Zur Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs nach § 16 Abs. 1 GrEStG
BFH 5.9.2013, II R 16/12Die Klägerin nahm im Oktober 2005 ein Angebot zum Erwerb zweier mit einem Lebensmittelmarkt zu bebauender Grundstücke zu einem Kaufpreis i.H.v. über 1,8 Mio. € an. Zuvor hatte die Verkäuferin einer noch zu gründenden, in Luxemburg ansässigen Tochtergesellschaft der Klägerin ein gleichlautendes Angebot unterbreitet.
Im Dezember 2005 hoben die Verkäuferin und die Klägerin den Grundstückskaufvertrag wieder auf. In derselben Urkunde verkaufte die Verkäuferin allerdings die Grundstücke zu demselben Kaufpreis an eine in Luxemburg ansässige Gesellschaft. Diese Zweiterwerberin ist die Tochtergesellschaft einer ebenfalls in Luxemburg ansässigen Holding-Gesellschaft, an der verschiedene Investoren, u.a. der Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin, beteiligt sind. Die Vertragsparteien vereinbarten die Übertragung einer von der Klägerin im Auftrag der Zweiterwerberin am 30.11.2005 geleisteten Anzahlung i.H.v. 194.000 € auf das Notaranderkonto des neuen Erwerbs. Das Grundstückseigentum war am 2.12.2005 noch nicht auf die Klägerin übergegangen.
Das Finanzamt setzte die Grunderwerbsteuer gegen die Klägerin auf 63.875 € fest. Hiergegen wehrte sich die Klägerin mit der Begründung, der Kaufvertrag sei rückgängig gemacht worden und die Festsetzung daher nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG aufzuheben.
Das FG wies die Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BFH das Urteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.
Die Gründe:
Das FG hatte zu Unrecht angenommen, die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG seien nicht erfüllt.
Nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG wird die Steuerfestsetzung auf Antrag u.a. dann aufgehoben, wenn ein Erwerbsvorgang vor dem Übergang des Eigentums am Grundstück auf den Erwerber durch Vereinbarung der Vertragspartner innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer rückgängig gemacht wird. Wird das Grundstück im Zusammenhang mit der Aufhebung des Kaufvertrags weiterveräußert, ist für die Anwendung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG entscheidend, ob für den früheren Erwerber trotz der Vertragsaufhebung die Möglichkeit der Verwertung einer aus dem "rückgängig gemachten" Erwerbsvorgang herzuleitenden Rechtsposition verblieben und der Verkäufer demzufolge nicht aus seinen Bindungen entlassen war.
Dem früheren Erwerber verbleibt die Möglichkeit der Verwertung einer aus dem "rückgängig gemachten" Erwerbsvorgang herzuleitenden Rechtsposition jedenfalls dann, wenn der Aufhebungs- und der Weiterveräußerungsvertrag in einer einzigen Urkunde zusammengefasst sind. In diesem Fall hat er die rechtliche Möglichkeit, die Aufhebung des ursprünglichen Kaufvertrags zum anschließenden Erwerb des Grundstücks durch eine von ihm ausgewählte dritte Person zu nutzen.
Die Anwendung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG ist nur dann ausgeschlossen, wenn der Ersterwerber eine ihm verbliebene Rechtsposition auch in seinem eigenen (wirtschaftlichen) Interesse verwertet hat. Ist dem Ersterwerber das weitere Schicksal des Grundstücks gleichgültig, hindert die Benennung des Dritten als Ersatzkäufer nicht die Anwendung des § 16 GrEStG. Ob die Benennung des Ersatzkäufers auf Verlangen des Verkäufers oder im eigenen (wirtschaftlichen) Interesse des Ersterwerbers erfolgt ist, ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Tatsachen festzustellen.
Infolgedessen war das FG zu Unrecht davon ausgegangen, die Klägerin habe durch die Benennung eines Ersatzkäufers ihre Rechtsposition aus dem ursprünglich geschlossenen Kaufvertrag zu eigenen wirtschaftlichen Zwecken verwertet. Das Ziel, den Kaufvertrag nicht erfüllen zu müssen, um die mit der Nichterfüllung des Vertrags verbundenen wirtschaftlichen, finanziellen und sonstigen Folgen für ihr Unternehmen zu vermeiden, begründet kein der Anwendbarkeit des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG entgegenstehendes eigenes (wirtschaftliches) Interesse der Klägerin an der Weiterveräußerung des Grundbesitzes.
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