29.02.2024

Zur teleologischen Reduktion des § 3c Abs. 2 EStG bei Zinszahlungen auf "unternehmensgruppeninterne" Darlehen

1. § 3c Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) findet im Wege teleologischer Reduktion in dem Umfang auf Betriebsausgaben der Gesamthand keine Anwendung, wie diese Sondervergütungen der Gesellschafter sind (Bestätigung von BFH-Urteil vom 06.02.2020 - IV R 5/18, BFHE 268, 199, BStBl II 2020, 448). Entsprechendes gilt für Sonderbetriebsausgaben des (Sonder-)Mitunternehmers, die Gesamthandseinkünfte der Gesellschaft sind. Maßgebend ist insoweit eine auf den Gesamtgewinn der Mitunternehmerschaft bezogene Betrachtung.
2. Bei mehrstöckigen Personengesellschaften oder Organschaften bleibt es bei der auf den Gesamtgewinn der konkreten Mitunternehmerschaft bezogenen Betrachtung des § 3c Abs. 2 EStG.

Kurzbesprechung
BFH v. 16.11.2023 - IV R 26/20

EStG § 3c Abs 2, § 3 Nr. 40, § 15 Abs 1 S 1 Nr. 2 S 2
KStG § 14 Abs 1 S 1


Streitig war, ob das FA in den Streitjahren 2002 und 2003 zu Recht Schuldzinsen, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Anteilen an einer GmbH angefallen waren, gemäß § 3c Abs. 2 EStG nur in Höhe von 50 % zum Sonderbetriebsausgabenabzug zugelassen hatte.

Nach § 3c Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 EStG dürfen (unter anderem) Betriebsausgaben, die mit den dem § 3 Nr. 40 EStG zugrundeliegenden Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, unabhängig davon, in welchem Veranlagungszeitraum die Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen anfallen, bei der Ermittlung der Einkünfte nur zur Hälfte abgezogen werden. Für die Annahme eines wirtschaftlichen Zusammenhangs der Betriebsausgaben mit den nach § 3 Nr. 40 EStG zum Teil steuerbefreiten Einnahmen reicht ein mittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang aus.

Soweit Aufwendungen vorrangig durch voll steuerpflichtige Einnahmen veranlasst sind, greift das Teilabzugsverbot des § 3c Abs. 2 EStG nicht ein, denn in diesem Fall kommt es nicht zu einer Doppelbegünstigung durch (teilweise) steuerfreie Einnahmen und gleichwohl (voll) abzugsfähige Aufwendungen.

Besteht ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit mehreren, zum Teil voll steuerpflichtigen und zum Teil nach § 3 Nr. 40 EStG teilweise steuerbefreiten Einnahmen und wurde der angefallene Aufwand nicht vorrangig durch eine der beiden Einnahmearten ausgelöst, ist er anteilig und im Rahmen einer wertenden Betrachtung entsprechend dem rechtlichen und wirtschaftlichen Gehalt des Gesamtvorgangs aufzuteilen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich ein Veranlassungszusammenhang im Lauf der Zeit ändern kann.

Im Streitfall bestand hinsichtlich der in Rede stehenden Zinsaufwendungen zwar unstreitig ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit dem Halbeinkünfteverfahren unterliegenden Sonderbetriebseinnahmen in Gestalt der Gewinnausschüttungen der GmbH. Gleichwohl findet das Halbabzugsverbot des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG im Wege teleologischer Reduktion auf die von den Gesellschaftern geleisteten Schuldzinsen keine Anwendung, denn diese haben sich nicht aufwandswirksam ausgewirkt.

§ 3c Abs. 2 Satz 1 EStG findet im Wege teleologischer Reduktion in dem Umfang auf Betriebsausgaben der Gesamthand keine Anwendung, wie diese Sondervergütungen der Gesellschafter sind. Wegen der vollständigen Hinzurechnung der Sondervergütungen auf der Ebene der Gesellschafter wirken sich die Betriebsausgaben nicht aufwandswirksam aus. Es wäre daher widersinnig, den Betriebsausgabenabzug der Gesellschaft gemäß § 3c Abs. 2 EStG teilweise zu kürzen. Denn das Halbabzugsverbot setzt voraus, dass sich die Ausgaben aufwandswirksam ausgewirkt haben.

Ist Anteilseigner und Ausschüttungsempfänger eine Mitunternehmerschaft, ist zu beachten, dass diese zwar Einkünfteermittlungssubjekt ist, die Einkommensteuersubjekte aber die an ihr beteiligten Mitunternehmer sind. Soll das Halbeinkünfteverfahren also einerseits dazu führen, dass (unter anderem) Gewinnausschüttungen aus einer betrieblichen Beteiligung, die im Gesamtgewinn (Gesamthands- oder Sonderbetriebsgewinn) der Mitunternehmerschaft enthalten sind, beim Mitunternehmer (anteilig) von der Steuer befreit sind (§ 3 Nr. 40 EStG), dass aber andererseits Ausgaben, die mit diesen beim Mitunternehmer (anteilig) freizustellenden Einnahmen im Zusammenhang stehen, ihrerseits nur anteilig zum Abzug zugelassen werden, ist zu berücksichtigen, dass Zinszahlungen der Gesellschaft an den Gesellschafter, der der Gesellschaft das Darlehen zum Erwerb der Beteiligung gewährt hat, bei diesem als Sondervergütung erfasst werden. Bezogen auf die Mitunternehmerschaft und ihren Gesamtgewinn haben sich die Zinszahlungen also nicht aufwandswirksam ausgewirkt, so dass eine Doppelbegünstigung, die § 3c Abs. 2 EStG vermeiden will, bezogen auf die Gesamthand nicht eingetreten sein kann.

Eine entsprechende teleologische Reduktion des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG ist auch im umgekehrten Fall geboten, das heißt wenn es um Zinszahlungen des Mitunternehmers an die Gesellschaft geht, die ihm ein Darlehen zum Erwerb der Beteiligung gewährt hat. Das Halbabzugsverbot des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG findet in dem Umfang auf Sonderbetriebsausgaben der Gesellschafter keine Anwendung, wie diese Betriebseinnahmen der Gesamthand sind. Auch in diesem Fall haben sich ‑ bezogen auf die Mitunternehmerschaft und deren Gesamtgewinn ‑ die Zinszahlungen nicht aufwandswirksam ausgewirkt, so dass eine Doppelbegünstigung, die § 3c Abs. 2 EStG vermeiden will, bezogen auf die Gesamthand nicht eingetreten sein kann.

Im Fall einer (im Streitfall gegebenen) Organschaft ist zu beachten, dass Organträger und Organgesellschaft zivil- und steuerrechtlich verschiedene Rechtsträger bleiben, d.h. sie haben ihr jeweiliges Einkommen selbständig zu ermitteln. Das Organeinkommen ist erst danach dem Organträger zuzurechnen. Die Zurechnung erfolgt nicht im Rahmen der Gewinnermittlung, sondern als Zurechnung fremden Einkommens zur Besteuerung. Das eigene Einkommen des Organträgers und das zuzurechnende Einkommen der Organgesellschaft bilden gemeinsam das vom Organträger zu versteuernde Einkommen.

Über die Zurechnung des Organeinkommens gehen zwar auch Zinserträge aus einem von der GmbH an die die Gesellschafter ausgereichte Darlehen letztlich gewinnerhöhend in das Gesamtergebnis ein. Die Zurechnung eines durch Zinszahlungen erhöhten fremden Einkommens kann jedoch die Annahme, die Zinsaufwendungen seien nicht aufwandswirksam geworden, nicht begründen. Dies gilt nicht nur bei der Zurechnung von Gewinnen aus einer Unter-Personengesellschaft, sondern erst recht bei der Zurechnung des Gewinns einer Organgesellschaft an den Organträger.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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