Zur Haftungsinanspruchnahme des Alleingesellschafters nach Zustimmung des Finanzamts zum Insolvenzplan für die AG
BFH 15.5.2013, VII R 2/12Der Kläger war alleiniger Anteilseigner und Vorstand einer AG. Wegen Umsatzsteuer und Säumniszuschlägen, die die AG dem Finanzamt schuldete, nahm das Finanzamt den Kläger mit Bescheid vom 28.2.2007 in Haftung. In dem über das Vermögen der AG eröffneten Insolvenzverfahren stimmte das Finanzamt am 14.6.2007 dem inzwischen rechtskräftigen Insolvenzplan zu. Danach sollten die Gläubiger mit einer Quote von 0,5 Prozent ihrer Forderungen befriedigt werden.
Das FG wies die Klage gegen den Haftungsbescheid - bis auf geringfügige Reduzierungen der Haftungssumme - ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BFH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Es ist nicht zweifelhaft, dass der Kläger die Haftungsvoraussetzungen der §§ 69, 34 AO dem Grunde und der Höhe nach erfüllt. Entgegen der Auffassung des Klägers steht seiner Inanspruchnahme als Haftungsschuldner auch nicht entgegen, dass das Finanzamt dem Insolvenzplan für die AG zugestimmt hat.
Die mit dem Insolvenzplan bewirkte (teilweise) Befreiung der Schuldnerin von ihrer Steuerschuld führt nicht zu einem Erlöschen der Steuerforderung i.S.d. § 47 AO. Sie berührt nicht den Bestand der Forderungen als solchen, sondern nur deren Durchsetzbarkeit. Sie ist kein "Erlass" und steht deshalb der Inanspruchnahme eines Haftungsschuldners nicht nach § 191 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 AO entgegen. Diese Vorschrift will verhindern, dass ein dem Steuerschuldner gewährter Erlass dadurch wirtschaftlich zunichte gemacht wird, dass der an seiner Stelle in Anspruch genommene Haftungsschuldner bei jenem Regress nimmt. Diese Gefahr besteht im Allgemeinen nicht, wenn über das Vermögen des Steuerschuldners ein Insolvenzverfahren anhängig ist.
Auch die vom Kläger angeführten "Besonderheiten des Sachverhalts" gebieten es nicht, ihn von der Haftung für die Steuer- und Abgabenschulden der AG freizustellen. Aus dem Gebot der Einheit der Rechtsordnung kann der Kläger nicht ableiten, dass das Finanzamt von seiner Haftungsinanspruchnahme absehen müsse, wenn es mit der Zustimmung zum Insolvenzplan dem mit dieser insolvenzrechtlichen Gestaltungsmöglichkeit verfolgten Ziel der Unternehmenssanierung Rechnung trägt. Einen eine Auflösung gebietenden Wertungswiderspruch zwischen dem die InsO prägenden Schuldnerschutz und den Haftungsvorschriften der AO gibt es nicht. Denn die InsO beschränkt die Rechtswirkungen des Insolvenzplans ausdrücklich auf die Planbeteiligten und lässt die anderweitig geregelte Inanspruchnahme der Mitschuldner ausdrücklich unberührt (§ 254 Abs. 2 S. 1 InsO).
Vorliegend waren dem Finanzamt die faktischen Auswirkungen der Inanspruchnahme des Klägers auf die Sanierung der AG sehr wohl bewusst. Es bestehen auch keine Zweifel, dass die Entscheidung, gleichwohl an der Haftungsinanspruchnahme festzuhalten, nicht als venire contra factum proprium zu beanstanden ist, sondern auf sachgerechten und plausiblen Erwägungen beruht. Das Finanzamt argumentiert zutreffend, dass es allein in der Gestaltungsfreiheit des Klägers gelegen habe, sein Unternehmen als AG und damit als eigenständige Rechtsperson - auch hinsichtlich der Rechtswirkungen eines Insolvenzplans - zu führen. Der Kläger kann jedenfalls nicht einerseits den Vorteil der sich aus der Rechtsform der AG ergebenden Haftungsbeschränkung in Anspruch nehmen, gleichwohl andererseits insolvenzrechtlich wie der persönlich haftende Gesellschafter einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit (§ 227 Abs. 2 InsO) von der Schuldbefreiung seiner Gesellschaft durch den Insolvenzplan profitieren wollen.
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