Zur schenkungsteuerrechtlichen Behandlung eines vorzeitigen unentgeltlichen Verzichts auf ein vorbehaltenes Nießbrauchsrecht
BFH 20.5.2014, II R 7/13Der Kläger hatte im Jahr 2002 seinem Sohn einen Gesellschaftsanteil an einer GmbH geschenkt. Allerdings behielt er sich den Nießbrauch an dem Anteil vor. Die gemeinen Werte des Anteils und des Nießbrauchs betrugen 3,6 Mio. und 1,2 Mio. €. Das Finanzamt berücksichtigte bei der Festsetzung der Schenkungsteuer antragsgemäß die Steuervergünstigungen nach § 13a ErbStG i.H.v. rund 1,5 Mio. €. Nach Abzug dieses Betrages verblieb ein der Besteuerung zugrunde zu legender Betrag von rund 2,08 Mio. €.
Den Nießbrauch berücksichtigte die Steuerbehörde bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs nicht, und zwar gem. § 10 Abs. 6 S. 5 ErbStG i.H.v. 530.545 € wegen der Gewährung der Steuervergünstigungen nach § 13a ErbStG und im Übrigen aufgrund des in § 25 Abs. 1 S. 1 ErbStG geregelten Abzugsverbots. Der nach § 25 Abs. 1 S. 1 ErbStG nicht abgezogene Betrag von 728.661 € führte lediglich zu der in dieser Vorschrift vorgesehenen Stundung der Schenkungsteuer.
Ab Juni 2007 verzichtete der Kläger mit Wirkung zum 1.1.2008 unentgeltlich auf das ihm zustehende Nießbrauchsrecht, dessen gemeiner Wert zu diesem Zeitpunkt rund 1,6 Mio. € betrug, und übernahm die dadurch ausgelöste Schenkungsteuer. Das Finanzamt berücksichtigte daraufhin bei der Festsetzung der Schenkungsteuer für den Verzicht einen Wert des Nießbrauchs von 895.217 € (1,6 Mio. € ./. 728.661 €). Der Ansicht des Klägers, der bei der Anteilsübertragung gegebene Wert des Nießbrauchs müsse in vollem Umfang von dessen Wert zum Zeitpunkt des Verzichts abgezogen werden, folgte die Behörde nicht.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BFH das Urteil auf und gab der Klage statt.
Die Gründe:
Entgegen der Ansicht des FG war der bei der Steuerfestsetzung für den Anteilserwerb gem. § 10 Abs. 6 S. 5 ErbStG nicht abgezogene Teilbetrag von 530.545 € nicht in die Bemessungsgrundlage der Steuer für den Nießbrauchsverzicht einzubeziehen. Die Schenkungsteuer war demnach auf 82.460 € festzusetzen.
Der vorzeitige unentgeltliche Verzicht auf ein vorbehaltenes Nießbrauchsrecht erfüllt als Rechtsverzicht den Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Der § 25 Abs. 1 ErbStG a.F. steht dem nicht entgegen. Eine als Folge des Abzugsverbots nach § 25 Abs. 1 S. 1 ErbStG mögliche zweimalige steuerliche Erfassung des Nießbrauchs sowohl bei der Nichtberücksichtigung als Abzugsposten als auch beim späteren Verzicht, würde dem in § 10 Abs. 1 S. 1 ErbStG verankerten Bereicherungsprinzip widersprechen. Der bei der Festsetzung der Schenkungsteuer für den Anteilserwerb nach § 25 Abs. 1 S. 1 ErbStG nicht von der Bemessungsgrundlage der Steuer abgezogene Teilbetrag von 728.661 € war somit nicht in die Bemessungsgrundlage der Steuer für den Nießbrauchsverzicht einzubeziehen.
Der Anteil am Wert des Nießbrauchs, der bei der Festsetzung der Schenkungsteuer für den Anteilserwerb nach § 10 Abs. 6 S. 5 ErbStG nicht von der Bemessungsgrundlage der Steuer abgezogen worden war, durfte ebenfalls nicht in die Bemessungsgrundlage der Steuer für den Nießbrauchsverzicht einbezogen werden. Eine Doppelerfassung des Nießbrauchsrechts - sowohl bei der Nichtberücksichtigung als Abzugsposten nach § 25 Abs. 1 S. 1 ErbStG a.F. oder nach § 10 Abs. 6 S. 5 ErbStG a.F. als auch beim späteren Verzicht des Berechtigten - ist bei der Besteuerung des Nießbrauchsverzichts durch den Abzug des bei der Besteuerung des Erwerbs des nießbrauchsbelasteten Gegenstandes tatsächlich unberücksichtigt gebliebenen (Steuer-)Werts des Nutzungsrechts von der Bemessungsgrundlage (Steuerwert) für den Rechtsverzicht zu beseitigen.
Die Einbeziehung des Anteils am Wert des Nießbrauchs, der bei der Festsetzung der Schenkungsteuer für den Anteilserwerb nach § 10 Abs. 6 S. 5 ErbStG nicht von der Bemessungsgrundlage der Steuer abgezogen worden war, in die Bemessungsgrundlage der Steuer für den Nießbrauchsverzicht ließ sich entgegen der Ansicht des FG auch nicht damit begründen, dass dem Kläger das Nießbrauchsrecht für die Zeit bis zum Verzicht zustand, während er bei einer von vornherein unbelasteten Übertragung sofort alle Rechte am Anteil verloren hätte. Entscheidend für die Festsetzung der Schenkungsteuer war die Bereicherung des Sohnes als Bedachten. Dies galt unabhängig davon, dass der Kläger die Entrichtung der vom Sohn geschuldeten Steuer selbst übernommen hatte.
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