03.05.2018

Zur Anwendung von § 4 Abs. 3 Satz 4 EStG auf den Erwerb einer Rückdeckungsforderung

Ein Rückdeckungsanspruch stellt eine Forderung gegen den Versicherer dar, die zum Umlaufvermögen gehört. Die Anschaffung eines Rückdeckungsanspruchs ist regelmäßig keine von § 4 Abs. 3 Satz 4 EStG erfasste Anschaffung von Wertpapieren und vergleichbaren, nicht verbrieften Forderungen und Rechten des Umlaufvermögens.

Kurzbesprechung
BFH v. 12.12.2017 - VIII R 9/14

EStG § 4 Abs. 3, § 11
HGB § 266
BGB § 808

Streitig war, ob ein Einmalbeitrag zum Erwerb einer Rückdeckungsforderung auch in Höhe des sog. Sparanteils im Streitjahr (2007) als Betriebsausgabe im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG abgezogen werden kann oder ob § 4 Abs. 3 Satz 4 EStG dem entgegensteht.

Der BFH entschied, dass der vom Steuerpflichtigen, einem Freiberufler, gezahlte Beitrag zur Anschaffung des unstreitig dem Betriebsvermögen zuzuordnenden Rückdeckungsanspruchs im Zeitpunkt des Abflusses und damit im Streitjahr als Betriebsausgabe abziehbar war und § 4 Abs. 3 Satz 4 EStG dem Betriebsausgabenabzug nicht entgegenstand. Nach dieser Vorschrift sind die Anschaffungs- und Herstellungskosten für nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, für Anteile an Kapitalgesellschaften, für Wertpapiere und vergleichbare nicht verbriefte Forderungen und Rechte, für Grund und Boden sowie Gebäude des Umlaufvermögens erst im Zeitpunkt des Zuflusses des Veräußerungserlöses oder bei Entnahme im Zeitpunkt der Entnahme als Betriebsausgaben zu berücksichtigen.

Der vom Steuerpflichtigen für die Anschaffung des Rückdeckungsanspruchs geleistete Bei-trag war mit dem Abfluss im Streitjahr als Betriebsausgabe zu erfassen (§ 4 Abs. 3 Satz 1 EStG, § 11 Abs. 2 EStG). Denn der streitige Beitrag gehört auch in Höhe des sog. Sparanteils weder zu den Anschaffungskosten für ein nicht abnutzbares Wirtschaftsgut des Anlagevermögens noch stellt die Anschaffung des Rückdeckungsanspruchs eine von § 4 Abs. 3 Satz 4 EStG erfasste Anschaffung von Wertpapieren und vergleichbaren nicht verbrieften Forderungen und Rechten dar.

Der Rückdeckungsanspruch ist nicht dem (nicht abnutzbaren) Anlagevermögen zuzuordnen. Die Rückdeckung einer Pensionsverpflichtung des Arbeitgebers, die durch den Abschluss einer Lebensversicherung, deren Bezugsberechtigter der Arbeitgeber ist, erfolgen kann, dient der Sicherstellung der Erfüllbarkeit der gegebenen Pensionszusage bei Erreichen des Pensionsalters sowie bei vorzeitigen Versorgungsfällen wie Invalidität oder Tod des Aktiven. Hier-zu sind in der Regel gleich bleibende Prämien pro Versicherungsjahr an den Versicherer zu leisten. Davon dient ein Teil der Deckung der Verwaltungskosten des Versicherers (zuzüglich Gewinnaufschlag) sowie der Abdeckung der vorzeitigen Versorgungsfälle im Kollektiv (Risikoprämie). Der im Versicherungsjahr nicht verbrauchte Teil der Versicherungsprämie dient der Sparkomponente der Versicherung (Sparanteil); er steht dem Versicherungsnehmer unmittelbar zur Finanzierung der auf Grund der erteilten Pensionszusage zu zahlenden Versorgungsrenten zur Verfügung und wird mit dem vertraglich garantierten (rechnungsmäßigen) Zinssatz verzinst.

Der Anspruch auf Rückdeckung (Erstattung) der zu leistenden Versorgungsrenten stellt eine Forderung (§ 194 BGB) gegen den Versicherer dar, die zum Umlaufvermögen gehört. Die Anschaffung des Rückdeckungsanspruchs des Steuerpflichtigen stellt keine von § 4 Abs. 3 Satz 4 EStG erfasste Anschaffung von Wertpapieren und vergleichbaren nicht verbrieften Forderungen und Rechten des Umlaufvermögens dar. Dies gilt unabhängig davon, wie der Begriff des Wertpapiers im Einzelnen zu verstehen und abzugrenzen ist.

Mit der Erweiterung des Tatbestandes des § 4 Abs. 3 Satz 4 EStG um die Fälle der Anschaf-fung bestimmter Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens - insbesondere der Anschaffung von Wertpapieren und vergleichbaren nicht verbrieften Forderungen und Rechten - wollte der Gesetzgeber Gestaltungen mit Steuerstundungseffekten insbesondere beim Wertpapier- und Grundstückshandel verhindern. Dabei hatte er vornehmlich ein "lukratives Steuersparmodell" vor Augen, bei dem sich Kapitalanleger unter Ausnutzung der geltenden Regelungen für die Gewinnermittlung durch Einnahmenüberschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG an einer sog. gewerblich geprägten Gesellschaft, die im Wertpapierhandel tätig ist, beteiligen und sich so das eingezahlte Kapital zur Betriebsausgabe wandelt und als Verlust mit anderen positiven Einkünften verrechnet werden kann. Dies betraf Modelle, die auf kurzfristige Vermögensumschichtungen innerhalb von zwölf Monaten angelegt waren.

Demnach erfasst § 4 Abs. 3 Satz 4 EStG nach seinem Sinn und Zweck Wertpapiergeschäfte, die auf kurzfristige Umschichtungen angelegt sind und mit denen der Steuerpflichtige sich die leichte Handelbarkeit eines Wertpapiers zur Erreichung eines Steuerstundungseffektes zu Nutze macht. Entsprechendes gilt für die den Wertpapiergeschäften in § 4 Abs. 3 Satz 4 EStG gleichgestellten Geschäfte, d.h. in Bezug auf vergleichbare nicht verbriefte Forderungen und Rechte des Umlaufvermögens.

Mit der Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 4 Abs. 3 Satz 4 EStG wollte der Gesetzgeber jedoch nicht einschränkungslos auch Geschäfte erfassen, die weder ihrer Natur nach auf eine kurzfristige Vermögensumschichtung zielen noch erkennen lassen, dass sich der Steuerpflichtige die leichte Handelbarkeit des Wertpapiers bzw. vergleichbarer nicht verbriefter Forderungen oder Rechte zur Erreichung eines Steuerstundungseffekts zu Nutze machen will. Vor diesem Hintergrund entschied der BFH, dass im Streitfall der Erwerb der Rückdeckungsforderung nicht der Regelung des § 4 Abs. 3 Satz 4 EStG unterfällt und somit dem sofortigen Betriebsausgabenabzug der abgeflossenen Aufwendungen nichts im Wege stand.

BFH, Urteil vom 12.12.2017, VIII R 9/14, veröffentlicht am 25.4.2018

Verlag Dr. Otto Schmidt
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