Zur Bildung einer Rückstellung im Fall einer gegen den Steuerpflichtigen angestrengten Klage
Schleswig-Holsteinisches FG 25.9.2012, 3 K 77/11Die Klägerin, eine Partnerschaftsgesellschaft, war zum 1.1.2004 durch Verschmelzung im Wege der Neugründung durch Übertragung des Vermögens der O-AG gegründet worden. Die Klägerin ermittelt ihren Gewinn durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung nach § 4 Abs. 3 EStG. Die O-AG hatte ihren Gewinn gem. §§ 4 Abs. 1, 5 EStG durch Bestandsvergleich ermittelt. Im Jahr 2003 war die O-AG von der C-AG auf Rückzahlung eines Beratungshonorars verklagt worden. Im Jahr 2004 schlossen die Klägerin und die C-AG einen Prozessvergleich, in dem sich die Klägerin verpflichtete, einen Betrag i.H.v. 50 Prozent der Klageforderung in sieben Raten zu entrichten.
In ihrer Gewinnermittlung für 2004 berücksichtigte die Klägerin die infolge des Prozessvergleichs in 2004 gezahlte Rate als laufende Betriebsausgabe. In dem für 2004 von ihr ausgewiesenen Gesamthandsverlust war zudem wegen Wechsels der Gewinnermittlungsart vom Bestandsvergleich zur Einnahmen-Überschuss-Rechnung ein Übergangsverlust enthalten. Die O-AG hatte in ihrem Jahresabschluss 2003 hinsichtlich der Klage der C-AG keine Rückstellung gebildet. Dem entsprechend hatte die Klägerin in dem von ihr ermittelten Übergangsverlust eine (gewinnerhöhende) Auflösung einer solchen Rückstellung auch nicht berücksichtigt.
Im Rahmen einer Betriebsprüfung vertrat das Finanzamt, dass wegen der klageweise geltend gemachten Ansprüche bei der O-AG eine Rückstellung hätte gebildet werden müssen. Der von der Klägerin erklärte Gesamthandsverlust 2004 sei um diesen Betrag zu reduzieren, da sich der Rückstellungsbetrag bei der Ermittlung des Übergangsgewinns bzw. Übergangsverlustes entsprechend gewinnerhöhend auswirke. Dementsprechend änderte das Finanzamt den Feststellungsbescheid 2004.
Das FG wies die Klage ab. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Revision wird beim BFH unter dem Az. VIII R 45/12 geführt.
Die Gründe:
Das Finanzamt hat bei Ermittlung des Übergangsgewinns die streitbefangene (vom Finanzamt bei der Rechtsvorgängerin zu Recht gebildete) Rückstellung zu Recht gewinnerhöhend berücksichtigt.
Bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin (der O-AG) war in 2003 wegen des anhängigen Zivilprozesses eine Rückstellung zu bilden. Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt es bei einem klageweise geltend gemachten Anspruch für eine Rückstellungsbildung nicht auf die Erfolgsaussichten der Klage an. Im Fall eines im Klagewege gegen den Kaufmann geltend gemachten Anspruchs ist grundsätzlich immer eine Rückstellung zu bilden. Da der Ausgang eines Rechtsstreits regelmäßig unsicher ist, muss infolge der Klageerhebung für das Bestehen einer Verbindlichkeit eine hinreichende Wahrscheinlichkeit bejaht werden. Aufgrund des Vorsichtsprinzips muss der Kaufmann damit rechnen, dass ein für ihn ungünstiges Urteil ergeht. Lediglich für Klagen, die dem Grunde und/oder der Höhe nach offensichtlich willkürlich oder erkennbar nur zum Schein gegen den Steuerpflichtigen angestrengt worden sind, ist eine Ausnahme von der Bilanzansatzpflicht zuzulassen.
Entschließt sich der Steuerpflichtige von einer Gewinnermittlungsart zu einer anderen Gewinnermittlungsart überzugehen, so ist im Wege der Gewinnkorrektur sicherzustellen, dass betriebliche Vorgänge wie Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben erfasst werden, die ohne diese Korrekturen wegen der unterschiedlichen Systematik des Bestandsvergleichs einerseits und der Einnahmenüberschussrechnung andererseits nicht oder aber doppelt erfasst würden. Aus diesem Grunde können nach dem Übergang zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG solche Beträge nicht mehr als Betriebsausgaben abgezogen werden, die sich bereits zuvor bei der Gewinnermittlung nach § 5 EStG durch den Ansatz einer entsprechenden Verbindlichkeit oder - wie im Streitfall - Rückstellung erfolgsmindernd ausgewirkt hätten.
Auch die Höhe der Rückstellung war vorliegend nicht zu beanstanden. Rückstellungen sind handelsrechtlich in Höhe des Betrags anzusetzen, der nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig ist (§ 253 Abs. 1 S. 2 HGB). Die Verpflichtung, die der im Fall eines Rechtsstreits zu bildenden Rückstellung zugrunde liegt, ist in der Regel sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach ungewiss. Die Rückstellung ist daher grundsätzlich mit dem eingeklagten Betrag zu bewerten. Etwas anderes ergibt sich im Streitfall auch nicht aus § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. c EStG. Den von der Klägerin infolge der zivilgerichtlichen Klage behaupteten Regressanspruch gegen den gemeinsamen Gesellschafter der O-AG und der C-AG erscheint als zu vage, um von einem (werthaltigen) Vorteil ausgehen zu können.
Entgegen der Auffassung der Klägerin stellt die gewinnerhöhende Hinzurechnung der streitbefangenen Rückstellung auch keine verfassungswidrige Übermaßbesteuerung dar. Dass die Klägerin (bzw. deren Gesellschafter) die bei der Rechtsvorgängerin gebildete Rückstellung im Streitfall steuerlich selbst nicht nutzen kann, widerspricht nicht den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zur Gewinnkorrektur bei Wechsel der Gewinnermittlungsart, sondern liegt allein an der gesetzlichen Regelung des § 4 Abs. 2 S. 2 UmwStG, wonach ein verbleibender Verlustvortrag nicht auf den neuen Rechtsträger übergeht. Diese Regelung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie ist insbes. schon deswegen nicht unverhältnismäßig, weil sie für den Steuerpflichtigen nicht unvermeidbar ist; die übertragende Körperschaft kann sich dafür entscheiden, ihr Vermögen in ihrer Schlussbilanz nicht mit dem Buchwert, sondern mit einem höheren Wert anzusetzen (Zwischenwert oder gemeiner Wert) und einen dadurch entstehenden Übertragungsgewinn durch Verrechnung mit einem steuerlichen Verlustvortrag nach § 10d EStG steuerfrei stellen.
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