01.12.2017

Zur depotübergreifenden Verlustverrechnung gem. § 20 Abs. 6 S. 1 EStG bei Antragsveranlagung nach § 32d Abs. 4 EStG

§ 20 Abs. 6 S. 1 EStG steht der depotübergreifenden Verrechnung von Altverlusten i.S.d. § 23 EStG in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung (EStG a.F.) bei der (Antrags-)Veranlagung gem. § 32d Abs. 4 EStG nicht entgegen, da die depotbezogenen unterjährigen Verlustverrechnungen der auszahlenden Stelle i.S.d. § 43a Abs. 3 EStG zwar vorrangig, aber nicht endgültig sind. Auch die Regelung des § 20 Abs. 6 S. 6 EStG steht der Verlustverrechnung nicht entgegen.

BFH 29.8.2017, VIII R 23/15
Der Sachverhalt:
Der Kläger erzielte im Streitjahr (2010) aus einem Depot bei der A-Bank und aus einem Depot bei der B-Bank Kapitaleinkünfte i.S.d. § 20 EStG a.F. Nach der Erträgnisaufstellung der A-Bank erzielte der Kläger Kapitalerträge i.H.v. insgesamt rd. 149.000 € und nach der Erträgnisaufstellung der B-Bank nach der Verlustverrechnung innerhalb des Depots Kapitalerträge i.H.v. rd. 84.000 €. Außerdem erzielte der Kläger aus einem privaten Darlehen Kapitaleinkünfte gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG i.H.v. rd. 550 €.

Das Finanzamt legte im Einkommensteuerbescheid für 2010 der Festsetzung Kapitalerträge i.S.d. § 20 Abs. 1 EStG i.H.v. rd. 138.000 € und Kapitalerträge i.S.d. § 20 Abs. 2 EStG (ohne Aktien) i.H.v. rd. 95.000 € zugrunde. Die Erträge nach § 20 Abs. 2 EStG verrechnete es in vollem Umfang mit dem Verlustvortrag aus privaten Veräußerungsgeschäften gem. § 23 EStG a.F. Nach Abzug des Sparer-Pauschbetrags i.H.v. rd. 800 € ergaben sich Kapitalerträge i.H.v. rd. 138.000 €, die der Besteuerung nach § 32d Abs. 1 EStG zugrunde gelegt wurden.

Der Kläger macht demgegenüber geltend, die Verlustverrechnung durch die auszahlende Stelle i.S.d. § 43a Abs. 3 EStG sei nur vorläufig, wenn es bei einer depotübergreifenden Verlustverrechnung im Veranlagungsverfahren zu einem günstigeren Ergebnis komme. Die im Streitjahr erzielten Kapitaleinkünfte i.S.d. § 20 Abs. 1 EStG i.H.v. insgesamt rd. 169.000 € seien mit den im Streitjahr erzielten Verlusten i.S.d § 20 Abs. 2 EStG (ohne Aktienverluste) i.H.v. rd. 141.000 € zu verrechnen.

Das FG gab der Klage statt. Die Revision des Finanzamts hatte vor dem BFH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das Verfahren des Kapitalertragsteuerabzugs an der Quelle durch die auszahlende Stelle gem. §§ 43 ff. EStG steht der für den Kläger günstigeren Verrechnung von Altverlusten i.S.d. § 23 EStG a.F. mit Kapitaleinkünften i.S.d. § 20 Abs. 2 EStG im Rahmen der Veranlagung gem. § 32d Abs. 4 EStG nach § 20 Abs. 6 S. 1 EStG nicht entgegen.

Aus der gesetzlichen Konzeption der Abgeltungsteuer ergibt sich, dass die Verlustverrechnung i.S.d. § 43a Abs. 3 EStG bei der auszahlenden Stelle nicht endgültig ist, sondern bei der (Antrags-)Veranlagung gem. § 32d Abs. 4 EStG eine depotübergreifende günstigere Verrechnung mit den Altverlusten i.S.d. § 23 EStG a.F. durchzuführen ist. Gem. § 43 Abs. 5 S. 1 EStG ist die Einkommensteuer für Kapitalerträge i.S.d. § 20 EStG, die der Kapitalertragsteuer unterlegen haben, mit dem Steuerabzug abgegolten. Dies dient der mit der Einführung der Abgeltungsteuer bezweckten Vereinfachung der Besteuerung von Kapitaleinkünften. Allerdings werden gem. § 43 Abs. 5 S. 3 EStG auf Antrag des Gläubigers die Kapitalerträge i.S.d. § 43 Abs. 5 S. 1 EStG in die besondere Besteuerung von Kapitalerträgen nach § 32d EStG einbezogen. Die abgeltende Wirkung des Steuerabzugs entfällt.

Der hierfür vorgesehene Antrag nach § 32d Abs. 4 EStG ermöglicht es dem Steuerpflichtigen, den Steuereinbehalt durch die auszahlende Stelle dem Grunde und der Höhe nach im Veranlagungsverfahren durch das Finanzamt überprüfen zu lassen. Zudem sollen noch nicht im Rahmen des § 43a Abs. 3 EStG berücksichtigte Verluste und Verlustvorträge nach § 20 Abs. 6 EStG genutzt werden können. Danach ist die Verlustverrechnung im Rahmen des Steuerabzugsverfahrens durch die Kreditinstitute zwar zeitlich vorrangig, jedoch bei einer Antragstellung nach § 32d Abs. 4 EStG nicht endgültig. Im Übrigen ist die depotübergreifende Verrechnung von Altverlusten i.S.d. § 23 EStG a.F. auch aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten.

Letztlich stand vorliegend auch die Regelung des § 20 Abs. 6 S. 6 EStG der Verlustverrechnung nicht entgegen. Die Vorschrift, nach der Verluste aus Kapitalvermögen, die der Kapitalertragsteuer unterliegen, nur verrechnet werden dürfen, wenn eine Bescheinigung der auszahlenden Stelle i.S.d. § 43a Abs. 3 S. 4 EStG vorliegt, dient der Verhinderung eines doppelten Verlustabzugs. Eine solche Gefahr war hier jedoch nicht gegeben, da sich aus den Erträgnisaufstellungen der beiden Banken jeweils ein positiver Endsaldo ergibt. Es ist daher ausgeschlossen, dass ein nicht ausgeglichener Verlust gem. § 43a Abs. 3 S. 3 EStG von der auszahlenden Stelle auf das nächste Kalenderjahr übertragen wird.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BFH veröffentlicht.
  • Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.
BGH online
Zurück