26.06.2013

Zur Steuerfreiheit von Leistungen eines Altenwohnheims

Die mit dem Betrieb eines gewerblichen Altenwohnheims eng verbundenen Umsätze nach § 4 Nr. 16d UStG sind u.a. dann umsatzsteuerfrei, wenn im vorangegangenen Kalenderjahr mindestens 40 % der Leistungen Kranken und behinderten Menschen zu Gute gekommen sind, die in einem vom Gesetz näher bestimmten Maß der Hilfe bedürfen. Dass diesen Personen eine Pflegestufe zuerkannt wurde, ist nicht erforderlich.

BFH 19.3.2013, XI R 45/10
Der Sachverhalt:
Die Klägerin, eine GmbH, betrieb im Streitjahr 2001 ein als gemeinnützige Körperschaft anerkanntes Altenwohnheim ("Senioren-Wohnstift"). Sie überließ dem jeweiligen Bewohner auf der Grundlage eines Heimvertrages eine abgeschlossene unmöblierte Wohnung mit eingebauten Küchenelementen, die über eine eigene Klingel, ein Namensschild, eigenen Telefonanschluss, Briefkasten und Kelleranteil verfügte.

Zu den sonstigen sog. Grundleistungen gehörte die Überlassung eines Telefons, eine Notruf- und Pflegebereitschaft rund um die Uhr, die regelmäßige Grundreinigung der Wohnung, die Vorhaltung der Gemeinschaftsräume und -anlagen (Bibliothek, Gymnastikraum, Kapelle, Seelsorge, Hallenbad), ein tägliches Mittagessen im Speisesaal einschließlich Bedienung sowie die Betreuung und Pflege im Krankheits- und Pflegefall bis zu einer Gesamtdauer von 14 Tagen im Jahr. Für darüber hinaus gehende Pflegeleistungen war ein gesondertes Entgelt zu entrichten. Die Klägerin rechnete gegenüber der Pflegekasse ab, soweit von dieser Leistungen gewährt wurden, und im Übrigen direkt mit den Bewohnern des Senioren-Wohnstifts.

Entgegen der Ansicht der Klägerin behandelte das Finanzamt die Pflegeerlöse einschließlich Verpflegung und diverser Nebenumsätze als steuerpflichtig und unterwarf die Leistungen dem ermäßigten Steuersatz. Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Es war der Ansicht, dass die von der Klägerin erbrachten Leistungen nicht zu mindestens 40 % den in § 68 Abs. 1 BSHG genannten Personen zu Gute gekommen seien. Voraussetzung dafür sei die Zuerkennung einer Pflegestufe. Auf die Revision der Klägerin hob der BFH das Urteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.

Die Gründe:
Die Versagung der Steuerbefreiung der streitigen Umsätze verletzte § 4 Nr. 16d UStG. Die Sache war jedoch nicht spruchreif, da noch weitere Feststellungen zu treffen sind.

Für die Anwendbarkeit des § 4 Nr. 16d UStG reicht eine (einfache) Pflegebedürftigkeit i.S.v. § 68 Abs. 1 BSHG bei dem entsprechenden Personenkreis aus. Sie kann auch vorliegen, wenn keine Pflegestufe i.S.v. § 15 SGB XI nachgewiesen wurde. § 4 Nr. 16d UStG setzt - anders als etwa § 4 Nr. 16e UStG - gerade keine Kostenübernahme des Sozialversicherungsträgers voraus, sondern stellt lediglich auf einen bestimmten Personenkreis ab, dem die Leistungen zugute gekommen sein müssen, nämlich Personen, die entweder körperlich hilfsbedürftig sind oder die - was im Streitfall ausschied - wirtschaftlich hilfsbedürftig sind. Nach BFH-Rechtsprechung betrifft die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 16d UStG Leistungen, die eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbunden sind.

 Im weiteren Verfahren muss das FG Noch Feststellungen treffen, ob und in welchem Umfang die Bewohner des Altenwohnheims der Klägerin körperlich hilfsbedürftig i.S.d. § 68 Abs. 1 S. 2 BSHG waren und sodann entscheiden, ob die Steuerbefreiung zu gewähren ist. Zudem hat das FG zu prüfen, ob sämtliche Leistungen, für die die Klägerin die Steuerbefreiung begehrt, unter § 4 Nr. 16d UStG fallen.

Falls die streitigen Umsätze nicht schon nach § 4 Nr. 16d UStG i.V.m. § 68 Abs. 1 BSHG steuerfrei sind, muss das FG auch noch prüfen, ob sich die Steuerfreiheit unmittelbar aus europäischem Recht ergibt (Art. 13 Teil A Abs. 1g der Richtlinie 77/388/EWG). Die Steuerbefreiung darf nach dem EuGH-Urteil Zimmermann (UR 2013, 35, HFR 2013, 84) nämlich nicht von einer Bedingung abhängig gemacht werden, die nicht geeignet ist, die Gleichbehandlung sämtlicher unter das Privatrecht fallenden Betreiber von Altenwohnheimen zu gewährleisten. Ob die Finanzverwaltung im Streitjahr 2001 bei gleichen Leistungen unterschiedliche Anerkennungsvoraussetzungen angewendet hat, muss das FG dann ggf. prüfen.

Linkhinweis:

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BFH PM Nr. 34 vom 26.6.2013
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