Zur Übertragung des Freibetrages für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf
BFH 27.10.2011, III R 42/07Der Kläger ist seit 2002 von seiner früheren Ehefrau, mit der er zwei gemeinsame Kinder hat, geschieden. Für das Streitjahr 2004 wurde er einzeln zur Einkommensteuer veranlagt. In seiner Einkommensteuererklärung gab er in der Anlage "Kind" als Adresse der Kinder eine Anschrift an, die mit der seiner geschiedenen Frau identisch war. Der Kläger wurde erklärungsgemäß unter Berücksichtigung von zwei Freibeträgen i.H.v. jeweils 2.904 € (1.824 € Kinderfreibetrag und 1.080 € Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf - BEA-Freibetrag -) veranlagt.
Am 7.10.2005 ging beim Finanzamt eine schriftliche Mitteilung des Wohnsitzfinanzamts der geschiedenen Ehefrau ein, wonach die BEA-Freibeträge für die beiden Kinder auf die Mutter übertragen worden seien, weil die Kinder nicht in der Wohnung des Vaters gemeldet seien. Der Kläger bestätigte die melderechtliche Situation gegenüber seinem Finanzamt. Dieses änderte daraufhin die Steuerfestsetzung und berücksichtigte die BEA-Freibeträge nicht mehr.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Es vertrat die Auffassung, dass die Vorschrift des § 32 Abs. 6 S. 6 Halbs. 2 EStG, die die Übertragung des BEA-Freibetrages regelt, verfassungsgemäß ist. Die Revision des Klägers hatte vor dem BFH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das FG hat zu Recht entschieden, dass der BEA-Freibetrag des Klägers gem. § 32 Abs. 6 S. 6 Halbs. 2 EStG auf die Kindesmutter zu übertragen war.
Der Senat ist von der Verfassungswidrigkeit dieser Regelung nicht i.S.d. Art. 100 Abs. 1 GG überzeugt. Bei minderjährigen Kindern wird der dem Elternteil, in dessen Wohnung das Kind nicht gemeldet ist, zustehende BEA-Freibetrag auf Antrag des anderen Elternteils auf diesen übertragen (§ 32 Abs. 6 S. 6 Halbs. 2 EStG). Diese Voraussetzungen für die Übertragung des BEA-Freibetrages auf die geschiedene Ehefrau des Klägers liegen vor, was zwischen den Beteiligten nicht streitig ist. Der Senat hatte die genannte Vorschrift auch anzuwenden, weil er sie nicht als verfassungswidrig ansieht.
Der BFH hat die unter denselben Voraussetzungen zulässige Übertragung des Betreuungsfreibetrages gem. § 32 Abs. 6 S. 7 Halbs. 2 EStG i.d.F. des Gesetzes zur Familienförderung vom 22.12.1999 für verfassungsgemäß erachtet (Urteil in BFHE 214, 120, BStBl II 2008, 352). Nach herrschender Meinung gilt für die Übertragung des mit dem Zweiten Gesetz zur Familienförderung vom 16.8.2001 eingeführten BEA-Freibetrages nichts anderes. Der Senat schließt sich der herrschenden Meinung an.
Nach dem zitierten Senatsurteil darf der Gesetzgeber typisierend davon ausgehen, dass das Kind in dem Haushalt des Elternteils, bei dem es gemeldet ist, aufgenommen ist und von diesem Elternteil umfassend betreut wird. Da dieser Elternteil im Regelfall einen höheren Betreuungsaufwand hat als der andere Elternteil, der das Kind ggf. an Wochenenden oder in den Schulferien betreut oder der Fremdbetreuungsleistungen (mit-)finanziert, ist es sachgerecht, den Betreuungsfreibetrag auf Antrag ausschließlich dem Elternteil, bei dem das Kind allein gemeldet ist, zu gewähren.
Die Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarfe eines Kindes sind auf praktikable Weise kaum zu trennen. Der umfassend betreuende Elternteil wird auch häufig überwiegend den nicht auf die Schule und ähnliche Institutionen, sondern auf die Eltern selbst entfallenden Ausbildungsbedarf eines minderjährigen Kindes befriedigen. So wird die Steuerentlastung bei dem Elternteil wirksam, der den im BEA-Freibetrag erfassten Aufwand nach der gesetzgeberischen Einschätzung im Großen und Ganzen überwiegend trägt und dessen Belastungssituation mit einer lediglich hälftigen Beteiligung an der kindbedingten Steuerentlastung nicht ausreichend Rechnung getragen würde.
Linkhinweis:
- Der Volltext ist auf der Homepage des BFH veröffentlicht.
- Um direkt zum Volltext der Entscheidung zu kommen, klicken Sie bitte hier.