13.07.2011

Zur Umsatzsteuer bei innergemeinschaftlichen Lieferungen im Binnenmarkt

Werden in einer Kette von Umsatzgeschäften tatsächlich Lieferungen ausgeführt, kann diesen im Regelfall erst aufgrund einer Täuschung über die Identität des Abnehmers die Steuerfreiheit versagt werden. Bei der Versendung durch einen vom Lieferer oder Abnehmer beauftragten Spediteur kann der Nachweis - entgegen der Verwaltungsauffassung - selbst dann durch einen sog. CMR-Frachtbrief geführt werden, wenn dieser nicht vom Auftraggeber unterschrieben ist.

BFH 17.2.2011, V R 28/10 u.a.
Der Sachverhalt:
+++ V R 30/10 +++
Die Klägerin ist eine AG. Sie hatte in den Streitjahren 1999 und 2000 von deutschen Firmen Mobiltelefone erhalten und lieferte diese innergemeinschaftlich an die Firmen in Italien und Österreich weiter. Der Geschäftsführer der Abnehmerfirmen wurde im August 2001 wegen Steuerhinterziehung zu einer Haftstrafe verurteilt, da er die oben genannten Firmen als Strohmannfirmen ausschließlich zum Zweck der Umsatzsteuerhinterziehung gegründet habe. De Klägerin habe die von den deutschen Firmen erworbenen Handys absprachegemäß unmittelbar an die österreichischen und italienischen Firmen weiterveräußert, von wo aus sie wieder in ein "Umsatzsteuer-Karussell" eingeschleust worden seien.

Infolgedessen hielt das Finanzamt die innergemeinschaftlichen Lieferungen für nicht steuerfrei und setzte entsprechend die Umsatzsteuer fest. Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab.

+++ V R 28/10 +++
Der Kläger handelt mit neuwertigen Pkw und führte in den Streitjahren 2001 und 2002 innergemeinschaftliche Lieferungen nach Italien aus. Im November 2003 teilte die italienische Staatsanwaltschaft den deutschen Behörden mit, dass die italienischen Geschäftspartner des Klägers bei innergemeinschaftlichen Erwerben von Fahrzeugen die Erwerbsteuer hinterzogen hätten. Die Firmen hätten ihre Tätigkeit jedenfalls nicht an ihrem jeweiligen Sitz in Italien ausgeübt. Die Verkäufer hätten von der Steuerhinterziehung zugunsten der drei Firmen gewusst.

Daraufhin wurde gegen den Kläger ein Steuerstrafverfahren eingeleitet. Im Anschluss daran ging das Finanzamt davon aus, dass die Steuerfreiheit für innergemeinschaftliche Lieferungen zu versagen sei und änderte die Umsatzsteuerbescheide für beide Streitjahre. Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage überwiegend statt. Es war der Ansicht, für die Lieferungen, bei denen Versendungen mit CMR-Frachtbriefen erfolgt seien, liege der Belegnachweis vor. Entgegen der Verwaltungsauffassung komme es hierfür nicht auf eine Unterzeichnung der Frachtbriefe durch den Absender an.

Auf die Revisionen in beiden Verfahren hob der BFH die erstinstanzlichen Urteile auf und wies die Sachen zu erneuten Verhandlungen und Entscheidungen an die FG zurück.

Die Gründe:
+++ V R 30/10 +++
Das FG hatte zu Unrecht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferungen und den Vorsteuerabzug im Hinblick auf ihre bloße Einbindung in ein Umsatzsteuer-Karussell verneint.

Das FG hatte die Klageabweisung darauf gestützt, dass bereits die "dolose Einbindung" in ein "Umsatzsteuer-Karussell" zur Steuerpflicht der innergemeinschaftlichen Lieferungen führe, da der Abnehmer nicht zutreffend bezeichnet worden sei, und es sich um Vorgänge gehandelt habe, die zur Umsatzsteuerhinterziehung stattgefunden hätten. Ähnlich wie beim Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 UStG setze die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung voraus, dass der tatsächliche Abnehmer und nicht ein zu Betrugszwecken vorgeschobener Leistungsempfänger (Scheingesellschaft) bezeichnet werde.

Diese Ansicht hielt einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Denn innergemeinschaftliche Lieferungen sind entgegen § 6a UStG umsatzsteuerpflichtig, wenn der Unternehmer die Identität seines Abnehmers verschleiert, um diesem die Hinterziehung der geschuldeten Umsatzsteuer zu ermöglichen (Anschluss an das EuGH-Urteil vom 7.12.2010 C-285/09, R). Werden also in einer Kette von Umsatzgeschäften tatsächlich Lieferungen ausgeführt, kann diesen im Regelfall erst aufgrund einer Täuschung über die Identität des Abnehmers die Steuerfreiheit versagt werden.

+++ V R 28/10 +++
Aufgrund der vom FG getroffenen Feststellungen konnte nicht entschieden werden, ob die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit innergemeinschaftlicher Lieferungen vorlagen.

Der Unternehmer, der die Steuerfreiheit für derartige Lieferungen in Anspruch nimmt, hat die Voraussetzungen der Steuerfreiheit durch Belege und Aufzeichnungen nachzuweisen. Bei einer Versendung durch einen vom Lieferer oder Abnehmer beauftragten Spediteur kann der Nachweis auch durch einen sog. CMR-Frachtbrief geführt werden.

Entgegen der Verwaltungsauffassung gilt dies auch dann, wenn der CMR-Frachtbrief nicht vom Auftraggeber unterschrieben ist. Hierzu kann etwa auch ein Vergleich mit anderen Versendungsbelegen herangezogen werden.

In der Sache war das Urteil der Vorinstanz allerdings aufzuheben und zur weiteren Aufklärung an das FG zurückzuweisen, da Unklarheiten hinsichtlich anderer Belegangaben bestanden.

Linkhinweis:

  • Den Volltext der Entscheidungen ist auf der Homepage des BFH veröffentlicht.
  • Um direkt zum Volltext von Az.: V R 28/10 zu gelangen, klicken Sie bitte hier.
  • Um direkt zum Volltext von Az.: V R 30/10 zu gelangen, klicken Sie bitte hier.
BFH PM Nr. 51 vom 13.7.2011
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