03.02.2012

Zur Maßgeblichkeit der Klassifikation der Wirtschaftszweige für den Begriff des verarbeitenden Gewerbes

Der Senat hält daran fest, dass sich der Begriff des verarbeitenden Gewerbes auch vor Inkrafttreten des § 3 Abs. 1 S. 2 InvZulG 2010 nach der für das jeweilige Kalenderjahr geltenden Klassifikation der Wirtschaftszweige richtet. Die Finanzgerichte haben die für die Zuordnung eines Betriebes zu einem Wirtschaftszweig erheblichen Tatsachen selbst festzustellen und zu würdigen; eine fehlerhafte Einordnung durch die Statistikämter dürfen sie nicht übernehmen.

BFH 22.9.2011, III R 64/08
Der Sachverhalt:
Die Klägerin betreibt einen Kalksandsteinbruch und veräußert überwiegend Baustoffe für die Untergrundherstellung im Straßenbau. Im Steinbruch der Klägerin wird zunächst durch eine Fremdfirma der Stein vom Berg abgesprengt. Danach werden in einer Vielzahl von Sortier-, Sieb- sowie Mahl- und Bruchschritten genau definierte Steinprodukte hergestellt und entsprechend den Vorgaben nach DIN und den Anforderungen der Kunden nach bestimmten Verhältnissen sortiert und gemischt. Einem Teil der Endprodukte werden Zuschlagstoffe, wie z.B. Wasser, Sand und Zement, zugegeben.

Der Betrieb der Klägerin wurde durch das Landesamt für Statistik als Betrieb des Bergbaus und der Gewinnung von Steinen und Erden nach Abschnitt C (Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden), Unterabschnitt CB (Erzbergbau, Gewinnung von Steinen und Erden, sonstiger Bergbau), zunächst der Meldenummer 14.21 (Gewinnung von Kies und Sand) und seit dem Jahr 2003 der Meldenummer 14.11 (Gewinnung von Naturwerksteinen und Natursteinen, anderweitig nicht genannt) der Klassifikation der Wirtschaftszweige 2003 (WZ 2003) zugeordnet. Dieser Einstufung des Unternehmens der Klägerin und ähnlich arbeitender Betriebe lagen vierteljährliche Produktionserhebungen zugrunde.

Für genau bezeichnete, im Kalenderjahr 2004 getätigte Investitionen beantragte die Klägerin im Februar 2005 eine Zulage i.H.v. rd. 42.000 €, d.h. 25 Prozent der Bemessungsgrundlage von rd. 168.000 €. Das Finanzamt setzte die Investitionszulage stattdessen i.H.v. 0 € fest. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Klage. Sie macht geltend, die Einstufung durch das Landesamt sei offensichtlich unrichtig gewesen und allein aus statistischen Gründen erfolgt.

Das FG wies die Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BFH das Urteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.

Die Gründe:
Nach § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 InvZulG 1999 sind u.a. bewegliche Wirtschaftsgüter investitionszulagenbegünstigt, die zu einem Betrieb des verarbeitenden Gewerbes gehören. Der Begriff des verarbeitenden Gewerbes bestimmt sich nach der Klassifikation der Wirtschaftszweige. Der Gesetzgeber hat die Maßgeblichkeit der vom Statistischen Bundesamt herausgegebenen Klassifikation der Wirtschaftszweige zwar erstmals durch § 3 Abs. 1 S. 2 InvZulG 2010 ausdrücklich angeordnet. Der Senat hält jedoch an seiner ständigen Rechtsprechung fest, wonach sich der Begriff des verarbeitenden Gewerbes im Investitionszulagenrecht auch für frühere Gesetzesfassungen nach der für das jeweilige Kalenderjahr geltenden Klassifikation richtet, im Streitfall also nach der WZ 2003.

In einem Rechtsstreit über die Frage, ob ein Betrieb zum verarbeitenden Gewerbe - hier nach Abschnitt D der WZ 2003 - gehört, hat das FG die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen festzustellen und zu würdigen. Bei der Einordnung wirtschaftlicher Tätigkeiten kann es dabei auf das Expertenwissen der Statistikämter zurückgreifen. Die Entscheidungsbefugnis liegt aber in jedem Fall beim Gericht, das eine fehlerhafte statistische Einordnung nicht übernehmen darf, da eine Beschränkung der gerichtlichen Kontrolle auf offensichtliche Fehler der Statistikämter den individuellen Rechtsschutz in einer mit Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG unvereinbaren Weise schmälern würde.

Aufgrund der Feststellungen des FG kann der Senat nicht beurteilen, ob der Betrieb der Klägerin dem verarbeitenden Gewerbe zuzurechnen ist. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Begriff des verarbeitenden Gewerbes i.S.d. § 2 InvZulG 1999 für das Streitjahr nach der WZ 2003 auszulegen ist und es auf etwaige abweichende frühere Zuordnungen nicht ankommt. Seine Entscheidung lässt aber nicht hinreichend deutlich erkennen, ob es die Zuordnung des Betriebes der Klägerin zum verarbeitenden Gewerbe bzw. zum Bergbau (Gewinnung von Steinen) selbst geprüft oder die Einordnung durch das Landesamt in Anlehnung an die frühere Rechtsprechung des Senats lediglich für plausibel erachtet und sie daher mangels offensichtlicher Fehlerhaftigkeit nicht beanstandet hat.

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