25.07.2024

Zur Berücksichtigung von Verlusten nach § 17 Abs. 4 EStG und § 20 Abs. 2 EStG - Kein Wahlrecht bezüglich der BFH-Vertrauensschutzregelung

1. Die Existenz des mit dem Gesetz zur weiteren Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften geschaffenen Wahlrechts des Steuerpflichtigen, auch für Veräußerungen vor dem 31.07.2019 rückwirkend die Neuregelung des § 17 Abs. 2a des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Anspruch zu nehmen (§ 52 Abs. 25a Satz 2 EStG), lässt die im Senatsurteil vom 11.07.2017 - IX R 36/15 (BFHE 258, 427, BStBl II 2019, 208, Rz 41) angeordnete befristete Fortgeltung der herkömmlichen Rechtsgrundsätze zur Behandlung von (ehemals) eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen im Rahmen des § 17 EStG nicht entfallen.
2. Steuerpflichtige können im Fall der Nichtausübung des Wahlrechts nach § 52 Abs. 25a Satz 2 EStG nicht auf die Anwendung dieser Fortgeltungsanordnung verzichten.

Kurzbesprechung
BFH v. 20.2.2024 - IX R 12/23

EStG § 17 Abs 1, § 17 Abs 2, § 17 Abs 2a S 3 Nr. 2, § 17 Abs 4, § 20 Abs 2, § 20 Abs 8 S 1, § 52 Abs 25a S 2
HGB § 255
GmbHG § 30, § 31
MoMiG Art 1
EmoFöuaÄndG Art 2 Nr. 10


Streitig war die steuerliche Berücksichtigung des Ausfalls von Darlehen im Zusammenhang mit der Auflösung einer Kapitalgesellschaft.

Der BFH entschied, dass das FG rechtsfehlerhaft den Ausfall der Darlehensrückzahlungsansprüche des Steuerpflichtigen den Einkünften aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG zugeordnet hatte. Denn im Streitfall ist es nicht auszuschließen, dass dieser Verlust ganz oder zumindest teilweise den Einkünften aus Gewerbebetrieb gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1 EStG zuzuordnen ist.

Der Steuerpflichtige hatte im Streitjahr 2016 einen Verlust aus der insolvenzbedingten Auflösung der GmbH gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 EStG realisiert. Dieser Verlust stand bereits im Streitjahr fest.

Die Auffassung des FG, der Verlust aus dem Ausfall der Darlehensrückzahlungsansprüche gegen die GmbH müsse nicht als nachträgliche Anschaffungskosten den Einkünften aus § 17 Abs. 4 EStG, sondern könne wahlweise ‑ steuerlich günstiger ‑ den Einkünften aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG zugeordnet werden, sofern kein Antrag nach § 52 Abs. 25a Satz 2 EStG gestellt werde, teilt der BFH nicht.

Die bisherige Rechtsprechung nahm auf der Grundlage des Eigenkapitalersatzrechts, das durch eine weitgehende Gleichbehandlung der eigenkapitalersetzenden Finanzierungsleistungen mit dem nach §§ 30, 31 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung i.d.F. bis zum Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen vom 23.10.2008 (BGBl I 2008, 2026) ‑‑GmbHG a.F.‑‑ gebundenen Kapital gekennzeichnet war, unter anderem beim Ausfall eines Gesellschafters mit seinem Anspruch auf Rückzahlung eines der Gesellschaft gewährten Darlehens bei § 17 Abs. 4 EStG zu berücksichtigende nachträgliche Anschaffungskosten an, wenn die Hingabe des Darlehens durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst war.

Mit der Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts zum 01.11.2008 durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen ist die Grundlage der bisherigen Rechtsprechung weggefallen. Es wurde deshalb erforderlich, neue Maßstäbe für die steuerliche Berücksichtigung von Aufwendungen des Gesellschafters aus bisher eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen zu entwickeln.

Die bisherigen Grundsätze zur Berücksichtigung von nachträglichen Anschaffungskosten aus eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen sind nach dem Senatsurteil vom 11.07.2017 - IX R 36/15 (BStBl II 2019, 208) allerdings weiter anzuwenden, wenn der Gesellschafter eine eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfe bis zum Tag der Veröffentlichung dieses Urteils (27.09.2017) geleistet hat oder wenn eine Finanzierungshilfe des Gesellschafters bis zu diesem Tag eigenkapitalersetzend geworden ist.

Der Gesetzgeber reagierte auf diese Rechtsprechung mit dem Gesetz zur weiteren Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 12.12.2019 (BGBl I 2019, 2451). Er führte in § 17 EStG mit Abs. 2a eine Definition der Anschaffungskosten von Anteilen an Kapitalgesellschaften im Sinne von § 17 EStG in Anlehnung an § 255 des Handelsgesetzbuchs ein. Der in diesem Kontext eingefügte § 17 Abs. 2a Satz 3 Nr. 2 EStG regelt, unter welchen Voraussetzungen auch nach der Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts Darlehensverluste als nachträgliche Anschaffungskosten bei den Einkünften im Sinne von § 17 EStG zu berücksichtigen sind.§ 17 Abs. 2a EStG ist nach § 52 Abs. 25a Satz 1 EStG erstmals für Veräußerungen im Sinne von § 17 Abs. 1, 4 oder 5 EStG nach dem 31.07.2019 anzuwenden. Auf Antrag des Steuerpflichtigen ist § 17 Abs. 2a Satz 1 bis 4 EStG nach § 52 Abs. 25a Satz 2 EStG auch für Veräußerungen vor diesem Datum anzuwenden.

Die bis zum Senatsurteil vom 11.07.2017 - IX R 36/15 (BStBl II 2019, 208) anerkannten Grundsätze zur Berücksichtigung von nachträglichen Anschaffungskosten aus eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen sind weiter anzuwenden, wenn der Gesellschafter eine eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfe bis zum 27.09.2017 geleistet hatte oder wenn eine Finanzierungshilfe des Gesellschafters bis zu diesem Tag eigenkapitalersetzend geworden war und er keinen Antrag auf Anwendung der Neuregelung in § 17 Abs. 2a EStG i.V.m. § 52 Abs. 25a Satz 2 EStG gestellt hat.

Der Regelung des § 52 Abs. 25a Satz 2 EStG ist nicht zu entnehmen, dass der Gesetzgeber die mit Senatsurteil vom 11.07.2017 - IX R 36/15 (BStBl II 2019, 208, Rz 41) entschiedene Fortgeltung beseitigen wollte. Auch in den Gesetzesmaterialien finden sich hierfür keine Anhaltspunkte.

Ziel der Einfügung von § 17 Abs. 2a EStG als Reaktion auf die vorgenannte Senatsrechtsprechung war es sicherzustellen, dass Darlehensverluste als nachträgliche Anschaffungskosten berücksichtigt werden, wenn bereits die Gewährung des Darlehens oder das Stehenlassen bei einer Krise der Kapitalgesellschaft gesellschaftsrechtlich veranlasst war, selbst wenn das Darlehen nach den Grundsätzen des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen zu behandeln ist (BRDrucks 356/19, S. 122). Dementsprechend sollte durch die Einführung des Wahlrechts für eine rückwirkende Anwendung von § 17 Abs. 2a EStG sichergestellt werden, dass der Steuerpflichtige Darlehensverluste weiterhin unbeschränkt nach § 17 EStG gewinnmindernd berücksichtigen kann und diese bei Beteiligungen von unter 10 % nicht im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen in einem gesonderten Verlustverrechnungskreis eingesperrt werden (BRDrucks 356/19, S. 134). Hingegen kommt in den Gesetzesmaterialien nicht zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber mit § 52 Abs. 25a Satz 2 EStG die mit dem Senatsurteil vom 11.07.2017 - IX R 36/15 (BStBl II 2019, 208, Rz 41) ausgesprochene Fortgeltung entfallen lassen wollte. Vielmehr tritt das Wahlrecht aus § 52 Abs. 25a Satz 2 EStG neben die mit Senatsurteil vom 11.07.2017 - IX R 36/15 (BStBl II 2019, 208, Rz 41) ausgesprochene zeitlich befristete Fortgeltung der alten Rechtsgrundsätze.

Im Streitfall hatte der Steuerpflichtige keinen Antrag nach § 52 Abs. 25a Satz 2 EStG gestellt. Infolgedessen fand die bis dahin gültige Rechtslage, mithin auch die Grundsätze zur Berücksichtigung von nachträglichen Anschaffungskosten aus eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen nach der bisherigen Rechtsprechung, Anwendung.

Verluste aus dem Ausfall von Finanzierungshilfen eines relevant im Sinne von § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG beteiligten Gesellschafters ‑ was auf den Steuerpflichtigen zutrifft ‑ sind nur insoweit dessen Einkünften aus Kapitalvermögen zuzuweisen, als sie nicht gesellschaftsrechtlich veranlasst sind; im Übrigen greift die Sperrwirkung des § 20 Abs. 8 Satz 1 EStG. Dies gilt auch, wenn sich für Zeiträume, für die die in dem Senatsurteil vom 11.07.2017 - IX R 36/15 (BStBl II 2019, 208, Rz 41) angeordnete Fortgeltung der bisherigen Rechtslage noch anwendbar war, ein steuerlich günstigeres Ergebnis bei Zuweisung des Verlusts zu den Einkünften aus Kapitalvermögen ergäbe.

Der BFH hält an seiner Rechtsprechung zur Fortgeltung der bisherigen Rechtslage im Senatsurteil vom 11.07.2017 - IX R 36/15 (BStBl II 2019, 208, Rz 41) ausdrücklich fest. Die bisherigen Grundsätze zur Berücksichtigung von nachträglichen Anschaffungskosten aus eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen sind weiter anzuwenden, wenn der Gesellschafter eine eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfe bis zum Tag der Veröffentlichung dieses Urteils geleistet hat oder wenn eine Finanzierungshilfe des Gesellschafters bis zu diesem Tag eigenkapitalersetzend geworden ist.

Da der BFH auf Grundlage der bisherigen Feststellungen des FG nicht abschließend befinden konnte, in welcher Höhe für den Steuerpflichtigen aus der insolvenzbedingten Auflösung der GmbH im Streitjahr Verluste anzuerkennen sind, verwies er den Streitfall zur weiteren Sachaufklärung und erneuten Entscheidung an das FG zurück.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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