Zur Bedeutung der ausländischen Erbschaftsteuer auf Kapitalvermögen eines inländischen Erblassers für die deutsche Erbschaftsteuer
BFH 19.6.2013, II R 10/12Die Klägerin ist zu 1/4 Miterbin ihrer im April 2000 verstorbenen Großtante E, die ihren Wohnsitz in Deutschland hatte. Der Nachlass bestand aus in Deutschland und in Frankreich angelegtem Kapitalvermögen (Bankguthaben und festverzinsliche Wertpapiere) sowie Bargeld. Vom Reinnachlass von insgesamt 3.263.160 DM entfielen 2.842.820 DM auf das in Frankreich angelegte Kapitalvermögen. Die Klägerin hat ebenso wie die anderen Miterben ihren Wohnsitz in Deutschland.
Die französische Erbschaftsteuer für das in Frankreich angelegte Kapitalvermögen wurde gegenüber der Klägerin unter Berücksichtigung geringfügiger Abschläge von der Bemessungsgrundlage nach dem für Großnichten vorgesehenen Steuersatz (55 Prozent) i.H.v. umgerechnet rd. 383.000 DM erhoben. Das Finanzamt setzte die Erbschaftsteuer gegen die Klägerin zunächst auf rd. 50.000 € (98.000 DM) fest. Das Finanzamt berücksichtigte dabei die französische Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit.
In den während des Einspruchsverfahrens ergangenen Änderungsbescheiden berücksichtigte das Finanzamt die französische Erbschaftsteuer nicht mehr als Nachlassverbindlichkeit. Es setzte die Erbschaftsteuer zuletzt auf rd. 119.500 € (233.653 DM) fest. Der Einspruch blieb erfolglos. Da das Finanzamt die Gesamtbelastung durch die französische und die deutsche Erbschaftsteuer teilweise als sachlich unbillig ansah, erließ es die Steuer schließlich gem. § 227 AO in Höhe eines Teilbetrags von rd. 40.600 €.
Das FG wies die gegen die Steuerfestsetzung gerichtete Klage ab. Die Revision der Klägerin hatte vor dem BFH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Die angefochtene Steuerfestsetzung entspricht den Vorschriften des ErbStG und ist sowohl mit Unionsrecht als auch mit Verfassungsrecht und Art. 1 des 1. ZP-EMRK vereinbar. Das FG hat zu Recht angenommen, dass aufgrund unbeschränkter Steuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 i.V.m. S. 2 Buchst. a ErbStG auch das in Frankreich angelegte Kapitalvermögen der deutschen Erbschaftsteuer unterliegt und die französische Erbschaftsteuer nicht auf die deutsche Erbschaftsteuer anzurechnen ist. Ebenfalls zutreffend hat das FG angenommen, dass die französische Erbschaftsteuer nicht als Nachlassverbindlichkeit abziehbar ist.
Das Finanzamt und das FG haben zu Recht entschieden, dass die französische Erbschaftsteuer bei der Festsetzung der deutschen Erbschaftsteuer unberücksichtigt bleibt. Unionsrecht, insbes. die Kapitalverkehrsfreiheit, steht der mehrfachen Belastung eines Erwerbs von Todes wegen mit Erbschaftsteuer durch mehrere Staaten nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH nicht entgegen. Das GG und die EMRK verlangen ebenfalls nicht, dass die ausländische Erbschaftsteuer auf die deutsche Erbschaftsteuer angerechnet oder als Nachlassverbindlichkeit von deren Bemessungsgrundlage abgezogen werden muss.
Allerdings kann eine übermäßige, konfiskatorische Steuerbelastung Billigkeitsmaßnahmen erfordern. Ob der im Streitfall vorgenommene Teilerlass den Anforderungen insoweit genügte, war allerdings nicht Gegenstand des Verfahrens.
Hintergrund:
Im Verhältnis zu Frankreich hat sich die Rechtslage in der Zwischenzeit geändert. Eine Doppelbesteuerung wie im Streitfall wird nun durch das am 3.4.2009 in Kraft getretene Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der französischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung der Nachlässe, Erbschaften und Schenkungen vermieden. Die Entscheidung ist aber nach wie vor im Verhältnis zu Staaten von Bedeutung, mit denen kein solches Doppelbesteuerungsabkommen besteht und die für die Erhebung von Erbschaftsteuer an den Wohnsitz oder Sitz des Schuldners von Kapitalforderungen des Erblassers anknüpfen.
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