russland und des DBA-Rumänien galt, gehören Dienstleistungen zu den aktiven Tätigkeiten, soweit sich die ausländische Gesellschaft für die Dienstleistung nicht eines unbeschränkt Steuerpflichtigen, der gemäß § 7 AStG an ihr beteiligt ist, oder einer einem solchen Steuerpflichtigen im Sinne des § 1 Abs. 2 AStG nahestehenden Person bedient, die mit ihren Einkünften aus der von ihr beigetragenen Leistung im Geltungsbereich des Außensteuergesetzes steuerpflichtig ist. Darüber hinaus war im Hinblick auf die anwendbaren Rechtsgrundlagen zu berücksichtigen, dass Rumänien im Streitjahr noch nicht Mitglied der Europäischen Union war.

Vor diesem rechtlichen Hintergrund gilt für die Betriebsstätteneinkünfte abkommensrechtlich die Anrechnungsmethode, da die Voraussetzungen der Aktivitätsvorbehalte des Art. 23 Abs. 2 Buchst. c DBA-Russland und des Art. 23 Abs. 2 Buchst. c DBA-Rumänien im Streitfall erfüllt waren.

Die X-GmbH erzielte unter Art. 7 des jeweiligen DBA fallende Einkünfte aus Betriebsstätten, für die nach den Methodenartikeln dieser DBA grundsätzlich die Freistellungsmethode anzuwenden ist. Der in dem jeweiligen Aktivitätsvorbehalt vorgesehene Verweis auf § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AStG könnte zwar grundsätzlich dazu führen, die Tätigkeiten der X-GmbH als (aktive) Dienstleistungen im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG einzuordnen. Aufgrund der in § 8 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a AStG geregelten Ausnahme liegen aber passive Tätigkeiten vor, für die in dem jeweiligen Aktivitätsvorbehalt als Rechtsfolge ein abkommensrechtlicher Wechsel der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode vorgesehen ist. Denn mit A hat ein im Streitjahr an der X-GmbH überwiegend beteiligter Gesellschafter in den jeweiligen Betriebsstätten mitgearbeitet.

Der BFH stellte darüber hinaus klar, dass eine teleologische Reduktion unter Berücksichtigung des § 20 Abs. 2 Satz 2 AStG n.F. schon deshalb nicht in Betracht kommt, weil die abkommensrechtlichen Aktivitätsvorbehalte untereinander ‑ und auch gegenüber der unilateralen sogenannten Switch over-Klausel in § 20 Abs. 2 AStG beziehungsweise § 20 Abs. 2 AStG n.F. ‑ vielfältige Unterschiede aufweisen. Somit fehlt bereits ein einheitlicher Grundgedanke, an dem sich eine teleologische Reduktion orientieren könnte. Auch die Begründung des Gesetzentwurfs zu § 20 Abs. 2 Satz 2 AStG n.F. geht lediglich auf die Problematik von Betriebsstätten natürlicher Personen ein, die im Ausland Dienstleistungen erbringen (BTDrucks 17/2249, S. 85). Dass diese Vorschrift letztlich auch für Betriebsstätten von Kapitalgesellschaften Anwendung findet, ändert daran nichts. Auch wenn eine Vereinheitlichung der Voraussetzungen des "Switch over" wünschenswert erscheinen mag, bleibt sie dem Gesetzgeber vorbehalten.

Im Streitfall hatte das FG auch zu Recht eine Anwendung des § 20 Abs. 2 Satz 2 AStG n.F. abgelehnt, der als Rechtsfolge eine (Rück-)Ausnahme und damit den Verbleib bei der Freistellungsmethode vorsieht.

Ausgangspunkt ist § 20 Abs. 2 AStG. Fallen danach Einkünfte in der ausländischen Betriebsstätte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen an und wären sie als Zwischeneinkünfte (im Sinne des Außensteuergesetzes) steuerpflichtig, falls diese Betriebsstätte eine ausländische Gesellschaft wäre, ist insoweit die Doppelbesteuerung nicht durch Freistellung, sondern durch Anrechnung der auf diese Einkünfte erhobenen ausländischen Steuern zu vermeiden (unilaterale "Umschalt"- oder "Switch over"-Klausel).

Durch das Jahressteuergesetz 2010 ist ein neuer Satz 2 angefügt worden, der hierfür eine (Rück-)Ausnahme vorsieht. Danach gilt der Wechsel der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode nicht, soweit in der ausländischen Betriebsstätte Einkünfte anfallen, die nach § 8 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a AStG als Zwischeneinkünfte steuerpflichtig wären (§ 20 Abs. 2 Satz 2 AStG n.F.).

§ 20 Abs. 2 Satz 2 AStG n.F. stellt jedoch (nur) eine (Rück-)Ausnahme von dem in § 20 Abs. 2 Satz 1 AStG n.F. (bzw. § 20 Abs. 2 AStG) vorgesehenen Wechsel der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode dar. Sofern ‑ wie im Streitfall ‑ schon wegen eines abkommensrechtlichen Aktivitätsvorbehalts die Anrechnungsmethode gilt, kommt § 20 Abs. 2 Satz 1 AStG (bzw. insgesamt § 20 Abs. 2 AStG) hingegen nicht zur Anwendung, so dass § 20 Abs. 2 Satz 2 AStG n.F. ins Leere läuft.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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