06.08.2014

Zur Festsetzung eines Verzögerungsgelds wegen unzureichender Mitwirkung bei einer Außenprüfung

Finanzämter dürfen auch in Fällen, in denen der Steuerpflichtige seiner Mitwirkungspflicht bei einer Außenprüfung schuldhaft nicht nachgekommen ist, ein Verzögerungsgeld nicht ohne nähere Begründung festsetzen. Um eine dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz geschuldete Waffengleichheit zwischen der Finanzverwaltung und Steuerpflichtigen zu gewährleisten, hat der BFH hohe Anforderungen an die von der Finanzverwaltung zu treffende Ermessensentscheidung gestellt.

BFH 24.4.2014, IV R 25/11
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist seit Dezember 2008 Rechtsnachfolgerin der A-OHG, die ihrerseits im November 2008 durch Rechtsformwechsel der A-Bauträger GbR entstanden war. Mit Bescheid aus Oktober 2008 ordnete das Finanzamt bei der GbR eine Außenprüfung hinsichtlich der Umsatzsteuer, der Feststellung der Einkünfte und der Gewerbesteuer für die Jahre 2002 bis 2004 an. Die Prüfung sollte im Dezember 2008 beginnen. Das gegen die Prüfungsanordnung angestrengte Klageverfahren erledigte sich, nachdem das Finanzamt eingeräumt hatte, dass die Einspruchsentscheidung dem falschen Inhaltsadressaten und damit nicht wirksam bekanntgegeben worden sei.

Mit Schreiben vom 9.12.2009 teilte das Finanzamt der Klägerin mit, dass mit der Außenprüfung am 11.1.2010 begonnen werde. Eine mit Schreiben vom 22.12.2009 beantragte Verschiebung des Prüfungsbeginns wegen Erziehungsurlaubs der zuständigen Bearbeiterin und unvorhergesehenen Ausfalls weiterer Mitarbeiter lehnte das Finanzamt. Daraufhin legte die Klägerin "gegen die geänderte Prüfungsanordnung vom 9.12.2009" Einspruch ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung, da ein anderes Finanzamt für die noch nicht begonnene Prüfung zuständig sei. Das Finanzamt lehnte den AdV-Antrag ab, da keine geänderte Prüfungsanordnung und damit auch kein wirksamer Einspruch vorlägen. Die Klägerin stellte insoweit keinen gerichtlichen AdV-Antrag. Sie legte allerdings auch nicht die angeforderten Unterlagen vor.

Mit Bescheid vom 3.3.2010 setzte das Finanzamt gegenüber der Klägerin ein Verzögerungsgeld i.H.v. 4.800 € fest. Den gegen die Festsetzung des Verzögerungsgelds gerichteten Einspruch wies es als unbegründet zurück. Da die Klägerin die angeforderten Unterlagen nicht vorgelegt habe, seien die Voraussetzungen des § 146 Abs. 2b AO erfüllt. Bei der Ausübung des Auswahlermessens zur Höhe des Verzögerungsgelds habe sich die Behörde an der Dauer der Verzögerung orientiert. Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt und hob den Bescheid über die Festsetzung des Verzögerungsgeldes wegen einer fehlerhaften Ausübung des Ermessens auf. Die Revision des Finanzamtes blieb vor dem BFH ohne Erfolg.

Die Gründe:
Das FG war zutreffend davon ausgegangen, dass zwar die formellen Voraussetzungen erfüllt waren und auch die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 146 Abs. 2b AO vorlagen, aber das Finanzamt sein Ermessen nicht fehlerfrei ausgeübt hatte.

Mit dem Verzögerungsgeld hat der Gesetzgeber der Finanzverwaltung ein scharfes Instrument an die Hand gegeben, um den Steuerpflichtigen zu einer zeitnahen Erfüllung der Mitwirkungspflichten anzuhalten, aber auch, um etwaiges Verzögerungsverhalten zu sanktionieren. So kann das Finanzamt gegen den Steuerpflichtigen ein Verzögerungsgeld von 2.500 € bis 250.000 € festsetzen, wenn dieser seinen Mitwirkungspflichten (u.a. Erteilung von Auskünften oder Vorlage von Unterlagen) im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer angemessenen Frist nicht nachkommt (§ 146 Abs. 2b AO).

Um eine dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz geschuldete Waffengleichheit zwischen der Finanzverwaltung und Steuerpflichtigen zu gewährleisten, hat der BFH allerdings hohe Anforderungen an die von der Finanzverwaltung zu treffende Ermessensentscheidung gestellt. So sind die Ermessenserwägungen vom jeweiligen Finanzamt ausführlich darzulegen, um eine gerichtliche Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Festsetzung zu ermöglichen. Deshalb müssen die Finanzbehörden sämtliche Besonderheiten des Streitfalles in ihre Ermessensentscheidungen einbeziehen und abwägen.

Die Finanzämter müssen etwa - wie im vorliegenden Fall - berücksichtigen, dass sich der Steuerpflichtige gegen die Vorlage der Unterlagen mit einem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gewandt hat und dieser im Zeitpunkt des Ablaufs der Frist noch nicht beschieden war. Das Ermessen wird zudem fehlerhaft ausgeübt und führt zur Aufhebung des Verzögerungsgeldbescheides, wenn das Finanzamt früheres (Fehl-)Verhalten des Steuerpflichtigen, das vor der Aufforderung zur Mitwirkung lag, in seine Ermessenserwägungen mit einbezieht.

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BFH PM Nr. 56 vom 6.8.2014
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