Zur Steuerfreiheit und Steuerbarkeit der Vermögensverwaltung mit Wertpapieren
BFH 11.10.2012, V R 9/10Die Klägerin ist eine Bank. Sie erbrachte im Streitjahr 2008 Leistungen an Privatkunden. So beauftragten die Anleger sie, Wertpapiere unter Berücksichtigung der vom Kunden ausgewählten Strategievariante nach eigenem Ermessen und ohne vorherige Einholung einer Weisung des Anlegers zu verwalten sowie alle Maßnahmen zu treffen, die zweckmäßig erschienen. Die Klägerin war berechtigt, über die Vermögenswerte im Namen und für Rechnung des Anlegers zu verfügen.
Als Vergütung musste der Anleger pro Jahr eine sog. Teilpauschalvergütung i.H.v. 1,8 % des Werts des verwalteten Vermögens zahlen. Dies umfasste auch die Konto- und Depotführung sowie die Ausgabeaufschläge für den Erwerb von Investmentanteilen einschließlich der Investmentanteile an Fonds, die durch Unternehmen der Klägerin verwaltet wurden. Jeweils zum Ende eines Kalendervierteljahres sowie zum Jahresende erhielt der Kunde einen Bericht über den Verlauf der Vermögensverwaltung. Der Kunde hatte das Recht, den Auftrag jederzeit mit sofortiger Wirkung zu beenden.
Bei Abgabe ihrer Umsatzsteuer-Voranmeldung für das Streitjahr ging die Klägerin davon aus, dass ihre Leistungen nach § 4 Nr. 8e UStG bei Leistungen an Anleger im Inland und im übrigen Gemeinschaftsgebiet steuerfrei und bei Leistungen an Anleger im Drittlandsgebiet als nach § 3a Abs. 4 Nr. 6a UStG nicht steuerbar seien. Das Finanzamt folgte dem nicht und erließ einen Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid, in dem es die Umsätze der Vermögensverwaltung mit Wertpapieren für Privatkunden als steuerbar und steuerpflichtig behandelte.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Auf die Revision des Finanzamtes setzte der BFH das Verfahren aus und legte die Sache dem EuGH mit der Frage zur Entscheidung vor, ob Banken und andere Vermögensverwalter, die für einzelne Anleger Wertpapiervermögen verwalten (sog. individuelle Portfolioverwaltung), mit diesen Leistungen der Umsatzsteuer unterliegen. Der EuGH hat in seinem Urteil vom 19.7.2012 (Rs.: C-44/11) folgendermaßen entschieden:
- Eine Leistung der Vermögensverwaltung mit Wertpapieren wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, d.h. eine entgeltliche Tätigkeit, bei der ein Steuerpflichtiger aufgrund eigenen Ermessens über den Kauf und Verkauf von Wertpapieren entscheidet und diese Entscheidung durch den Kauf und Verkauf der Wertpapiere vollzieht, besteht aus zwei Elementen, die so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige wirtschaftliche Leistung bilden.
- Art. 135 Abs. 1f bzw. g der Richtlinie 2006/112/EG ist dahin auszulegen, dass eine Vermögensverwaltung mit Wertpapieren wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nicht gemäß dieser Bestimmung von der Mehrwertsteuer befreit ist.
- Art. 56 Abs. 1e der Richtlinie 2006/112 ist dahin auszulegen, dass er nicht nur die in Art. 135 Abs. 1a bis g dieser Richtlinie genannten Leistungen umfasst, sondern auch die Leistungen der Vermögensverwaltung mit Wertpapieren.
Daraufhin hat der BFH das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen.
Die Gründe:
Die Klägerin kann für die im Inland erbrachten Leistungen bei der Vermögensverwaltung mit Wertpapieren keine Steuerfreiheit in Anspruch nehmen.
Nach dem im Streitfall ergangenen EuGH-Urteil steht fest, dass die durch die Klägerin erbrachten Leistungen als einheitliche Leistung anzusehen sind. Der EuGH hat insoweit die in dem BMF-Schreiben vom 9.12.2008 vertretene Rechtsauffassung bestätigt. Nach dem EuGH-Urteil steht außerdem fest, dass die im Inland erbrachten Leistungen bei der Vermögensverwaltung mit Wertpapieren nicht nach Art. 135 Abs. 1f der Richtlinie 2006/112/EG und damit auch nicht nach § 4 Nr. 8e UStG steuerfrei, sondern steuerpflichtig sind. Der EuGH hat auch insoweit die in dem BMF-Schreiben vom 9.12.2008 vertretene Rechtsauffassung bestätigt. Der Senat hält daher insoweit an seinem Urteil vom 11.10.2007 (Az.: V R 22/04) nicht fest.
Der Senat konnte allerdings nicht abschließend in der Sache entscheiden, da das FG keine Feststellungen zum Umfang der Leistungen getroffen hat, die die Klägerin gegenüber im Drittlandsgebiet ansässigen Anlegern erbracht hatte. Die Klägerin ist aber berechtigt, sich auf das für sie günstigere Unionsrecht zu berufen. Insoweit ist an dem Senatsurteil vom 11.10.2007, mit dem der BFH bereits entschieden hat, dass § 3a Abs. 4 Nr. 6a UStG das Unionsrecht nicht zutreffend umsetzt, entgegen dem BMF-Schreiben vom 9.12.2008 weiterhin festzuhalten.
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