10.11.2011

Zur Auslegung des Begriffs "am Beschäftigungsort"

Es muss auch dann von einer doppelten Haushaltsführung ausgegangen werden, wenn sich die Hauptwohnung, die Zweitwohnung und die Arbeitsstätte in verschiedenen Gemeinden befinden, ein tägliches Fahren zwischen der Zweitwohnung und der Arbeitsstätte aber zumutbar erscheint. Allein die Tatsache, dass die Zweitwohnung und die Arbeitsstätte in verschiedenen Großstadtgemeinden liegen, steht der Annahme einer doppelten Haushaltsführung nicht entgegen.

FG Düsseldorf 13.10.2011, 11 K 4448/10 E
Der Sachverhalt:
Die Kläger werden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin arbeitet als kaufmännische Angestellte in A-Stadt. Sie ist seit dem Jahr 2000 Eigentümerin einer 78 qm großen Wohnung in B-Stadt, die sie unter der Woche als Zweitwohnsitz benutzt. Die Entfernung zwischen der Wohnung der Klägerin in B-Stadt und ihrer Arbeitsstätte in A-Stadt beträgt 141 km. Die Wochenenden verbringen die Kläger regelmäßig gemeinsam in ihrem Einfamilienhaus in S-Stadt.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2008 machten die Kläger Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte i.H.v. rund 7.656 € sowie 13.487 € Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung als Werbungskosten der Klägerin geltend. Das Finanzamt berücksichtigte zwar die Aufwendungen für die Fahrten mit dem Höchstbetrag von 4.500 €, nicht jedoch die Mehraufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung. Es war der Ansicht, der Zweithausstand der Klägerin befinde sich nicht am Beschäftigungsort. Schon bei einer Entfernung von 62 km könne auch bei einer großzügigen Auslegung des Begriffs "am Beschäftigungsort" nicht mehr davon ausgegangen werden, dass sich die Zweitwohnung in der Nähe des Beschäftigungsorts befinde.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Allerdings wurde zur Fortbildung des Rechts die Revision zum BFH zugelassen.

Die Gründe:
Das Finanzamt hatte zu Unrecht die Aufwendungen der Klägerin wegen doppelter Haushaltsführung nicht zum Werbungskostenabzug zugelassen.

Zwar liegt die Zweitwohnung der Klägerin in B-Stadt weder in der politischen Gemeinde ihrer Arbeitsstätte (A-Stadt) noch in deren Einzugsgebiet im engeren Sinne. Allerdings darf sich nach ständiger BFH-Rechtsprechung die Auslegung des Tatbestandsmerkmals "Beschäftigungsort" nicht allein am Gesetzeswortlaut orientieren, der Begriff ist vielmehr weit auszulegen. Infolgedessen muss auch dann von einer doppelten Haushaltsführung ausgegangen werden, wenn sich die Hauptwohnung, die Zweitwohnung und die Arbeitsstätte in verschiedenen Gemeinden befinden, ein tägliches Fahren zwischen der Zweitwohnung und der Arbeitsstätte aber zumutbar erscheint. Allein die Tatsache, dass die Zweitwohnung und die Arbeitsstätte in verschiedenen Großstadtgemeinden liegen, steht der Annahme einer doppelten Haushaltsführung nicht entgegen.

Diese Voraussetzung war im Streitfall erfüllt. Unter den Begriff des Einzugsgebiets können nicht nur die Vororte einer Großstadt fallen, sondern auch im Umland liegende andere Großstädte. Im Zeitalter steigender Mobilitätsanforderungen kann es nicht auf die bloße Entfernung zwischen Zweitwohnung und Arbeitsstätte ankommen. Es ist durchaus üblich, dass Arbeitnehmer größere Entfernungen zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in Kauf nehmen, wenn die Arbeitsstätte verkehrsgünstig zu erreichen ist. Die einfache Fahrt von B-Stadt nach A-Stadt dauert mit dem ICE eine Stunde. Ein derartiger Zeitaufwand liegt durchaus noch im Bereich des Üblichen. Dies gilt selbst dann, wenn die Klägerin für den Weg "von Tür zu Tür" länger braucht. In Abwägung der Gesamtumstände des Streitfalles befindet sich die Wohnung der Klägerin in B-Stadt damit noch im Einzugsgebiet (im weiteren Sinne) von A-Stadt.

Linkhinweis:

FG Düsseldorf online
Zurück