19.09.2013

Zur sog. Verwertungsbefugnis an Grundstücken

Der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2 GrEStG unterliegen auch solche Rechtsvorgänge, die es dem Erwerber ermöglichen, sich den Wert des Grundstücks für eigene Rechnung nutzbar zu machen. Allerdings reichen die Einwirkungsmöglichkeiten eines Gesellschafters auf Gesellschaftsebene ohne konkreten Grundstücksbezug dafür nicht aus.

BFH 24.4.2013, II R 32/11
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine kurz nach dem ersten Weltkrieg zwecks Errichtung und Verwaltung von Wohnungen für Bergleute gegründete Gesellschaft. Das Vermögen, das durch Zuschläge auf die Kohlepreise geschaffen worden war, galt als Eigentum des Deutschen Reichs. Im Mai 1934 gingen die Anteile der Gesellschafter an den Treuhandstellen entschädigungslos auf das Reich über. Nach 1945 wurde der Gesellschaftsvertrag der Klägerin mehrfach geändert. Die auf die Bundesrepublik Deutschland als Nachfolgerin des Deutschen Reichs übergegangenen Gesellschaftsanteile wurden zwischen 1964 und 1973 sukzessive auf die früheren Gesellschafter der Klägerin bzw. deren Rechtsnachfolger zurückübertragen.

Die Klägerin verwaltete das Bergmannssiedlungsvermögen als Treuhänderin des Bundes. Das Vermögen war wie eine stimmrechtslose Stammeinlage des Bundes zu behandeln. Dem Bund waren im Gesellschaftsvertrag Aufsichts- und Kontrollrechte eingeräumt. Die Klägerin erwarb und veräußerte seit ihrem Bestehen Grundstücke des Bergmannssiedlungsvermögens. Weder das Deutsche Reich noch der Bund erteilten ihr dabei Weisungen. Die Klägerin war und ist als Eigentümerin der jeweiligen Grundstücke in den Grundbüchern eingetragen. Ein Hinweis auf eine Treuhandschaft erfolgte weder in den Verträgen noch in den Grundbüchern. Weder das Deutsche Reich noch der Bund wurden als Treugeber zur Grunderwerbsteuer herangezogen.

Zwischen der Klägerin und dem Bund bestand seit Jahrzehnten Uneinigkeit darüber, ob und in welchem Umfang das Bergmannssiedlungsvermögen Eigentum des Bundes sei. Während der Bund die Auffassung vertrat, dass die Klägerin das Bergmannssiedlungsvermögen lediglich treuhänderisch für ihn verwalte, war die Klägerin der Ansicht, dass das Bergmannssiedlungsvermögen Vermögen der Gesellschaft sei. Im Juni 2007 vereinbarten die Klägerin und der Bund, dass dieser gegen eine Abfindung auf etwaige gegenwärtige oder zukünftige Ansprüche auf das Bergmannssiedlungsvermögen verzichtet.

Das Finanzamt stellte daraufhin fest, dass Grunderwerbsteuer auf die gezahlte Abfindung zu erheben sei. Durch den Verzicht auf seinen Herausgabeanspruch habe der Bund der Klägerin die Verwertungsbefugnis an dem Bergmannssiedlungsvermögen verschafft. Hierdurch werde der Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG erfüllt. Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision des Finanzamtes blieb vor dem BFH erfolglos.

Die Gründe:
Die Vereinbarung zwischen der Klägerin und dem Bund erfüllte nicht die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 GrEStG.

Nach § 1 Abs. 2 GrEStG unterliegen der Grunderwerbsteuer auch solche Rechtsvorgänge, die vom Wechsel im Eigentum abgesehen den in § 1 Abs. 1 GrEStG beschriebenen Erwerbsvorgängen so nahe kommen, dass sie es dem Erwerber ermöglichen, sich den Wert des Grundstücks für eigene Rechnung nutzbar zu machen. Der Rechtsvorgang, auf dem diese sog. Verwertungsbefugnis beruht, kann sowohl privatrechtlicher als auch öffentlich-rechtlicher Natur sein. Verzichtet ein Treugeber auf seinen Herausgabeanspruch gegenüber dem Treuhänder, kann darin die Verschaffung der Verwertungsbefugnis zu sehen sein, wenn zuvor ein Treuhandverhältnis bestand, aufgrund dessen der Treugeber sich den Wert eines Grundstücks jederzeit nutzbar machen konnte.

Einwirkungsmöglichkeiten eines Gesellschafters auf Gesellschaftsebene reichen für eine Verwertungsbefugnis i.S.d. § 1 Abs. 2 GrEStG allerdings nicht aus. Selbst die Stellung als Alleingesellschafter einer GmbH begründet keine solche Verwertungsbefugnis. Dieser kann zwar darauf hinwirken, dass Grundstücke veräußert werden, und über den Gewinn der Gesellschaft einen etwaigen Mehrerlös aus der Veräußerung an sich ziehen. Er ist dafür jedoch auf seine Mitwirkungsrechte in den Organen der GmbH, deren Handeln der GmbH zuzurechnen ist, angewiesen.

Infolgedessen hat das FG zutreffend angenommen, dass der Vergleich zwischen der Klägerin und dem Bund, durch die der Bund auf etwaige Herausgabe- und Ausgleichsansprüche gegen Zahlung des vereinbarten Betrags verzichtet hatte, keine Verwertungsbefugnis der Klägerin i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG begründete. Weder das BergSiedlG noch die Regelungen des Gesellschaftsvertrags hatten ein Treuhandverhältnis begründet, das dem Bund als Treugeber ermöglicht hätte, die im Eigentum der Klägerin stehenden Grundstücke für eigene Rechnung zu verwerten.

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