08.07.2024

Zur Korrektur bestandskräftiger Steuerbescheide nach Außenprüfung

Darf das Finanzamt bestandskräftige Einkommensteuerbescheide nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nach einer Außenprüfung ändern und wenn ja, unter welchen Umständen? Der BFH hat entschieden, dass die Art und Weise, in der ein Steuerpflichtiger, der seinen Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung ermittelt, seine Aufzeichnungen geführt hat, eine Tatsache ist, die - wird sie dem Finanzamt nachträglich bekannt - zur Korrektur eines bestandskräftigen Einkommensteuerbescheids führen kann.

BFH v. 6.5.2024 - III R 14/22
Der Sachverhalt:
Der Kläger war als Einzelhändler tätig und ermittelte seinen Gewinn im Wege der Einnahmenüberschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG). Das Finanzamt veranlagte ihn zunächst erklärungsgemäß und ohne Vorbehalt der Nachprüfung. Eine spätere Außenprüfung beanstandete die Aufzeichnungen des Klägers als formell mangelhaft und führte zu einer Hinzuschätzung. Das Finanzamt änderte daraufhin die bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide der Streitjahre. Dies sei auch verfahrensrechtlich zulässig, da im Rahmen der Außenprüfung nachträglich steuererhöhende Tatsachen bekannt geworden seien (§ 173 Abs. 1 Nr. 1 AO).

Dem folgte der BFH im Grundsatz und wies die Sache an das FG zurück.

Die Gründe:
§ 173 Abs. 1 Nr. 1 AO lässt eine Änderung bestandskräftiger Steuerbescheide nicht nur dann zu, wenn sicher feststeht, dass der Steuerpflichtige Betriebseinnahmen nicht aufgezeichnet hat. Auch die Art und Weise, in der der Steuerpflichtige seine Aufzeichnungen geführt hat, ist eine Tatsache im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO. Dies gilt für Aufzeichnungen über den Wareneingang (§ 143 AO) ebenso wie für sonstige Aufzeichnungen oder die übrige Belegsammlung eines Steuerpflichtigen, der seinen Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung ermittelt, auch wenn § 4 Abs. 3 EStG keine Verpflichtung zur förmlichen Aufzeichnung der Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben vorsieht.

Darüber, ob im Streitfall eine Änderung der bestandskräftigen Steuerbescheide gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zulässig war, konnte allerdings - mangels hinreichender Feststellungen des Finanzgerichts zur Rechtserheblichkeit - nicht abschließend entschieden werden. Die Tatsache, ob und wie der Steuerpflichtige seine Bareinnahmen aufgezeichnet hat, ist rechtserheblich, wenn das Finanzamt bei deren vollständiger Kenntnis bereits im Zeitpunkt der Veranlagung zur Schätzung befugt gewesen wäre und deswegen eine höhere Steuer festgesetzt hätte. Da eine Schätzungsbefugnis des Finanzamts in bestimmten Fällen auch bei (lediglich) formellen Mängeln der Aufzeichnungen über Bareinnahmen besteht, muss das Finanzgericht im zweiten Rechtsgang prüfen, ob die Unterlagen des Klägers Mängel aufwiesen, die zur Hinzuschätzung von Betriebseinnahmen führen.

Mehr zum Thema:

Die Entscheidung des BFH im Volltext

Aktionsmodul Steuerrecht inkl. Otto Schmidt Answers:
Otto Schmidt Answers ist die innovative KI-Lösung für die Steuerberater-Praxis in Kooperation mit Taxy.io

In Otto Schmidt Answers trifft Fachwissen auf Künstliche Intelligenz. Die neue KI verbindet die fundierte Qualität der Literatur des Aktionsmoduls Steuerrecht in Otto Schmidt online mit der Power fortschrittlicher Sprachmodelle. 4 Wochen gratis nutzen!
 
BFH vom 4.7.2024
Zurück