02.03.2012

Zur Passivierung "angeschaffter" Rückstellungen bei steuerlichem Ausweisverbot

Betriebliche Verbindlichkeiten, die beim Veräußerer aufgrund steuerlicher Rückstellungsverbote (hier: für Jubiläumszuwendungen und für Beiträge an den Pensionssicherungsverein) in der Steuerbilanz nicht bilanziert wurden, sind bei demjenigen Erwerber, der die Verbindlichkeit im Zuge eines Betriebserwerbs übernommen hat, keinem Passivierungsverbot unterworfen. Sie sind vielmehr als ungewisse Verbindlichkeit auszuweisen und von ihm auch an den nachfolgenden Bilanzstichtagen nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG 1990 mit ihren Anschaffungskosten oder ihrem höheren Teilwert zu bewerten.

BFH 14.12.2011, I R 72/10
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine GmbH und seit 2008 Rechtsnachfolgerin einer GmbH & Co. KG, die wiederum Rechtsnachfolgerin der D-GmbH ist. Diese hatte im Juli des Streitjahres 1994 den Betrieb einer Tochtergesellschaft als sog. "asset deal" übernommen. Mit Ausnahme der Patente, Lizenzen und Handelsmarken sowie des Firmenwerts wurden die Vermögensgegenstände und Schulden in der Eröffnungsbilanz der D-GmbH auf den 1.7.1994 mit den Buchwerten gemäß der Bilanz der Tochtergesellschaft angesetzt. Der Firmenwert wurde nach Abzug der übernommenen Buchwerte und der bewerteten Vermögensgegenstände ermittelt und auf 15 Jahre abgeschrieben.

Im Rahmen dieses Vorgangs wurden auch Jubiläumsrückstellungen und Rückstellungen für Verpflichtungen gegenüber dem Pensionssicherungsverein von der D-GmbH übernommen und bei der Bemessung des Kaufpreises berücksichtigt. Später stritt die Klägerin mit dem Finanzamt darüber, ob diese übernommenen Passiva unbeschadet steuerlicher Ausweisverbote in der Steuerbilanz zum 31.12.1994 anzusetzen sind. Die Klägerin bejahte dies.  Das Finanzamt vertrat hingegen Auffassung, die übernommenen Passiva seien in der steuerlichen Eröffnungsbilanz mit ihren gemeinen Werten anzusetzen und in der ersten Schlussbilanz zum 31.12.1994 nach steuerlichen Grundsätzen auszuweisen.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision des Finanzamtes blieb vor dem BFH erfolglos.

Die Gründe:
Gem. § 8 Abs. 1 KStG 1991 i.V.m. § 5 Abs. 1 S. 1 EStG 1990 hatte die D-GmbH in ihren Bilanzen das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) auszuweisen war.

Zu den wesentlichen GoB zählt das Gebot, Gewinne nur zu berücksichtigen, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert sind. Daraus folgt, dass Anschaffungsvorgänge erfolgsneutral zu behandeln sind. Der Grundsatz der erfolgsneutralen Behandlung von Anschaffungsvorgängen findet auch auf übernommene Passivpositionen und hierbei unabhängig davon Anwendung, ob der Ausweis dieser Passivpositionen in der Steuerbilanz einem - von der Handelsbilanz abweichenden - Ausweisverbot ausgesetzt ist. Denn auch die Übernahme steuerrechtlich zu Recht nicht bilanzierter Verbindlichkeiten ist Teil des vom Erwerber zu entrichtenden Entgelts und erhöht mithin dessen Anschaffungskosten.

Für beide Aufwandspositionen ordnet das Gesetz von den handelsbilanziellen Ansätzen abweichende, spezifisch steuerbilanzielle Ansatzverbote an. Für den Fall, dass die in Rede stehende Zuwendungsverpflichtung entgeltlich erworben wird, greifen die Verbote indes nicht. Denn dann ist die Verpflichtung realisiert. Sie ist deswegen vom Erwerber sowohl in der Handels- als auch in der Steuerbilanz passivisch auszuweisen. Abzustellen ist dabei auf die jeweilige im Zuge des Betriebserwerbs übernommene Schuldposition. Für einen davon abweichenden, "technisch" vereinfachten Ausweis, wie ihn die Klägerin befürwortete - zunächst Berücksichtigung der steuerrechtlichen Ansatzrestriktionen bereits in der handelsrechtlichen Eröffnungsbilanz, sodann jedoch "Neutralisierung" der dadurch bedingten Ausweisdifferenz über eine Abstockung des Firmenwerts - geben die GoB nichts her.

Dem hiergegen gerichteten BMF-Schreiben vom 24.6.2011, indem die Ansicht vertreten wird, der Anschaffungsvorgang sei in der handels- wie steuerrechtlichen Eröffnungsbilanz abschließend abgebildet, fortan - und damit auch in der ersten Schlussbilanz - greife indes wiederum das steuerliche Ausweisverbot, war (abermals) nicht beizupflichten.

Linkhinweis:

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