15.02.2013

Zur Ausübung des Wahlrechts bei Übertragung der § 6b-Rücklage in einen anderen Betrieb

Das Bilanzierungswahlrecht für die Bildung und Auflösung einer § 6b-Rücklage ist immer durch entsprechenden Ansatz der Steuer- bzw. Sonderbilanz des "veräußernden" Betriebs auszuüben. Dies gilt auch dann, wenn die Rücklage auf Wirtschaftsgüter eines anderen Betriebs des Steuerpflichtigen übertragen werden soll.

BFH 19.12.2012, IV R 41/09
Der Sachverhalt:
Die Kläger sind Vater (V.) und Sohn (S.), die seit Juli 1991 einen landwirtschaftlichen Betrieb (Westbetrieb) in der Rechtsform der GbR bewirtschaften. Daneben bewirtschaftete V. bis Juni 1996 einen weiteren landwirtschaftlichen Betrieb (Ostbetrieb). Ab Juli 1996 führten die Kläger den Ostbetrieb als atypisch stille Gesellschaft. S. verpachtete ab Juli 1995 bis zur Gründung der Gesellschaft landwirtschaftliche Grundstücke an den Ostbetrieb. Während der Verpachtung ordnete S. die Grundstücke seinem Verpachtungsbetrieb zu.

In den Wirtschaftsjahren 1993/94 und 1994/95 veräußerten die Kläger jeweils in ihrem Sonderbetriebsvermögen befindliche landwirtschaftliche Flächen des Westbetriebs und bildeten i.H. der entstandenen Veräußerungsgewinne in den Sonderbilanzen des Westbetriebs gewinnmindernde Rücklagen. V. erwarb in den Wirtschaftsjahren 1994/95 bis 1997/98 für den Ostbetrieb verschiedene landwirtschaftliche Objekte. S. erwarb im Juli 1995 und im Juli 1996 landwirtschaftliche Grundstücke, die von dem Ostbetrieb, Erstere zunächst auf Grund Pachtvertrags mit dem Verpachtungsbetrieb, bewirtschaftet wurden.

In den Bilanzen für den Ostbetrieb bis Ende Juni 1995 (Einzelbetrieb des V.) waren die bis dahin angefallenen Anschaffungskosten des V. in tatsächlich entstandener Höhe ausgewiesen. Eine Übertragung von Rücklagen nach § 6b EStG war nicht geltend gemacht worden. In den Bilanzen zum 30.6.1996 für den Ostbetrieb und für den Verpachtungsbetrieb des S. sowie in den Bilanzen zum 30.6.1997 und 30.6.1998 für den Ostbetrieb (nunmehr für die atypisch stille Gesellschaft), übertrugen die Kläger die Rücklagen weitgehend auf die in dem Ostbetrieb bzw. dem Verpachtungsbetrieb des S. getätigten Grundstücksinvestitionen. Dies blieb unbeanstandet. Die Feststellungsbescheide für den Ostbetrieb wurden bestandskräftig.

In den bereits zuvor beim Finanzamt eingereichten Sonderbilanzen des Westbetriebs für S. und V. zum 30.6.1996 und 30.6.1997 wurden die Rücklagen allerdings unverändert ausgewiesen. In später eingereichten Sonderbilanzen wurden die Rücklagen dann gewinnneutral aufgelöst bzw. auf Anschaffungskosten des Ostbetriebes übertragen. Infolge einer Betriebsprüfung des Westbetriebs gelangte das Finanzamt zu der Ansicht, dass die Rücklagen nicht wirksam auf Reinvestitionsgüter übertragen worden seien, und löste sie deshalb in der Sonderbilanz des V. zum 30.6.1998 und zum 30.6.1999 sowie in der Sonderbilanz des S. zum 30.6.1999 jeweils mit entsprechenden Gewinnzuschlägen gem. § 6b Abs. 7 EStG auf.

Die hiergegen gerichtete Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.

Die Gründe:
Das FG war zutreffend davon ausgegangen, dass die in den Sonderbilanzen der Kläger gebildeten § 6b-Rücklagen nicht wirksam auf Reinvestitionsgüter in dem Ostbetrieb übertragen worden waren und deshalb mit Ablauf der Reinvestitionsfrist in den Streitjahren gem. § 6b Abs. 3 S. 5 und Abs. 7 EStG gewinnwirksam aufzulösen waren.

§ 6b EStG räumt dem Steuerpflichtigen hinsichtlich der Übertragung stiller Reserven Wahlrechte ein. Der Steuerpflichtige kann stille Reserven unter den in § 6b EStG näher beschriebenen Voraussetzungen übertragen, er muss es aber nicht. Dementsprechend hängt es auch von seinem Willen ab, ob er die gem. § 6b Abs. 3 S. 1 EStG gebildete Rücklage von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines in § 6b Abs. 1 S. 2 EStG genannten Wirtschaftsguts (Reinvestitionsgut) abziehen will. Der Steuerpflichtige ist deshalb während des Laufs der Reinvestitionsfrist befugt, die Rücklage ganz oder teilweise gewinnerhöhend aufzulösen oder auf ein anderes Reinvestitionsgut ganz oder teilweise zu übertragen.

Bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG werden die vorgenannten Bilanzierungswahlrechte durch entsprechenden Ansatz oder die Auflösung einer Rücklage in der Steuerbilanz, bzw. bei der Veräußerung von Sonderbetriebsvermögen in der jeweiligen Sonderbilanz ausgeübt. Maßgeblich für die Bildung und Auflösung der § 6b-Rücklage ist dabei die Steuer- bzw. Sonderbilanz des "veräußernden" Betriebs. Denn in diesem Betrieb ist der Veräußerungsgewinn angefallen, der durch die Bildung der Rücklage neutralisiert werden soll.

Entgegen der Auffassung der Kläger ist das Bilanzierungswahlrecht auch dann durch entsprechenden Bilanzansatz im "veräußernden" Betrieb auszuüben, wenn die Rücklage auf Wirtschaftsgüter eines anderen Betriebs des Steuerpflichtigen übertragen werden soll. Zwar setzt die Übertragung der Rücklage in diesem Fall voraus, dass ein Abzug von den Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten des Reinvestitionsguts im Wirtschaftsjahr der Anschaffung bzw. Herstellung im Reinvestitionsbetrieb vorgenommen wird. Daraus folgt aber nicht, dass das (Übertragungs-)Wahlrecht erst in der Handels- oder Steuerbilanz des Betriebs auszuüben ist, auf dessen Reinvestitionsgut die Rücklage übertragen werden soll.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BFH veröffentlicht.
  • Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.
BFH online
Zurück