04.11.2011

Zur Grunderwerbsteuerbefreiung bei Verkauf eines Kirchengrundstücks an eine andere Religionsgemeinschaft

Der Verkauf eines Kirchengrundstücks durch eine Religionsgemeinschaft an eine andere konfessionsverschiedene Religionsgemeinschaft ist nicht wegen der fortgesetzten Grundstücksnutzung für sakrale Zwecke nach § 4 Nr. 1 GrEStG steuerbefreit. Ein Übergang von Aufgaben i.S.d. Vorschrift liegt nur vor, wenn die übernehmende juristische Person des öffentlichen Rechts eben die Funktionen wahrnimmt, welche bisher die übergebende juristische Person wahrgenommen hat.

BFH 1.9.2011, II R 16/10
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine Religionsgemeinschaft orthodoxer Konfession. Sie hat den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Im März 2005 kaufte sie von einer als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannten evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde (Beigeladene) "für Zwecke des Gottesdienstes und der Seelsorge" ein mit einer Kirche und einem Pastorat bebautes Grundstück.

Dieses befindet sich in einem Ortsteil, in dem ursprünglich mehrere evangelisch-lutherische Kirchengemeinden ansässig waren, die jeweils über eigene Kirchen verfügten. Vor dem Verkauf des Grundstücks wurden diese Kirchengemeinden zu einer Kirchengemeinde, der Beigeladenen, zusammengelegt. Das Finanzamt beurteilte den Erwerb des Grundstücks nicht als steuerfrei nach § 4 Nr. 1 GrEStG in der ab 1.1.1999 gültigen Fassung und setzte die Grunderwerbsteuer auf 46.983 € fest.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Auf die Revision des Finanzamts hob der BFH das Urteil auf und wies die Klage ab.

Die Gründe:
Das FG hat zu Unrecht angenommen, dass der Erwerb des Grundstücks durch die Klägerin nach § 4 Nr. 1 GrEStG steuerfrei sei. Entgegen der Ansicht des FG sind im Zusammenhang mit dem Grundstückserwerb keine öffentlich-rechtlichen Aufgaben der Beigeladenen auf die Klägerin übergegangen.

Nach seinem aus dem Wortlaut ersichtlichen Sinn und Zweck soll § 4 Nr. 1 GrEStG den Wechsel des Trägers einer öffentlich-rechtlichen Aufgabe von Grunderwerbsteuer freihalten, sofern mit diesem Trägerwechsel auch ein (rechtsgeschäftlicher oder gesetzlicher) Übergang des Eigentums an Grundstücken verbunden ist. Ein Übergang von Aufgaben liegt nur vor, wenn die übernehmende juristische Person des öffentlichen Rechts eben die Funktionen wahrnimmt, welche bisher die übergebende juristische Person wahrgenommen hat. Kein Übergang öffentlich-rechtlicher Aufgaben liegt daher vor, wenn juristische Personen des öffentlichen Rechts ihre Tätigkeiten aufeinander abstimmen, aber nach wie vor dieselben Aufgaben haben.

Diese Voraussetzungen des § 4 Nr. 1 GrEStG sind im Streitfall nicht erfüllt. Die Klägerin hat das Grundstück nicht "aus Anlass des Übergangs von öffentlich-rechtlichen Aufgaben" der Beigeladenen auf die Klägerin erworben. Die Beigeladene und die Klägerin nehmen als (konfessionsverschiedene) Religionsgemeinschaften je ihre eigenen Angelegenheiten wahr. Dazu gehören auch und gerade die ihren jeweiligen konfessionellen Grundsätzen entsprechende Abhaltung von Gottesdiensten sowie die Seelsorge.

Demgemäß ergibt sich im Streitfall allein dadurch, dass das Kirchengrundstück nunmehr anstelle der Beigeladenen von der Klägerin für Zwecke des Gottesdienstes und der Seelsorge genutzt wird, kein Übergang von öffentlich-rechtlichen Aufgaben. Die Aufgabe der Beigeladenen zur (konfessionsgebundenen) Abhaltung von Gottesdiensten und zur seelsorgerischen Betätigung ist in vollem Umfang bei ihr verblieben und ist weder ganz noch teilweise auf die Klägerin übergegangen. Allein der hier mit dem Grundstücksgeschäft verfolgte Zweck, den sakralen Charakter des Kirchengebäudes durch eine weitere - wenn auch nunmehr konfessionsverschiedene - Nutzung für religiöse Zwecke zu bewahren, begründet keinen Übergang einer öffentlich-rechtlichen Aufgabe.

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