09.06.2022

Zur Steuerpflicht einer Vergütung für die Tätigkeit eines tageweise beim Europarat beschäftigten Dolmetschers

Eine Vergütung, die ein in Deutschland ansässiger Dolmetscher für seine tageweise Beschäftigung beim Europarat erhält, ist nicht nach dem Allgemeinen Abkommen über die Vorrechte und Befreiungen des Europarates vom 02.09.1949 (BGBl II 1954, 494) steuerbefreit. Einer Verfügung des Generalsekretärs des Europarates, die hinsichtlich einer solchen Vergütung Steuerfreiheit gewährt, kommt keine Bindungswirkung zu Lasten des nationalen Besteuerungsrechts zu.

Kurzbesprechung
BFH v. 16. 3. 2022 - VIII R 33/19

EStG § 18 Abs 1 Nr. 1
EuRatVorRAbk Art 17, Art 18 Buchst b


Der Steuerpflichtige ist selbständiger Dolmetscher. Er war im Streitjahr 2012 an einzelnen Tagen als Konferenzdolmetscher für den Europarat in Straßburg tätig. Die ihm hierfür gezahlte Vergütung legte das FA bei der inländischen Besteuerung des Steuerpflichtigen als Einnahmen aus selbständiger Arbeit zugrunde. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Auch der BFH kam im Revisionsverfahren zu dem Ergebnis, dass das Entgelt für die Tätigkeit des Steuerpflichtigen als tageweise beschäftigter Konferenzdolmetscher nicht nach Art. 18 Buchst. b des Allgemeinen Abkommens steuerbefreit ist.

Art. 18 Buchst. b des Allgemeinen Abkommens ist als Rechtsgrundlage für die begehrte Steuerbefreiung anwendbar, da Deutschland dem Allgemeinen Abkommen durch Gesetz vom 30.04.1954 (BGBl II 1954, 493) beigetreten ist. Völkerrechtliche Verträge gelten, soweit sie aufgrund eines Zustimmungsgesetzes innerstaatlich anwendbar sind, als Bestandteil des Bundesrechts. Ihre Auslegung durch das FG ist vom BFH als Revisionsgericht überprüfbar (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO).

Art. 18 Buchst. b des Allgemeinen Abkommens enthält keine Ausnahme von der unbeschränkten (persönlichen) Steuerpflicht, sondern eine den Regelungen des § 3 EStG vergleichbare Steuerbefreiung der im Zusammenhang mit der Tätigkeit erzielten Einnahmen. Wegen der unmittelbaren Geltung des Allgemeinen Abkommens als nationales Recht bedurfte es keiner Aufnahme in die letztgenannte Vorschrift.

Die Auslegung des FG, die in Art. 18 Buchst. b des Allgemeinen Abkommens angeordnete Steuerfreiheit erstrecke sich nicht auf Vergütungen für tageweise beschäftigte Dolmetscher, war im Streitfall revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die in Art. 17 und Art. 18 Buchst. b des Allgemeinen Abkommens als Subjekte der Steuerbefreiung genannten "officials" und "agents" umfassen nach Auffassung des BFH nicht die tageweise beschäftigten Dolmetscher. Auch die dem Steuerpflichtigen vom Direktor der Personalabteilung erteilte Bescheinigung über seine Steuerbefreiung stellt für die Steuerverwaltung keine bindende Verfügung i.S. von Art. 17 des Allgemeinen Abkommens dar. Insbesondere handelt es sich nicht wie in Art. 17 des Allgemeinen Abkommens vorgesehen um eine abstrakt-generelle Regelung, durch die die Gruppen der betroffenen Beamten bestimmt werden.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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