Zur Besteuerung von Liquidationszahlungen nach Auflösung einer Stiftung
BFH 28.2.2018, VIII R 30/15Die Klägerin ist Tochter und Erbin des verstorbenen X. Dieser hatte die X-Stiftung, die zuletzt nicht i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG von der Körperschaftsteuer befreit war, gegründet. Nach seinem Tod war der Zweck der Stiftung darauf gerichtet, ihr Vermögen zu verwalten und das Stimmrecht bei der Y-GmbH auszuüben. Vorstand der Stiftung war zunächst der Stifter selbst. Nach dessen Tod sollte die Stiftung durch den Stiftungsvorstand, zu dessen Bestimmung die Stiftungssatzung umfangreiche Regelungen enthielt, vertreten werden. Im Fall der Beendigung der Stiftung sollte das Stiftungsvermögen an den Stifter fallen, nach dessen Tod war das Vermögen an dessen Erben zu verteilen.
Der Stiftungsvorstand, dem die Klägerin zu keinem Zeitpunkt angehörte, beschloss auf Vorschlag der Klägerin im Jahr 2004 die Auflösung der Stiftung. Das Liquidationsendvermögen wurde 2005 an die Klägerin ausgekehrt. Das Finanzamt setzte für den Erwerb aus der Zuwendung der Stiftung gegenüber der Klägerin erklärungsgemäß Schenkungsteuer fest. Darüber hinaus änderte es im Oktober 2009 die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr 2005, wobei es die Einkünfte der Klägerin aus Kapitalvermögen erhöhte und die Einkommensteuer entsprechend höher festsetzte. Zudem erging gegenüber der Stiftung ein unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehender Bescheid über Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag für 2005.
Mit ihrem gegen den Einkommensteueränderungsbescheid 2005 gerichteten Einspruch legte die Klägerin eine Steuerbescheinigung der Stiftung aus November 2009 für die dem Halbeinkünfteverfahren unterliegenden Bezüge vor. Daraufhin rechnete das Finanzamt die festgesetzte Kapitalertragsteuer und den Solidaritätszuschlag an. Im Übrigen wies es den Einspruch der Klägerin zurück. Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision des Finanzamtes blieb vor dem BFH erfolglos.
Gründe:
Das FG hat zutreffend erkannt, dass die Klägerin im Zusammenhang mit der Liquidation der Stiftung weder Einkünfte i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG noch des § 22 EStG bezogen hatte.
Unabhängig von der Frage, ob die Stellung des Leistungsempfängers wirtschaftlich derjenigen eines Anteilseigners entspricht, fehlt es bereits dem Grunde nach an einer wirtschaftlichen Vergleichbarkeit mit Gewinnausschüttungen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, wenn - wie hier - nach der Auflösung einer Stiftung das Liquidationsendvermögen an den ausschließlich Anfallberechtigten gezahlt wird. Denn der Gesetzgeber hat in dem Bewusstsein, dass auch in Liquidationszahlungen thesaurierte Erträge enthalten sein können, nicht auf § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG Bezug genommen. § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG verweist vielmehr ausschließlich auf § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, der Beteiligungserträge, die von einer bestehenden Körperschaft gewährt werden, erfasst. Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG führt demnach die in § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG geregelte Verteilung des im Rahmen des Stiftungszweckes erwirtschafteten Überschusses an "hinter einer Stiftung stehende Personen" zu Einkünften aus Kapitalvermögen.
Auf § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG, der die aufgrund der Liquidation erfolgende Verteilung des Stiftungsvermögens regelt, verweist § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG hingegen nicht. Handels- und steuerrechtlich sind jene Zahlungen aufgrund einer Herabsetzung von Grund- oder Stammkapital oder einer Liquidation dem Grunde nach als Kapitalrückgewähr und nicht als Kapitalertrag zu qualifizieren. § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG erfasst demnach Bezüge, die nicht zu den Einnahmen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehören. Somit ist die Auszahlung des Liquidationsendvermögens an den ausschließlich Anfallberechtigten keine Leistung, die Gewinnausschüttungen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG wirtschaftlich vergleichbar ist. Sie ist vielmehr von diesen zu unterscheiden, was sich auch daran zeigt, dass das, was der Anfallberechtigte bei Aufhebung einer Stiftung erwirbt, gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG als Schenkung unter Lebenden gilt.
Entgegen der Auffassung des BMF (BMF-Schreiben vom 27.6.2006 - IV B 7 - S 2252 4/06) erfasst § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG nicht unterschiedslos alle wiederkehrenden oder einmaligen Leistungen einer Stiftung, die von den beschlussfassenden Stiftungsgremien aus den Erträgen der Stiftung an den Stifter, seine Angehörigen oder deren Abkömmlinge während des Bestehens der Stiftung oder anlässlich ihrer Auflösung ausgekehrt werden. Im vorliegenden Fall wurden die in Rede stehenden Zahlungen auch nicht von § 22 Nr. 1 S. 1 u. 2a EStG erfasst. Für die Anwendung von § 22 Nr. 1 S. 1 1. Hs. EStG fehlte es bereits an wiederkehrenden Bezügen, denn die Auskehrung des Liquidationsendvermögens war eine einmalige Zahlung. Auch lag keine sonstige Leistung i.S.d. § 22 Nr. 3 EStG vor, da die Zahlung nicht durch eine Leistung der Steuerpflichtigen, der Erbin des Stifters, ausgelöst worden. Auslöser war vielmehr die Auflösung der Stiftung. Für diesen Fall stand der Steuerpflichtigen als Anfallberechtigter ein Anspruch auf Auszahlung des Liquidationsendvermögens zu.
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