25.08.2011

Zur Teilentgeltlichkeit bei Erwerb durch Vermächtnis

Nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 7, § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG sind Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften bei Grundstücken steuerbar, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Muss der Vermächtnisnehmer für den Erwerb eines vermachten Grundstücks eine Gegenleistung erbringen, deren Wert die vermächtnisweise Zuwendung nicht ausgleicht, stellt der Grundstückserwerb einen teilentgeltlichen und damit im Rahmen der Besteuerung aufteilbaren Vorgang dar.

BFH 29.6.2011, IX R 63/10
Der Sachverhalt:
Mit dem Tod ihrer Mutter hatten die Klägerin und ihre Schwester im Mai 2002 zu gleichen Teilen geerbt. Das notarielle Testament sah für die Klägerin das Recht vor, den gesamten Grundbesitz der Mutter zu übernehmen. Im Gegenzug sollte sie hierfür an ihre Schwester einen Betrag von 25 % des festzustellenden Verkehrswerts des Grundbesitzes bezahlen.

Die Klägerin nahm das Übernahmerecht im Februar 2003 wahr und bot ihrer Schwester den Abschluss eines Grundstücksübertragungsvertrags an. Hierin war u.a. bestimmt, dass die Klägerin 25 % des geschätzten Verkehrswertes von 238.800 € an ihre Schwester bezahlen sollte, was "einem Übernahmepreis von 50 % des Verkehrswerts bei hiermit erfolgter sofortiger Aufteilung unter den beiden Erben im Wege der Teilerbauseinandersetzung entspricht". Die Schwester der Klägerin nahm das Angebot an und die Klägerin zahlte vereinbarungsgemäß 59.700 €.

Im April 2004 veräußerte die Klägerin den Grundbesitz zu einem Preis von insgesamt 240.000 €. Das Finanzamt sah darin ein privates Veräußerungsgeschäft und unterwarf einen Veräußerungsgewinn von 57.658 € der Besteuerung. Die Klägerin machte eine Verletzung des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG geltend. Es müsse das Verhältnis der Ausgleichsleistung zum übernommenen Vermögen angesetzt werden.

Das FG wies die Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BFH das Urteil auf und gab der Klage statt.

Die Gründe:
Das FG war zu Unrecht davon ausgegangen, die Klägerin hätte die Hälfte des Grundstücks entgeltlich erworben, und verletzte damit § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG.

Die Klägerin erwarb durch den Erbfall zunächst nur einen Anteil an der Erbengemeinschaft und eben nicht einen Anteil am Grundbesitz. Hinterlässt ein Erblasser mehrere Erben, so geht sein Vermögen mit seinem Tode im Ganzen auf die Erben über und wird bei ihnen zu gemeinschaftlichem Vermögen gem. § 1922 Abs. 1, § 2032 Abs. 1 BGB. Das streitgegenständliche Grundstück ging also auf die Erbengemeinschaft über. Von dieser erwarb es schließlich die Klägerin, und zwar zu drei Viertel unentgeltlich.

Rechtsgrundlage für diesen Erwerb war das Vorausvermächtnis, mit dem die Erblasserin die Klägerin bedachte und mit dem sie die Erbengemeinschaft, bestehend aus der Klägerin und ihrer Schwester, belastete. In Erfüllung dieses Vermächtnisses gem. § 2174 BGB kam im April 2003 der Grundstücksübertragungsvertrag zustande, mit dem die Erbengemeinschaft der Klägerin das Grundstück übertrug.

Die Klägerin verwirklichte mit der Veräußerung des Grundstücks für 240.000 € ein nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG steuerbares Veräußerungsgeschäft nur insoweit, als sie das Grundstück aufgrund des Übertragungsvertrags in Erfüllung des Vermächtnisses entgeltlich erworben hatte. Dies geschah hier in Höhe von 25 %. Denn die Klägerin musste lediglich einen Betrag von 25 % des Verkehrswerts an die Miterbin zahlen. Damit war den Anschaffungskosten von 59.700 € ein anteiliger Veräußerungspreis von 60.000 € gegenüberzustellen, so dass sich unter Berücksichtigung von unstreitigen Veräußerungskosten kein Gewinn nach § 23 Abs. 3 EStG ergab.

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