06.06.2013

Zur einheitlichen Auslegung der Begriffe "Summe der Einkünfte" in § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG und § 2 Abs. 3 EStG

Unter der "Summe der Einkünfte" i.S.d. § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG ist derjenige Saldo zu verstehen, der nach horizontaler und vertikaler Verrechnung der Einkünfte verbleibt. Versagt das Gesetz - wie in § 23 Abs. 3 S. 8 EStG im Falle eines Verlustes aus privaten Veräußerungsgeschäften - die Verrechnung eines Verlustes aus einer Einkunftsart mit Gewinnen bzw. Überschüssen aus anderen Einkunftsarten, fließt dieser Verlust nicht in die "Summe der Einkünfte" ein.

BFH 26.3.2013, VI R 22/11
Der Sachverhalt:
Die Klägerin erzielt Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Im Juni 1999 hatte sie eine Eigentumswohnung erworben, die sie nach anfänglicher Selbstnutzung bis zur Veräußerung Ende Mai 2005 vermietete. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2005 erklärte sie neben Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aufgrund der Vermietung der Eigentumswohnung i.H.v. 1.831 € und Einkünfte aus einem Immobilienfonds i.H.v. 3.879 €. Zudem erklärte sie einen Verlust aus der Veräußerung der Eigentumswohnung als sonstige Einkünfte i.S.d. §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG i.H.v. 8.886 €.

Im Januar 2007 setzte das Finanzamt Einkommensteuer für das Streitjahr i.H.v. 10.564 € fest, was zu einer Einkommensteuernachzahlung i.H.v. 1.098 € führte. Die sonstigen Einkünfte setzte es mit 0 € an, weil es sich bei dem erklärten Verlust aus privaten Veräußerungsgeschäften um einen nicht ausgleichsfähigen Verlust nach § 23 Abs. 3 S. 8 EStG handele. Mit Bescheid vom selben Tage stellte es einen verbleibenden Verlustvortrag für Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften auf den 31.12.2005 i.H.v. 8.886 € fest.

Gegen den Einkommensteuerbescheid für 2005 und die Einkommensteuer-Vorauszahlungsbescheide für 2007 und 2008 wandte sich die Klägerin mit dem Einspruch. Sie führte aus, dass sie ihren Antrag auf Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG zurücknehme, weil sie statt der erwarteten Steuererstattung nunmehr eine Steuernachzahlung leisten solle. Auf eine künftige Verlustberücksichtigung nach § 10d EStG lege sie keinen Wert. Es sei auch von Amts wegen keine Einkommensteuerveranlagung vorzunehmen, weil sich die nicht dem Lohnsteuerabzug unterliegenden Einkünfte auf weniger als 410 € beliefen.

Im Laufe des Einspruchsverfahrens änderte das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid für 2005 sowie den Verlustfeststellungsbescheid, indem es den verbleibenden Verlustvortrag zum 31.12.2004 berücksichtigte und den verbleibenden Verlust zum 31.12.2005 auf 9.583 € erhöhte. Zudem setzte es die Quartalsvorauszahlungen für 2007 und 2008 herab. Hiermit trug es dem Wegfall der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aufgrund des Verkaufs der Eigentumswohnung Rechnung.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Revision der Klägerin hatte vor dem BFH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Voraussetzungen für eine Pflichtveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG im Streitfall vorliegen.

Besteht das Einkommen ganz oder teilweise aus Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, von denen ein Steuerabzug vorgenommen worden ist, wird eine Veranlagung nur unter den in § 46 Abs. 2 Nrn. 1 bis 8 EStG genannten Voraussetzungen durchgeführt. Da die Klägerin den Antrag auf Vornahme einer Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG im Einspruchsverfahren zurückgenommen hat, kommt eine Veranlagung nur in Betracht, wenn die Voraussetzungen einer Pflichtveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 bis 7 EStG vorliegen.

Die Einkünfte i.S.d. § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG bestimmen sich nach Grund und Höhe nach Maßgabe der §§ 2 bis 24 EStG. Weiter dürfen nach § 23 Abs. 3 S. 8 EStG Verluste nur bis zur Höhe des Gewinns, den der Steuerpflichtige im gleichen Kalenderjahr aus privaten Veräußerungsgeschäften erzielt hat, ausgeglichen werden. Ein negativer Saldo aus Veräußerungspreis, Anschaffungs- und Werbungskosten i.S.d. § 23 Abs. 3 S. 1 EStG ist danach im Rahmen der Ermittlung der Summe der Einkünfte eines Streitjahres i.S.d. § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG nur anzusetzen, wenn und soweit hierdurch ein Gewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften ausgeglichen wird. Fehlt es hieran, ist ein Veräußerungsverlust nicht in die Berechnung der Summe der Einkünfte einzubeziehen.

Unter der "Summe der Einkünfte" i.S.d. § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG und des § 2 Abs. 3 EStG ist derjenige Saldo zu verstehen, der nach horizontaler und vertikaler Verrechnung der Einkünfte verbleibt. Versagt das Gesetz - wie hier in § 23 Abs. 3 S. 8 EStG - die Verrechnung eines Verlustes aus einer Einkunftsart mit Gewinnen bzw. Überschüssen aus anderen Einkunftsarten, fließt dieser Verlust nicht in die "Summe der Einkünfte" ein. Dies geschieht erst, wenn und soweit in folgenden Veranlagungszeiträumen eine Verrechnung mit positiven Einkünften zulässig ist. Eine einheitliche Auslegung von Grundbegriffen des Einkommensteuerrechts innerhalb desselben Gesetzes ist geboten, soweit nicht zwingende Gründe eine unterschiedliche Auslegung erfordern.

Im Streitfall erscheint eine von den für das Streitjahr geltenden Vorschriften für die Ermittlung der Summe der Einkünfte abweichende Auslegung des Begriffs der Summe der Einkünfte i.S.d. § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG nicht geboten. Vielmehr fordern Sinn und Zweck des § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG die hier vorgenommene Auslegung. Der mit der Vorschrift angestrebten Steuergerechtigkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung widerspräche es, bezöge man einen nach § 23 Abs. 3 S. 8 EStG im Streitjahr nicht anzusetzenden Verlust in die Berechnung der Summe der Einkünfte i.S.d. § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG ein. Dies würde einem Steuerpflichtigen, der Nebeneinkünfte in erheblicher Höhe bezogen hat, ermöglichen, durch Gegenrechnung eines im Rahmen der Besteuerung des Streitjahres letztlich nicht zu berücksichtigenden Verlustes eine Veranlagung und damit die zutreffende Steuerfestsetzung zu vermeiden.

Linkhinweis:

  • Der Volltext ist auf der Homepage des BFH veröffentlicht.
  • Um direkt zum Volltext der Entscheidung zu kommen, klicken Sie bitte hier.
BFH online
Zurück