Zur Einordnung von Gebäudeteilen als selbständige Wirtschaftsgüter im Investitionszulagenrecht
BFH 20.12.2012, III R 40/11Der Kläger betreibt eine Bau- und Möbeltischlerei. Im September 1999 beantragte er beim Landratsamt eine Genehmigung für den Neubau eines Werkstatt- und Lagergebäudes, eines Spänebunkers und eines Anbaus an das Wohnhaus. Die Genehmigung wurde im Februar 2000 erteilt. Die Bauarbeiten zogen sich erheblich in die Länge. So waren Ende 2004 erst das Kellergeschoss des Werkstattgebäudes und der Spänebunker errichtet worden.
Der Bau des Erd- und des Dachgeschosses sollte ausweislich einer im Juli 2004 getroffenen schriftlichen Vereinbarung des Klägers mit seinem Sohn, der ebenfalls eine Tischlerfirma betreibt, von diesem als neuem Bauherren ausgeführt werden. In dem als "Mietvereinbarung" bezeichneten Schriftstück ist weiter festgehalten, dass der vom Kläger "begonnene Neubau (Kellergeschoss) kostenlos von der Firma" des Sohnes "genutzt" werde und "die Nutzung des gesamten Objekts (Neubau) bis zum 31.12.2016 kostenfrei" erfolge. Daneben schloss der Kläger mit seinem Sohn einen formularmäßigen Mietvertrag, wonach Erd- und Obergeschoss ab dem 1.7.2004 an Letzteren vermietet werden sollten. Ein Mietzins war nicht vorgesehen, wohl aber ein "Mietzuschlag für Nebenkosten-Strom" i.H.v. 100 €.
Auf die vom Kläger für die Jahre 1999 bis 2003 gestellten Anträge auf Investitionszulage, mit denen u.a. auch Aufwendungen für die Baumaßnahmen (Teilherstellungskosten) geltend gemacht wurden, setzte das Finanzamt die Investitionszulage in der begehrten Höhe zunächst fest. Nach einer im März 2006 erfolgten Ortsbesichtigung erließ es für die Streitjahre 1999 bis 2003 Änderungsbescheide und versagte darin die Zulage für die Kosten des Werkstattneubaus; auf den für das Jahr 2004 gestellten Antrag setzte es die Investitionszulage auf 0 € fest.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BFH das Urteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.
Die Gründe:
Begünstigte Investitionen sind nach § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 InvZulG 1999 u.a. die Herstellung neuer Gebäude, soweit die Gebäude mindestens fünf Jahre nach ihrer Herstellung in einem Betrieb des verarbeitenden Gewerbes verwendet werden und es sich um Erstinvestitionen handelt. Die genannten Investitionen sind begünstigt, wenn sie der Anspruchsberechtigte nach dem 31.12.1998 und vor dem 1.1.2005 abschließt (§ 2 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 InvZulG 1999). Investitionen sind in dem Zeitpunkt abgeschlossen, in dem die Wirtschaftsgüter angeschafft oder hergestellt worden sind (§ 2 Abs. 4 S. 6 InvZulG 1999). Ein Betriebsgebäude ist in diesem Sinne her- bzw. fertiggestellt, wenn die wesentlichen Bauarbeiten abgeschlossen sind und das Gebäude dem Betrieb zur Verfügung steht.
Nach den auch im Investitionszulagenrecht anwendbaren ertragsteuerlichen Grundsätzen kann ein Gebäude in ebenso viele Wirtschaftsgüter aufgeteilt werden wie einzelne Gebäudeteile in verschiedenen Nutzungs- und Funktionszusammenhängen stehen. Besteht ein baulich einheitliches Gebäude nach diesen Grundsätzen aus verschiedenen selbständigen Wirtschaftsgütern, dann ist jedes Wirtschaftsgut im Hinblick auf den Zeitpunkt der Fertigstellung gesondert zu berücksichtigen. Geht es indes um die Herstellung eines einzigen einheitlichen Wirtschaftsguts, etwa weil das geplante und errichtete Gebäude ausschließlich für eigenbetriebliche Zwecke bestimmt ist, dann ist das Gebäude insgesamt noch nicht fertiggestellt, wenn bei einer einheitlichen Baumaßnahme nur eines von mehreren geplanten Geschossen fertiggestellt ist.
Diesen Grundsätzen entspricht die angegriffene Entscheidung nicht. Das FG ist mit fehlerhafter Begründung davon ausgegangen, dass das streitige Werkstattgebäude nicht aus zwei Gebäudeteilen besteht, die im Hinblick auf die fristgerechte Herstellung gesondert zu würdigen sind. Der Senat kann aufgrund der vom FG getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilen, ob die Herstellung des Kellergeschosses förderfähig ist. Zur Beantwortung der Frage, ob ein Gebäude in ebenso viele Wirtschaftsgüter aufzuteilen ist wie einzelne Gebäudeteile in verschiedenen Nutzungs- und Funktionszusammenhängen stehen, kann bei Gebäuden, die sich noch in der Bauphase befinden, naturgemäß nur auf die vorgesehene Nutzung abgestellt werden.
Dasselbe gilt dann, wenn der Investor im Zuge der Bauphase seine ursprüngliche Konzeption, die z.B. darin bestand, das gesamte Gebäude für eigenbetriebliche Zwecke zu verwenden, dahingehend ändert, dass ein Teil des Gebäudes nunmehr einer anderen Nutzung, z.B. einer fremdbetrieblichen, zugeführt werden soll. Es ist im Streitfall in Betracht zu ziehen, dass eine solche Änderung der ursprünglichen Nutzungskonzeption (Verwendung des gesamten Werkstattneubaus für eigenbetriebliche Zwecke des Klägers) im Laufe des Jahres 2004 stattgefunden haben könnte, weil möglicherweise der Sohn des Klägers das geplante Erd- und Obergeschoss des Werkstattgebäudes nunmehr für Zwecke seines eigenen Betriebs nutzen sollte. In einem solchen Fall müssten der eigenbetrieblich genutzte und der zur fremdbetrieblichen Nutzung vorgesehene Gebäudeteil im Hinblick auf die fristgerechte Fertigstellung gesondert gewürdigt werden.
Linkhinweis:
- Der Volltext der Entscheidung ist auf den Webseiten des BFH veröffentlicht.
- Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.