Zur Nichtigkeit eines Einkommensteuerbescheids gegenüber einem Erben "als Rechtsnachfolger" ohne Benennung der weiteren Miterben
FG Münster 19.4.2013, 14 K 3020/10 EDer Kläger ist Steuerberater. In dieser Eigenschaft hatte ihm sein Onkel H., den er auch schon früher steuerlich vertreten hatte, im Jahr 2004 schriftlich Vollmacht "zur Vertretung vor allen Finanzbehörden" erteilt. Im Jahr 2006 verstarb der Onkel, der ausweislich des Erbscheins u.a. von Frau F. und dem Kläger beerbt wurde. Im März 2007 erließ das Finanzamt für das Streitjahr 2005 einen Einkommensteuerbescheid, in dem es - auf der Grundlage einer Schätzung der von dem Verstorbenen erzielten Einkünfte - Einkommensteuer i.H.v. 96.469 € festsetzte. Den Bescheid gab das Finanzamt dem RA C. als Nachlasspfleger für H. bekannt. Gegen diesen Bescheid legte dieser, der nach Angaben von Frau F. ursprünglich zum Betreuer des H. und nach dessen Tod als Nachlasspfleger bestellt worden war, Einspruch ein. Die Nachlasspflegschaft war bis dahin offiziell nicht aufgehoben, allerdings stand fest, wer den H. beerbt hatte und es wurde ein Erbschein erteilt.
Im Oktober 2008 wurde für das Streitjahr eine Steuererklärung eingereicht, in der die von dem verstorbenen H. in dem Streitjahr erzielten Einkünfte erklärt wurden. Die Erklärung war mit einer Unterschrift versehen, die augenscheinlich von Frau F. stammte. Die eingereichte Erklärung enthielt darüber hinaus auch die ausdrückliche Anweisung, den zu erlassenen Steuerbescheid der Sozietät K. zuzusenden. Nachdem der Kläger von der Einreichung der Steuererklärungen erfahren hatte, wandte er sich unter Hinweis darauf, dass ohne sein Wissen und ohne seine Unterschrift Steuererklärungen eingereicht worden seien, die seines Erachtens mangels Unterschrift nichtig und auch nicht vollständig seien, an das Finanzamt und forderte dieses auf, "die gesamten Vorgänge zwecks Vervollständigung an den steuerlichen Berater zurückzusenden".
Das Finanzamt setzte die Einkommensteuer auf 64.011 € fest und gab den Bescheid sowohl an die Sozietät K. als auch an den Kläger bekannt, allerdings in unterschiedlichen Versionen. In keiner Version wurden die einzelnen Mitglieder der Erbengemeinschaft namentlich bezeichnet. Auch enthielt keine Version einen Hinweis auf die Gesamtschuldnerschaft der Miterben sowie darauf, dass ein Bescheid gleichen Inhalts auch noch anderen Personen bzw. einer anderen Person zugesandt wurde. Der Kläger hielt den Bescheid wegen inhaltlicher, auf einem Adressierungsmangel beruhender Unbestimmtheit für nichtig. Außerdem beantragte er, gegenüber den Mitgliedern der Erbengemeinschaft, der u.a. auch der Kläger angehört, die Einkommensteuer auf der Grundlage einer von ihm eingereichten Einkommensteuererklärung festzusetzen, was das Finanzamt ablehnte.
Das FG gab der Klage statt, soweit der Kläger mit seinem Hauptantrag eine Aufhebung des an ihn "als Rechtsnachfolger" bekannt gegebenen Einkommensteuerbescheides begehrte. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Es ist beim BFH unter dem Az.: VIII R 59/13 anhängig (zuvor NZB VIII B 68/13).
Die Gründe:
Der Bescheid war gem. § 125 Abs. 1 AO nichtig und damit gem. § 124 Abs. 3 AO unwirksam.
Unerheblich war, ob sich eine Nichtigkeit bereits daraus ergab, dass das Finanzamt für das Streitjahr zwei Bescheide erlassen hatte. Gem. § 125 Abs. 1 AO ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wenn der Verwaltungsakt inhaltlich nicht so bestimmt ist, dass ihm hinreichend sicher entnommen werden kann, was von wem verlangt wird. Für Steuerbescheide ist darüber hinaus in § 157 Abs. 1 S. 2 AO ausdrücklich klargestellt, dass sie angeben müssen, wer die Steuer schuldet. Somit ist ein Einkommensteuerbescheid, der sich an Erben richten soll, diesen gegenüber nur wirksam, wenn diese namentlich als Inhaltsadressaten aufgeführt sind oder sich durch Auslegung des Bescheides ergibt, welche Personen als Erben angesprochen werden sollen.
Falls eine Auslegung erforderlich ist, so war dabei - jedenfalls nach der früheren BFH-Rechtsprechung allein auf den Inhalt des Bescheides selbst oder den Inhalt von dem Bescheid beigefügter Anlagen abzustellen. Im vorliegenden Fall kam eine Auslegung aber gar nicht in Betracht. Denn die Bezeichnung des Klägers "als Rechtsnachfolger für H." war eindeutig falsch, da der Kläger weder Einzel- noch (alleiniger) Gesamtrechtsnachfolger des Verstorbenen war. Er war bzw. ist vielmehr lediglich einer von insgesamt fünf Erben, die gemeinsam Gesamtrechtsnachfolger des Herrn H. geworden waren. Somit hätte der Bescheid - unabhängig von der Person des jeweiligen Bekanntgabeempfängers - an diese gerichtet werden müssen.
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