Zur Einkünfteerzielungsabsicht bei langjährigem strukturell bedingtem Leerstand von Wohnungen
BFH 9.7.2013, IX R 48/12Der Kläger erwarb im November 1997 durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung ein mit einer Stadtvilla bebautes Grundstück in der Stadt A in Thüringen. Das Grundstück hatte zunächst im Eigentum der Eltern des Klägers gestanden; seit 1977 war der Kläger - als Gesamtrechtsnachfolger seiner Mutter und Mitglied einer Erbengemeinschaft, bestehend aus ihm selbst und seinem Bruder - Miteigentümer des Grundstücks. Die 1997 durchgeführte Zwangsversteigerung wurde von dem anderen (hälftigen) Miteigentümer - der Stadt A - betrieben.
Die 1928 errichtete Stadtvilla hat eine Gesamtwohnfläche von 156 qm und wurde ursprünglich von der Familie des Klägers zu eigenen Wohnzwecken genutzt. Im Zeitraum von 1949 bis 1992 war das gesamte Objekt fremdvermietet. Seit dem Auszug des letzten Mieters im Juni 1992 steht das Objekt leer. Nach dem Erwerb des Alleineigentums im Zuge der Zwangsversteigerung beauftragte der Kläger eine Wohnungsgesellschaft mit der Verwaltung und Vermietung des Objekts. Dennoch gelang es seitdem nicht, einen Mieter für das Objekt zu finden.
Laut Auskunft der Verwaltungsgesellschaft von Januar 2012 besteht keine Nachfrage für die Anmietung einer Wohnung in dieser Größe und dem daraus resultierenden Mietzins. Zudem ist eine Vermietung aufgrund des baulichen Zustands des Objekts nicht möglich. Die Villa bedürfte einer grundlegenden Sanierung, die aber unter Berücksichtigung des gegenwärtigen Mietpreisniveaus als unwirtschaftlich eingeschätzt werden muss. In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (2010) machte der Kläger einen Werbungskostenüberschuss i.H.v. 2.925 € bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung im Zusammenhang mit dem Leerstand der Stadtvilla geltend, den das Finanzamt im indes nicht berücksichtigte.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BFH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das FG ist im Streitfall zu Recht davon ausgegangen, dass der vom Kläger geltend gemachte Werbungskostenüberschuss mangels Vorliegens eines Einkünftetatbestands nicht (mehr) zu berücksichtigen ist.
Aufwendungen für eine nach Herstellung, Anschaffung oder Selbstnutzung leerstehende Wohnung können als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar sein, wenn der Steuerpflichtige die Einkünfteerzielungsabsicht hinsichtlich dieses Objekts erkennbar aufgenommen (und sie später nicht aufgegeben) hat. Demgegenüber sind Aufwendungen für eine Wohnung, die nach vorheriger (auf Dauer angelegter) Vermietung leersteht, auch während der Zeit des Leerstands als Werbungskosten abziehbar, solange der Steuerpflichtige den ursprünglichen Entschluss zur Einkünfteerzielung im Zusammenhang mit dem Leerstand der Wohnung nicht endgültig aufgegeben hat.
Unbeschadet davon kann auch ein besonders lang andauernder Leerstand nach vorheriger, auf Dauer angelegter Vermietung dazu führen, dass eine vom Steuerpflichtigen aufgenommene Einkünfteerzielungsabsicht ohne sein Zutun oder Verschulden wegfällt; davon kann im Einzelfall aber nur ausgegangen werden, wenn absehbar ist, dass das maßgebliche (dem Grunde nach betriebsbereite) Objekt entweder wegen fehlender - und unter zumutbaren Umständen auch nicht herbeizuführender - Marktgängigkeit oder aufgrund anderweitiger struktureller Vermietungshindernisse in absehbarer Zeit nicht wieder vermietet werden kann.
Danach ist die Entscheidung des FG, wonach der Kläger im Streitjahr keinen Einkünftetatbestand mehr erfüllt hat, im Ergebnis nicht zu beanstanden. Selbst wenn man annimmt, dass der Kläger sich stets ernsthaft und nachhaltig um eine Vermietung des Objekts bemüht hat, ist vorliegend davon auszugehen, dass er - jedenfalls im Streitjahr - seine Einkünfteerzielungsabsicht ohne eigenes Verschulden verloren hat. Die Stadtvilla war im Zeitraum von 1949 bis Mitte 1992 dauerhaft vermietet; seitdem steht sie leer. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass eine Vermietung auf absehbare Zeit mangels entsprechender Mieternachfrage nicht zu erreichen ist, da in der Stadt A rund die Hälfte des Mietwohnraums leer steht.
Das (grundsätzlich vermietbare) Objekt müsste grundlegend saniert werden, um wieder als attraktiv zu gelten und sinnvoll am Markt platziert werden zu können. Eine solche Sanierung muss indes unter Berücksichtigung des gegenwärtig niedrigen Mietpreisniveaus, welches mittelbar aus dem Überangebot von Immobilien in der Stadt A resultiert, als unwirtschaftlich eingeschätzt werden. Es ist daher davon auszugehen, dass eine Marktgängigkeit der Stadtvilla unter wirtschaftlich zumutbaren Bedingungen nicht herbeizuführen ist und ihre Vermietung aufgrund der offensichtlich vorhandenen strukturellen Vermietungshindernisse in absehbarer Zeit objektiv nicht möglich sein wird.
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