Zur Überentnahme bei Überführung eines Wirtschaftsguts in einen anderen betrieblichen Bereich
BFH 22.9.2011, IV R 33/08Die Klägerin betreibt in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG eine international tätige Spedition. An dem Gesellschaftsvermögen war zunächst der V. als alleiniger Kommanditist. Persönlich haftende Gesellschafterin ist die V-GmbH, deren Alleingesellschafter V. war. Dieser war zudem Alleineigentümer verschiedener Grundstücke, die an die Klägerin verpachtet sind und auf denen diese ihr Unternehmen betreibt. Die Grundstücke wurden im Sonderbetriebsvermögen des V. bei der Klägerin erfasst.
Im Juli 2000 übertrug V. je ein Fünftel seines Kommanditanteils an der Klägerin und ein Fünftel seines Gesellschaftsanteils an der V-GmbH sowie einen Miteigentumsanteil von je einem Fünftel der verpachteten Grundstücke unentgeltlich auf seine beiden Kinder. Die Grundstücke wurden ab Januar 2000 von der hierzu errichteten GbR an die Klägerin verpachtet. An dem Gesellschaftsvermögen der GbR sind V. mit drei Fünfteln und die Kinder mit je einem Fünftel beteiligt. Die GbR führte in ihrer Bilanz die Grundstücke mit den Werten fort, die V. in seiner Sonderbilanz zum 31.12.1999 angesetzt hatte. Im Dezember 2002 haben V. und die Kinder die Miteigentumsanteile in das Gesamthandsvermögen der GbR eingebracht.
In ihrem Jahresabschluss 2002 zog die Klägerin u.a. Zinsen für "kurzfristige Verbindlichkeiten" i.H.v. rund 2.917 € als Betriebsausgaben ab. Das Finanzamt erkannte die Schuldzinsen nach Maßgabe der §§ 4 Abs. 4a EStG und 7 S. 1 des GewStG nur i.H.d. Mindestabzugs von 2.050 € an. Den darüber hinausgehenden Betrag rechnete die Behörde (außerbilanziell) als nicht abziehbare Schuldzinsen dem Gewinn bzw. dem Gewerbeertrag hinzu. Die Übertragung der im Sonderbetriebsvermögen des V. bei der Klägerin bilanzierten Grundstücke habe zu einer Entnahme auf Seiten der Klägerin und korrespondierend dazu zu einer Einlage bei der GbR geführt. Durch diese Entnahme sei es zu Überentnahmen gekommen, so dass im Streitjahr Schuldzinsen nur in Höhe des Mindestabzugs abzugsfähig seien.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BFH das Urteil auf und gab der Klage statt.
Die Gründe:
Die Klägerin konnte die Schuldzinsen für "kurzfristige Verbindlichkeiten" in voller Höhe als Betriebsausgaben abziehen, da sie im Streitjahr 2002 und den drei Wirtschaftsjahren zuvor keine Überentnahmen i.S.d. § 4 Abs. 4a S. 1 u. 2 EStG getätigt hatte.
Die Begrenzung des Schuldzinsenabzugs nach § 4 Abs. 4a EStG ist betriebsbezogen auszulegen. Jede Überführung oder Übertragung eines Wirtschaftsguts aus dem betrieblichen Bereich des Steuerpflichtigen in einen anderen betrieblichen Bereich desselben oder eines anderen Steuerpflichtigen stellt grundsätzlich eine Entnahme beim abgebenden und eine Einlage beim aufnehmenden Betrieb i.S.d. § 4 Abs. 4a EStG dar. Die geänderte betriebsvermögensmäßige Zuordnung eines Wirtschaftsguts während des Bestehens einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung stellt dabei weder eine Entnahme beim abgebenden Betrieb noch eine Einlage beim aufnehmenden Betrieb i.S.d. § 4 Abs. 4a EStG dar, wenn der Vorgang zum Buchwert stattgefunden hat.
Infolgedessen hatte das FG zu Unrecht eine Entnahme i.S.d. § 4 Abs. 4a EStG bejaht, soweit die Grundstücke infolge der Entstehung einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung nunmehr dem Betriebsvermögen der GbR zuzuordnen waren. Das Grundstück war bereits seit Januar 2000 an die GbR zum Zwecke der Vermietung übergeben worden. Der Vertragsinhalt ließ nur den Rückschluss zu, dass die Grundstücke bis zum Abschluss des Einbringungsvertrags im Bruchteilseigentum der Kinder und des V. verblieben und der GbR nur zu Vermietungszwecken zur Verfügung gestellt wurde. Insofern führte die entgeltliche Verpachtung der Grundstücke durch die GbR an die Klägerin zur Begründung einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung. Die dadurch bedingte Bilanzierungskonkurrenz war dahin aufzulösen, dass die Grundstücke dem Sonderbetriebsvermögen der GbR zuzuordnen waren.
Die infolge der mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung veränderte Zuordnung der Miteigentumsanteile zum Sonderbetriebsvermögen der GbR führte nicht zu einer Entnahme i.S.d. § 4 Abs. 4a EStG bei der Klägerin, weil die veränderte Zuordnung nach der maßgeblichen Rechtslage im Zeitpunkt der Übergabe der Grundstücke an die GbR zum Zwecke der Vermietung (Juli 2000) nicht mit einer Aufdeckung der in den Grundstücken verhafteten stillen Reserven verbunden war. Auch die Übergabe der Grundstücke an die GbR zum Zwecke der Vermietung stellte sowohl für den V. als auch für die Kinder eine Überführung eines einzelnen Wirtschaftsguts, hier in Gestalt der Miteigentumsanteile an den Grundstücken, zwischen verschiedenen Sonderbetriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen bei verschiedenen Mitunternehmerschaften i.S.d. § 6 Abs. 5 S. 2 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 dar, die zwingend zum Buchwert erfolgte.
Auch die Übertragung der Miteigentumsanteile an den Grundstücken aus dem Sonderbetriebsvermögen der Mitunternehmer in das Gesamthandsvermögen der GbR mit Einbringungsvertrag von Dezember 2002 führte nicht zu einer Entnahme i.S.d. § 4 Abs. 4a EStG. Die unentgeltliche Übertragung erfolgte gem. § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 2 EStG ebenfalls zwingend zum Buchwert. Die Grundstücksübertragung in das Gesamthandsvermögen der GbR wirkte sich insoweit nicht über eine Gewinnzurechnung bei der Ermittlung der Überentnahmen i.S.d. § 4 Abs. 4a S. 2 EStG aus. Da trotz des Rechtsträgerwechsels die mitunternehmerische Betriebsaufspaltung und in deren Folge auch die Bilanzierungskonkurrenz fortbestand, lag keine Entnahme i.S.d. § 4 Abs. 4a EStG vor. Somit lagen ohne Berücksichtigung der Grundstücksübertragung im Streitjahr ausgehend von der Berechnung des FG keine Überentnahmen vor. Eine Hinzurechnung gem. § 4 Abs. 4a EStG war daher nicht vorzunehmen.
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