31.01.2017

Zur Ermittlung der Überentnahmen bei sog. Altbetrieben

Bei der Ermittlung der Überentnahmen i.S.d. § 4 Abs. 4a EStG sind auch Entnahmen von Wirtschaftsgütern zu berücksichtigen, die bereits vor der Einführung der Vorschrift in den Betrieb eingelegt wurden. Die Ausnahmeregelung in § 52 Abs. 11 S. 3 EStG ist mit dem Gleichheitssatz vereinbar.

BFH 24.11.2016, IV R 46/13
Der Sachverhalt:
Die Klägerin betreibt als GbR einen landwirtschaftlichen Betrieb. An ihr beteiligt sind der B. und seine Familie (Ehefrau sowie drei Kinder). Den Betrieb hatte der B. bis Ende 2006 noch als Einzelunternehmen geführt. Seit 2007 brachte er ihn gem. § 24 UmwStG zum Buchwert in die Klägerin ein. Der Betrieb wies Ende 2006 ein Eigenkapital von über 5,5 Mio. € auf. Im Dezember 2002, also noch zu Zeiten des bestehenden Einzelunternehmens, hatte der B. landwirtschaftliche Flächen des Betriebes unentgeltlich auf seine Kinder übertragen. Die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten der Grundstücke, die bereits seit 1822 dem landwirtschaftlichen Betrieb zuzuordnen waren, waren in den Bilanzen des Einzelunternehmens mit dem Einlagewert gem. § 55 Abs. 5 EStG i.H.v. 767.794 € (= Buchwert) ausgewiesen. Der Verkehrswert betrug im Zeitpunkt der Übertragung 609.000 €. Dies führte zu einem (Entnahme-)Verlust i.H.v. 158.794 €.

Anlässlich zweier Außenprüfungen bei dem Einzelunternehmen für die Vorjahre (2002/2003 bis 2005/2006, Rumpfwirtschaftsjahr 1.7 bis 31.12.2006) ermittelte das Finanzamt nicht abzugsfähige Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG. Bei der Ermittlung der Überentnahmen für 2002/2003 wertete es die unentgeltlichen Grundstücksübertragungen an die Kinder als Entnahme und berücksichtigte diese mit dem Teilwert. Bei der Ermittlung der nicht abziehbaren Schuldzinsen für das Rumpfwirtschaftsjahr 1.1. bis 30.6.2007 und für die Wirtschaftsjahre 2007/2008 und 2008/2009 nahm die Steuerbehörde an, die im Einzelunternehmen ermittelten Überentnahmen zum 31.12.2006 seien aufgrund der Einbringung des Betriebs von B. fortzuführen und bei diesem im Rahmen der gesellschafterbezogenen Ermittlung der Überentnahmen zu berücksichtigen. Der Hinzurechnungsbetrag wurde dem B. zugerechnet.

Das FG gab der Klage, mit der die Klägerin begehrte, außerbilanzielle Hinzurechnungen nach § 4 Abs. 4a EStG für 2007 und 2008 nur i.H.v. jeweils 4.237 € statt bisher 13.865 € bzw. 13.568 € zu berücksichtigen, in vollem Umfang statt und änderte die Gewinnfeststellungsbescheide entsprechend. Auf die Revision des Finanzamtes hob der BFH das Urteil auf und wies die Klage ab.

Gründe:
Das FG war zu Unrecht davon ausgegangen, dass die im Wirtschaftsjahr 2002/2003 erfolgte unentgeltliche Übertragung der landwirtschaftlichen Grundstücke aus dem Einzelunternehmen des Beigeladenen in das Vermögen seiner Kinder nicht als Entnahme i.S.d. § 4 Abs. 4a S. 2 EStG zu werten sei.

Gem. § 4 Abs. 4a S. 1 EStG sind Schuldzinsen nicht abziehbar, wenn Überentnahmen getätigt wurden. Entnahmen i.S.d. der Vorschrift sind mangels einer besonderen Definition grundsätzlich in Anknüpfung an die Legaldefinition in § 4 Abs. 1 S. 2 EStG zu bestimmen. Danach stellt grundsätzlich jede Überführung oder Übertragung eines Wirtschaftsguts aus dem betrieblichen Bereich des Steuerpflichtigen in dessen privaten Bereich eine Entnahme i.S.d. § 4 Abs. 4a EStG dar. Eine Einschränkung des Entnahmebegriffs dahingehend, dass damit nur die Entnahme der Liquidität gemeint sei, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Dass § 4 Abs. 4a EStG an die Entnahme eines Wirtschaftsguts und nicht nur an die Entnahme der Liquidität anknüpft, folgt schon aus der Anwendungsregelung in § 52 Abs. 11 S. 3 EStG.

Infolgedessen hatte das Finanzamt die unentgeltliche Grundstücksübertragung an die Kinder zutreffend als Entnahme i.S.d. § 4 Abs. 4a EStG behandelt. Denn die Grundstücke waren aus dem Betriebsvermögen des früheren Einzelunternehmens des B. zunächst in dessen Privatvermögen und sodann in das Privat- oder Betriebsvermögen der Kinder überführt worden. Eine Beschränkung der Entnahme i.S.d. § 4 Abs. 4a EStG auf den "Entnahmegewinn" im Wege einer teleologischen Auslegung war angesichts der von der Rechtsprechung bejahten Anknüpfung an die Legaldefinition in § 4 Abs. 1 S. 2 EStG und des insoweit eindeutigen Wortlauts ausgeschlossen.

Ebenso wenig war § 52 Abs. 11 S. 1 bis 3 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung (nunmehr § 52 Abs. 6 S. 5 bis 7 EStG) dahin auszulegen, dass eine Entnahme von Wirtschaftsgütern, die vor dem 1.1.1999 in den bereits vor diesem Zeitpunkt bestehenden Betrieb (sog. Altbetriebe) eingelegt wurden, nicht unter den Anwendungsbereich des § 4 Abs. 4a EStG fällt. Anders als das FG meinte, ist die Regelung in § 52 Abs. 11 S. 3 EStG nicht über ihren eindeutigen Wortlaut hinaus im Wege der rechtsfortbildenden Analogie auch auf den letztgenannten Fall anzuwenden. Es lag keine "planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes" vor. Ebenso konnte ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ausgeschlossen werden. Zumindest ist ein von § 52 Abs. 11 S. 3 EStG ggf. ausgehender Verstoß gegen den Gleichheitssatz gerechtfertigt. Denn dem Gesetzgeber steht bei der Auswahl des Steuergegenstands und bei der Bestimmung des Steuersatzes ein weitreichender Entscheidungsspielraum zu.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BFH veröffentlicht.
  • Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.
BFH online
Zurück