Zur (steuer-)bilanziellen Behandlung eines "Beteiligungsbetrags" des Kfz-Händlers zur Absicherung des Restwertrisikos durch den Hersteller im Rahmen des Leasing-Restwertmodells
Kurzbesprechung
BFH v. 13.9.2023 - XI R 20/20
KStG § 8 Abs 1 S 1
EStG § 4 Abs 1 S 1, § 5 Abs 1 S 1, § 5 Abs 4a S 1, § 5 Abs 4b S 1, § 6 Abs 1 Nr. 2
HGB § 238ff,
FGO § 90 Abs 2, § 107, § 121 S 1, § 126 Abs 2, § 135 Abs 2, § 135 Abs 4,
BGB § 320
Die Steuerpflichtige (eine GmbH) betrieb einen Kfz-Handel. Im Jahr 2009 hat der Automobilproduzent A ein Leasing-Restwertmodell eingeführt. Im Rahmen dieses Modells vermittelte der Kfz-Händler im Wege eines Leasingvertrags das Kfz an den Leasingnehmer und veräußerte dieses zugleich an eine Leasinggesellschaft. Der Kfz-Händler verpflichtete sich hierbei, das Leasingfahrzeug am Ende der Leasinglaufzeit zu einem bereits zu Beginn des Leasings mit der Leasinggesellschaft vereinbarten Kaufpreis zurückzunehmen. Gegen die Zusage, einen von der gewählten Risikostufe abhängigen sogenannten Beteiligungsbetrag an A zu leisten, konnte der Kfz-Händler am Leasingvertragsende eine Ausgleichszahlung erhalten, wenn der zu Beginn des Leasings zwischen dem Kfz-Händler und der Leasinggesellschaft vereinbarte Restwert, der dem Rücknahmepreis entsprach, höher als der tatsächliche Wert des Kfz am Ende der Leasinglaufzeit war (sogenannte Restwert-Absicherung). Der Beteiligungsbetrag des Kfz-Händlers für die Übernahme der Restwert-Absicherung durch A wurde am Leasingvertragsende fällig. Der Kfz-Händler konnte den Umfang der Beteiligung der A am Restwertrisiko durch die Wahl einer Risikostufe selbst bestimmen. Die Höhe des Beteiligungsbetrags zur Restwert-Absicherung legte A zu Beginn der jeweiligen Leasinglaufzeit durch ein sogenanntes Info-Schreiben fest.
Die Steuerpflichtige nahm am Leasing-Restwertmodell der A teil und sicherte den Restwert der Kfz, die sie von der Leasinggesellschaft zurückzunehmen hatte, zu 100 % ab. Den Beteiligungsbetrag stellte sie zu Beginn der jeweiligen Leasinglaufzeit gewinnmindernd als Verbindlichkeit ein. Nach Ablauf des Leasingvertrags und Erhalt einer Endrechnung löste sie diese Verbindlichkeit auf.
Dagegen vertrat das FA die Auffassung, die Verbindlichkeit "Restwertabsicherung" zum 31.12.2013 sei gewinnerhöhend aufzulösen. Die Mitteilung über die Höhe des Beteiligungsbetrags zu Beginn der Leasinglaufzeit löse keinen buchungstechnischen Geschäftsvorfall aus. Eine Verbindlichkeit seitens der Steuerpflichtigen entstehe erst im Zeitpunkt des Erhalts der Endrechnung, also nach Ablauf des Leasingvertrags. Der am Ende der Laufzeit bei Rückerwerb des Kfz zu leistende Beteiligungsbetrag werde für das zurückerworbene Kfz gezahlt und sei deshalb dessen Anschaffungskosten im Sinne des § 255 Abs. 1 HGB zuzuordnen. Im Zeitpunkt des Erhalts des Info-Schreibens über die Höhe des Beteiligungsbetrags sei keine Verbindlichkeit einzustellen. Nach § 5 Abs. 4b Satz 1 EStG sei die Bildung einer Rückstellung ausgeschlossen. Ein Betriebsausgabenabzug komme nicht in Betracht. Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Auch der BFH wies die eingelegte Revision zurück und bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz.
Nach allgemeinen Grundsätzen entstehen Ansprüche und Verpflichtungen zu dem Zeitpunkt, zu dem die sie begründenden Tatbestandsmerkmale erfüllt sind. Auf den Zeitpunkt der Fälligkeit der Verbindlichkeit kommt es nicht an.
Danach waren im Streitfall die Voraussetzungen für die handelsbilanzielle Passivierung der Beteiligungsbeträge als Verbindlichkeiten nicht erfüllt. Zwar hatte die Steuerpflichtige den von A festgelegten Beteiligungsbetrag beim Rückerwerb des jeweiligen Kfz am Ende der Leasingdauer auch zu entrichten, wenn der tatsächliche Wert dieses Fahrzeugs höher als der bereits zu Beginn des Leasings vereinbarte Rückkaufpreis war, so dass A keine Zahlung an die Steuerpflichtige zu leisten hatte. Die Entrichtung des Beteiligungsbetrags war unabhängig davon, ob der tatsächliche Wert des Leasingrückläufers höher (Gewinnfall) oder niedriger (Verlustfall) war als der im Voraus vereinbarte Rückkaufpreis und es im Verlustfall zum Ausgleich eines eingetretenen Restwertrisikos durch A kam.
Für die Passivierung einer Verbindlichkeit im Jahr des Abschlusses der Restwertvereinbarung fehlte es jedoch an einer rechtlichen Verpflichtung, da die Steuerpflichtige zu Beginn des Leasingvertrags (noch) nicht zu einer dem Inhalt und der Höhe nach bestimmten Leistung verpflichtet war, die von A am Ende der Leasinglaufzeit hätte erzwungen werden können. Denn die Entrichtung des Beteiligungsbetrags war vom Rückerwerb des Leasingfahrzeugs abhängig. Er war nur zu zahlen, falls der Leasinggeber sein Rückgaberecht ausübte und die Steuerpflichtige das Kfz tatsächlich zurücknehmen musste.
Erst im Zeitpunkt des tatsächlichen Rückkaufs des Kfz stand fest, ob der Beteiligungsbetrag zu leisten war. Kam es nicht zum Rückkauf, weil der Leasingvertrag zum Beispiel vor dem regulären Vertragsende aufgehoben oder storniert wurde, entfiel auch der Beteiligungsbetrag. Ist die Verpflichtung - wie im Streitfall - von dem Eintritt einer aufschiebenden Bedingung abhängig, kann keine Bilanzierung einer gewissen Verbindlichkeit erfolgen.
Die gewinnmindernde Einstellung der Beteiligungsbeträge als Verbindlichkeit war danach unzutreffend. Das FA hatte die von der Steuerpflichtigen in der Bilanz zum Stichtag 31.12.2013 ausgewiesene Verbindlichkeit "Restwertabsicherung" daher zu Recht gewinnerhöhend aufgelöst.
Der BFH entschied weiterhin, dass für die Beteiligungsbeträge, die die Steuerpflichtige im Falle und im Zeitpunkt des Rückerwebs der Leasingfahrzeuge an A zu entrichten hatte, auch keine Rückstellung zu bilden war. Denn dem bilanziellen Ausweis der aufschiebend bedingten Verpflichtung, an A die festgelegten Beteiligungsbeiträge beim Rückerwerb der Leasingfahrzeuge zu entrichten, stehen die Grundsätze der (Nicht-)Bilanzierung schwebender Geschäfte entgegen, ohne dass es noch auf die steuerrechtliche Sonderregelung des § 5 Abs. 4b EStG ankäme.
Ansprüche und Verbindlichkeiten aus einem schwebenden Geschäft dürfen in der Bilanz grundsätzlich nicht ausgewiesen werden. Während des Schwebezustands besteht die (widerlegbare) Vermutung, dass sich die wechselseitigen Rechte und Pflichten aus dem Vertrag wertmäßig ausgleichen. Hat ausnahmsweise der zur Geldleistung Verpflichtete in Vorleistung zu treten, ist der Schwebezustand auch mit Erfüllung der Geldleistung beendet, obgleich die Sach- oder Dienstleistung noch nicht erbracht ist Ein Bilanzausweis ist bei schwebenden Geschäften daher nur geboten, wenn und soweit das Gleichgewicht solcher Vertragsbeziehungen durch Vorleistungen oder Erfüllungsrückstände eines Vertragspartners "gestört" ist. Daher lag am maßgeblichen Bilanzstichtag 31.12.2013 ein schwebendes Geschäft vor, das nicht zu bilanzieren war.
Verlag Dr. Otto Schmidt
KStG § 8 Abs 1 S 1
EStG § 4 Abs 1 S 1, § 5 Abs 1 S 1, § 5 Abs 4a S 1, § 5 Abs 4b S 1, § 6 Abs 1 Nr. 2
HGB § 238ff,
FGO § 90 Abs 2, § 107, § 121 S 1, § 126 Abs 2, § 135 Abs 2, § 135 Abs 4,
BGB § 320
Die Steuerpflichtige (eine GmbH) betrieb einen Kfz-Handel. Im Jahr 2009 hat der Automobilproduzent A ein Leasing-Restwertmodell eingeführt. Im Rahmen dieses Modells vermittelte der Kfz-Händler im Wege eines Leasingvertrags das Kfz an den Leasingnehmer und veräußerte dieses zugleich an eine Leasinggesellschaft. Der Kfz-Händler verpflichtete sich hierbei, das Leasingfahrzeug am Ende der Leasinglaufzeit zu einem bereits zu Beginn des Leasings mit der Leasinggesellschaft vereinbarten Kaufpreis zurückzunehmen. Gegen die Zusage, einen von der gewählten Risikostufe abhängigen sogenannten Beteiligungsbetrag an A zu leisten, konnte der Kfz-Händler am Leasingvertragsende eine Ausgleichszahlung erhalten, wenn der zu Beginn des Leasings zwischen dem Kfz-Händler und der Leasinggesellschaft vereinbarte Restwert, der dem Rücknahmepreis entsprach, höher als der tatsächliche Wert des Kfz am Ende der Leasinglaufzeit war (sogenannte Restwert-Absicherung). Der Beteiligungsbetrag des Kfz-Händlers für die Übernahme der Restwert-Absicherung durch A wurde am Leasingvertragsende fällig. Der Kfz-Händler konnte den Umfang der Beteiligung der A am Restwertrisiko durch die Wahl einer Risikostufe selbst bestimmen. Die Höhe des Beteiligungsbetrags zur Restwert-Absicherung legte A zu Beginn der jeweiligen Leasinglaufzeit durch ein sogenanntes Info-Schreiben fest.
Die Steuerpflichtige nahm am Leasing-Restwertmodell der A teil und sicherte den Restwert der Kfz, die sie von der Leasinggesellschaft zurückzunehmen hatte, zu 100 % ab. Den Beteiligungsbetrag stellte sie zu Beginn der jeweiligen Leasinglaufzeit gewinnmindernd als Verbindlichkeit ein. Nach Ablauf des Leasingvertrags und Erhalt einer Endrechnung löste sie diese Verbindlichkeit auf.
Dagegen vertrat das FA die Auffassung, die Verbindlichkeit "Restwertabsicherung" zum 31.12.2013 sei gewinnerhöhend aufzulösen. Die Mitteilung über die Höhe des Beteiligungsbetrags zu Beginn der Leasinglaufzeit löse keinen buchungstechnischen Geschäftsvorfall aus. Eine Verbindlichkeit seitens der Steuerpflichtigen entstehe erst im Zeitpunkt des Erhalts der Endrechnung, also nach Ablauf des Leasingvertrags. Der am Ende der Laufzeit bei Rückerwerb des Kfz zu leistende Beteiligungsbetrag werde für das zurückerworbene Kfz gezahlt und sei deshalb dessen Anschaffungskosten im Sinne des § 255 Abs. 1 HGB zuzuordnen. Im Zeitpunkt des Erhalts des Info-Schreibens über die Höhe des Beteiligungsbetrags sei keine Verbindlichkeit einzustellen. Nach § 5 Abs. 4b Satz 1 EStG sei die Bildung einer Rückstellung ausgeschlossen. Ein Betriebsausgabenabzug komme nicht in Betracht. Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Auch der BFH wies die eingelegte Revision zurück und bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz.
Nach allgemeinen Grundsätzen entstehen Ansprüche und Verpflichtungen zu dem Zeitpunkt, zu dem die sie begründenden Tatbestandsmerkmale erfüllt sind. Auf den Zeitpunkt der Fälligkeit der Verbindlichkeit kommt es nicht an.
Danach waren im Streitfall die Voraussetzungen für die handelsbilanzielle Passivierung der Beteiligungsbeträge als Verbindlichkeiten nicht erfüllt. Zwar hatte die Steuerpflichtige den von A festgelegten Beteiligungsbetrag beim Rückerwerb des jeweiligen Kfz am Ende der Leasingdauer auch zu entrichten, wenn der tatsächliche Wert dieses Fahrzeugs höher als der bereits zu Beginn des Leasings vereinbarte Rückkaufpreis war, so dass A keine Zahlung an die Steuerpflichtige zu leisten hatte. Die Entrichtung des Beteiligungsbetrags war unabhängig davon, ob der tatsächliche Wert des Leasingrückläufers höher (Gewinnfall) oder niedriger (Verlustfall) war als der im Voraus vereinbarte Rückkaufpreis und es im Verlustfall zum Ausgleich eines eingetretenen Restwertrisikos durch A kam.
Für die Passivierung einer Verbindlichkeit im Jahr des Abschlusses der Restwertvereinbarung fehlte es jedoch an einer rechtlichen Verpflichtung, da die Steuerpflichtige zu Beginn des Leasingvertrags (noch) nicht zu einer dem Inhalt und der Höhe nach bestimmten Leistung verpflichtet war, die von A am Ende der Leasinglaufzeit hätte erzwungen werden können. Denn die Entrichtung des Beteiligungsbetrags war vom Rückerwerb des Leasingfahrzeugs abhängig. Er war nur zu zahlen, falls der Leasinggeber sein Rückgaberecht ausübte und die Steuerpflichtige das Kfz tatsächlich zurücknehmen musste.
Erst im Zeitpunkt des tatsächlichen Rückkaufs des Kfz stand fest, ob der Beteiligungsbetrag zu leisten war. Kam es nicht zum Rückkauf, weil der Leasingvertrag zum Beispiel vor dem regulären Vertragsende aufgehoben oder storniert wurde, entfiel auch der Beteiligungsbetrag. Ist die Verpflichtung - wie im Streitfall - von dem Eintritt einer aufschiebenden Bedingung abhängig, kann keine Bilanzierung einer gewissen Verbindlichkeit erfolgen.
Die gewinnmindernde Einstellung der Beteiligungsbeträge als Verbindlichkeit war danach unzutreffend. Das FA hatte die von der Steuerpflichtigen in der Bilanz zum Stichtag 31.12.2013 ausgewiesene Verbindlichkeit "Restwertabsicherung" daher zu Recht gewinnerhöhend aufgelöst.
Der BFH entschied weiterhin, dass für die Beteiligungsbeträge, die die Steuerpflichtige im Falle und im Zeitpunkt des Rückerwebs der Leasingfahrzeuge an A zu entrichten hatte, auch keine Rückstellung zu bilden war. Denn dem bilanziellen Ausweis der aufschiebend bedingten Verpflichtung, an A die festgelegten Beteiligungsbeiträge beim Rückerwerb der Leasingfahrzeuge zu entrichten, stehen die Grundsätze der (Nicht-)Bilanzierung schwebender Geschäfte entgegen, ohne dass es noch auf die steuerrechtliche Sonderregelung des § 5 Abs. 4b EStG ankäme.
Ansprüche und Verbindlichkeiten aus einem schwebenden Geschäft dürfen in der Bilanz grundsätzlich nicht ausgewiesen werden. Während des Schwebezustands besteht die (widerlegbare) Vermutung, dass sich die wechselseitigen Rechte und Pflichten aus dem Vertrag wertmäßig ausgleichen. Hat ausnahmsweise der zur Geldleistung Verpflichtete in Vorleistung zu treten, ist der Schwebezustand auch mit Erfüllung der Geldleistung beendet, obgleich die Sach- oder Dienstleistung noch nicht erbracht ist Ein Bilanzausweis ist bei schwebenden Geschäften daher nur geboten, wenn und soweit das Gleichgewicht solcher Vertragsbeziehungen durch Vorleistungen oder Erfüllungsrückstände eines Vertragspartners "gestört" ist. Daher lag am maßgeblichen Bilanzstichtag 31.12.2013 ein schwebendes Geschäft vor, das nicht zu bilanzieren war.