23.02.2012

Zur fehlenden Einkünfteerzielungsabsicht bei Verzugszinsen

Zivilrechtliche Verzugs- oder Prozesszinsen sind Entgelte für die unfreiwillige Vorenthaltung von Kapital und damit Kapitalerträge i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Fordert ein Schuldner den in Erfüllung einer vermeintlichen privaten Schuld geleisteten Geldbetrag erfolgreich zurück, so sind die vom Gläubiger neben der Rückzahlung geleisteten Verzugszinsen nicht der Besteuerung beim Empfänger zu Grunde zu legen, wenn ihnen Zinsen in übersteigender Höhe gegenüberstehen, die durch die Refinanzierung der ursprünglichen Zahlung auf die vermeintliche Schuld veranlasst waren.

BFH 24.5.2011, VIII R 3/09
Der Sachverhalt:
Der Kläger war 1993 aus mehreren Bürgschaften in Anspruch genommen worden. Um die Zahlung leisten zu können, nahm er zwei Darlehen auf, für die er von 1993 bis 1998 insgesamt rund 268.976 € an Zinsen und Gebühren aufwandte. Später verklagte er den Bürgschaftsgläubiger erfolgreich auf Rückzahlung. Das Finanzamt erfasste die Zinseinnahmen letztlich als Einkünfte aus Kapitalvermögen. Die dem Kläger entstandenen Darlehenszinsen ließ es wegen fehlenden Zusammenhangs mit den vereinnahmten Verzugszinsen unberücksichtigt.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BFH das Urteil auf und gab der Klage statt.

Die Gründe:
Der Steuerfestsetzung ist ein um die streitbefangenen Einkünfte aus Kapitalvermögen gemindertes Einkommen zugrunde zu legen.

Die dem Kläger zugesprochenen Zinsen waren nicht als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu erfassen, da ihnen hohe Zinsaufwendungen gegenüberstanden, so dass der Kläger insoweit keinen Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben erzielen konnte. Im Ergebnis hat sich seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht erhöht.

Schuldzinsen sind bei der Einkünfteermittlung als Werbungskosten abzuziehen, soweit sie mit der betreffenden Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Hier bestand ein solcher wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Kapitalerträgen in Gestalt von Verzugszinsen und den vom Kläger geleisteten Schuldzinsen. Bei einer erzwungenen Kapitalüberlassung reicht es zur Begründung des erforderlichen wirtschaftlichen Zusammenhangs zwischen der Kreditaufnahme und späteren Zinseinnahmen aus, wenn das Darlehen zu dem Zweck aufgenommen und verwendet wurde, um die (letztlich nicht gerechtfertigte) Forderung zu erfüllen. In derartigen Fällen erfordert die Abzugsfähigkeit keine besondere subjektive Bestimmung der Schuldzinsen für Zwecke der Erzielung von Verzugszinsen.

Die Rechtfertigung einer solchen Beurteilung ergab sich hier überdies aus Folgendem: Ob derjenige, der einen Zivilprozess wegen eines Anspruchs im Privatvermögen führt, Verzugs- oder Prozesszinsen zugesprochen bekommt und diese ihm auch tatsächlich zufließen, stellt sich naturgemäß erst am Ende des Prozesses heraus. Vorher lässt sich nicht beurteilen, ob insoweit eine Einnahme erzielt und daran anknüpfend der Tatbestand der Einkünfteerzielung objektiv verwirklicht wird. Die Frage, ob ein objektiver Zusammenhang zwischen Zinseinnahmen und einem diesbezüglichen Finanzierungsaufwand des Steuerpflichtigen besteht und ob sich insgesamt ein Einnahmenüberschuss ergibt, kann erst dann beantwortet werden, wenn die Zinseinnahmen zugeflossen sind.

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