07.02.2013

Zur Richtigkeit einer Rechtsbehelfsbelehrung ohne Hinweis auf die Möglichkeit elektronischer Kommunikation

Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass eine Rechtsbehelfsbelehrung, die die Angaben des § 356 Abs. 1 AO enthält, nicht "unrichtig" i.S.d. § 356 Abs. 2 S. 1 AO ist, wenn sie ergänzend den Wortlaut des § 357 Abs. 1 S. 1 AO (Schriftform) wiedergibt und nicht zugleich auf § 87a AO (elektronische Kommunikation) verweist. Eine Belehrung entsprechend dem Gesetzeswortlaut des § 357 Abs. 1 S. 1 AO ist nicht geeignet, beim Empfänger die Fehlvorstellung hervorzurufen, die Einlegung eines Einspruchs in elektronischer Form werde den geltenden Formvorschriften nicht gerecht.

BFH 12.12.2012, I B 127/12
Der Sachverhalt:
Streitig ist, ob eine Anordnung eines Steuerabzuges gem. § 50a Abs. 7 EStG 2009 mit Blick auf ein zwischenzeitlich über das Vermögen des Vergütungsgläubigers eröffnetes Insolvenzverfahren von der Vollziehung auszusetzen ist; ein Einspruch gegen die Anordnung wurde nach Ablauf der Monatsfrist eingelegt. Die antragstellende GmbH erwarb von einer niederländischen Kapitalgesellschaft eine Immobilie. Eine "1. Rate" des Kaufpreises zahlte die Antragstellerin auf ein Notaranderkonto ein. Das Finanzamt ordnete unter dem 10.10.2011 (Bekanntgabe am 12.10.2011) gegenüber der Antragstellerin gem. § 50a Abs. 7 (i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f) EStG 2009 den Abzug von Körperschaftsteuer i.H.v. 7 Prozent der Vergütungen aus dem Grundstückskaufvertrag an.

Der Bescheid trägt keinen Hinweis auf eine E-Mail-Adresse des Finanzamts, die sich allerdings aus der allgemeinen Homepage www.finanzamt.nrw.de ergibt; die beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung lautet: "Gegen die Anordnung des Steuerabzuges ist der Einspruch gegeben. Der Einspruch ist bei dem auf Seite 1 bezeichneten Finanzamt schriftlich einzureichen oder zur Niederschrift zu erklären. Auch der Steuerschuldner kann Einspruch einlegen."

Das Finanzamt bat die Antragstellerin um Mitteilung, wann der Kaufpreis gezahlt und warum ggf. kein Steuerabzug durchgeführt worden sei. Die Antragstellerin zahlte den "Restkaufpreis" am 20.1.2012; später wurde sie als Eigentümerin des Objektes in das Grundbuch eingetragen. Die Antragstellerin informierte das Finanzamt über die Zahlung des Kaufpreises. Sie verwies zudem auf eine notarielle Bestätigung über den Bestand eines Notaranderkontos. Später beantragte sie, die Anordnung des Steuerabzuges gem. § 131 Abs. 1 AO zu widerrufen. Denn über das Vermögen der Grundstücksverkäuferin sei in den Niederlanden am 16.2.2012 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Das Finanzamt lehnte den Widerruf ab.

Schließlich legte die Antragstellerin im April 2012 Einspruch gegen die Anordnung des Steuerabzuges vom 10.10.2011 ein. Sie vertrat die Auffassung, dass der Einspruch rechtzeitig erhoben worden sei. Die Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides sei unrichtig; ein Hinweis auf die Möglichkeit der Einspruchseinlegung per E-Mail fehle (Hinweis auf § 356 Abs. 2 AO). Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) der streitigen Anordnung lehnte das Finanzamt ab, da der Einspruch verfristet sei.

Das FG lehnte den AdV-Antrag ebenfalls ab. Die Beschwerde der Antragstellerin hatte vor dem BFH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das FG hat die beantragte AdV zu Recht abgelehnt. Es fehlt angesichts der unstreitig verspätet erfolgten Einlegung des Rechtsbehelfs und der daran anschließenden formellen Bestandskraft der streitgegenständlichen Anordnung an den für die AdV-Gewährung erforderlichen ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungsakts.

Nach § 356 Abs. 1 AO beginnt die Frist für die Einlegung des Einspruchs bei einem schriftlich oder elektronisch ergangenen Verwaltungsakt nur dann, wenn der Beteiligte über den Einspruch und die Finanzbehörde, bei der er einzulegen ist, deren Sitz und die einzuhaltende Frist in der für den Verwaltungsakt verwendeten Form belehrt worden ist. Ist die Belehrung i.S.d. § 356 Abs. 1 AO unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist nach § 356 Abs. 2 S. 1 AO die Einlegung des Einspruchs binnen eines Jahres seit Bekanntgabe des Verwaltungsakts zulässig.

Eine Rechtsbehelfsbelehrung ist unrichtig i.S.d. § 356 Abs. 2 S. 1 AO, wenn sie die in § 356 Abs. 1 AO zwingend geforderten Angaben nicht enthält. Sie ist dies aber auch dann, wenn sie geeignet ist, bei dem Betroffenen einen Irrtum über die formellen oder materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs hervorzurufen und ihn dadurch abzuhalten, den Rechtsbehelf überhaupt, rechtzeitig oder in der richtigen Form einzulegen. Enthält eine Rechtsbehelfsbelehrung daher weiter gehende Angaben, so müssen diese auch richtig, vollständig und unmissverständlich sein. Die streitgegenständliche Rechtsbehelfsbelehrung ist nach diesem Maßstab - und der gebotenen summarischen Prüfung - nicht unrichtig; die Monatsfrist des § 355 Abs. 1 S. 1 AO konnte daher nicht unbeachtet bleiben.

Dass die der streitgegenständlichen Anordnung beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung - § 357 Abs. 1 S. 1 AO entsprechend - einen Hinweis auf die (Schrift-)Form des Einspruchs enthält, steht dem nicht entgegen. Das Finanzamt hat dadurch nach dem maßgebenden objektiven Verständnishorizont keinen unrichtigen bzw. missverständlichen Hinweis zu den Formerfordernissen erteilt. Es war insoweit auch nicht gehalten, einen ergänzenden Hinweis auf § 87a AO (elektronische Form) zu geben, ebenso wie es (umgekehrt) nicht gehalten war, angesichts der (ergänzenden) Regelung des § 87a AO einen Hinweis ausschließlich auf § 357 Abs. 1 S. 1 AO zu unterlassen.

Zwar ermöglicht die AO nach dem Inkrafttreten des § 87a AO eine elektronische Kommunikation zwischen Finanzbehörde und Steuerpflichtigem. Eine Belehrung entsprechend dem Gesetzeswortlaut des § 357 Abs. 1 S. 1 AO ist aber nicht geeignet, beim Empfänger die Fehlvorstellung hervorzurufen, die Einlegung eines Einspruchs in elektronischer Form werde den geltenden Formvorschriften nicht gerecht. Vielmehr lässt sich aus einer solchen Belehrung allenfalls schlussfolgern, dass eine mündliche Einspruchseinlegung (soweit nicht bei der Behörde zur Niederschrift erklärt) ausgeschlossen ist. Zur (Un-)Möglichkeit der elektronischen Form wird jedoch keine positive Aussage getroffen und kann daher auch keine negative Aussage abgeleitet werden. Der Steuerpflichtige ist vielmehr gehalten, insoweit ggf. rechtskundigen Rat einzuholen.

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