13.02.2012

Zur Umsatzsteuerpflicht bei der Überlassung von Tiefgaragenstellplätzen durch eine Gemeinde

Eine Gemeinde, die auf hoheitlicher Grundlage Stellplätze für Pkw in einer Tiefgarage gegen Entgelt überlässt, handelt als Unternehmer und erbringt steuerpflichtige Leistungen, wenn ihre Behandlung als Nichtsteuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde. Eine derartige Wettbewerbsverzerrung liegt auch vor, wenn eine Gemeinde Stellplätze zwar öffentlich-rechtlich auf einer öffentlich-rechtlich gewidmeten "Straße" überlässt, es sich hierbei jedoch um Flächen einer Tiefgarage handelt (Rechtsprechungsänderung).

BFH 1.12.2011, V R 1/11
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine Gemeinde. Sie hatte auf Grund einer Widmungsverfügung von Juli 2000 in der Tiefgarage B "die Stellplätze 4 bis 39" als Gemeindestraße gewidmet. I.Ü. galt eine Widmung von Juni 1982 fort, nach der die Tiefgarage als "öffentlich-rechtliche Sache" gewidmet worden war. Dabei wurde der Gemeingebrauch dahingehend beschränkt, dass die "Tiefgarage" - mit Ausnahme einzelner Stellplätze, die erst im Jahr 2000 gewidmet wurden - als "öffentliche Parkfläche" genutzt werden konnte.

In der Tiefgarage galt ein Parkverbot. Nach §§ 45, 13 StVO i.V.m. einer öffentlich-rechtlichen Gebührenordnung für Parkuhren gestattete die Klägerin die Nutzung der Tiefgarage zum Parken von Pkw, wofür sie im Streitjahr 2001 Parkgebühren über Parkautomaten erhob. Dabei war die Nutzung in den ersten 15 Minuten kostenfrei und danach entsprechend der Parkdauer und ohne zeitliche Beschränkung kostenpflichtig. Die Gebührenpflicht bestand Montag bis Freitag von 9 bis 17 Uhr und an Samstagen von 10 bis 13 Uhr; i.Ü. war die unentgeltliche Nutzung gestattet.

Im Anschluss an eine Außenprüfung ging das Finanzamt davon aus, dass die Klägerin mit dem Betrieb der Tiefgarage einen Betrieb gewerblicher Art unterhalten und dabei umsatzsteuerpflichtige Leistungen erbracht habe und erließ einen entsprechenden Umsatzsteueränderungsbescheid für das Streitjahr (2001).

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Auf die Revision des Finanzamts hob der BFH das Urteil auf und wies die Klage ab.

Die Gründe:
Entgegen der Auffassung des FG war die Klägerin mit Überlassung von Stellplätzen als Unternehmer tätig und erbrachte umsatzsteuerpflichtige Leistungen.

Die Umsatzbesteuerung juristischer Personen des öffentlichen Rechts richtet sich nach § 2 Abs. 3 S. 1 UStG 1999 i.V.m. § 4 KStG unter Berücksichtigung von Art. 4 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG. Eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist Unternehmer, wenn sie eine wirtschaftliche und damit eine nachhaltige Tätigkeit zur Erbringung entgeltlicher Leistungen (wirtschaftliche Tätigkeit) ausübt, die sich innerhalb ihrer Gesamtbetätigung heraushebt. Erfolgt ihre Tätigkeit auf öffentlich-rechtlicher Grundlage, z.B. durch Verwaltungsakt, ist sie allerdings nur Unternehmer, wenn eine Behandlung als Nichtunternehmer zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde.

Im Streitfall hat die Klägerin bei der Parkraumüberlassung in der Tiefgarage nach §§ 45, 13 StVO zwar auf hoheitlicher Grundlage gehandelt, ihre Behandlung als Nichtunternehmer würde jedoch zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen. Nach dem EuGH-Urteil vom 16.9.2008 (C-288/07) sind "größere" Wettbewerbsverzerrungen nur dann zu verneinen, wenn "die Behandlung öffentlicher Einrichtungen als Nichtsteuerpflichtige lediglich zu unbedeutenden Wettbewerbsverzerrungen führen würde". Es ist daher für die Behandlung einer auf öffentlich-rechtlicher Grundlage tätigen juristischen Person des öffentlichen Rechts nicht erforderlich, dass "erhebliche" oder "außergewöhnliche" Wettbewerbsverzerrungen vorliegen.

Es ist vorliegend davon auszugehen, dass eine Tiefgarage gegenüber den dem allgemeinen Verkehr dienenden Straßenflächen eine eigenständige Bedeutung hat, so dass von einer selbständigen Parkplatzfläche auszugehen ist, die i.Ü. nach der Art der Tätigkeit ebenso durch einen privaten Leistungsanbieter zur Nutzung überlassen werden kann. Die Nichtbesteuerung des auf hoheitlicher Grundlage durchgeführten Betriebs einer gebührenpflichtigen Tiefgarage würde zu mehr als nur unbedeutenden Wettbewerbsverzerrungen führen, da bei einer nach der Art der Leistung vorzunehmenden Wettbewerbsprüfung nicht zwischen Tiefgaragen, Parkhäusern und anderen selbständigen Parkplatzflächen zu differenzieren ist.

Soweit der Senat demgegenüber in seinem Urteil vom 27.2.2003 (V R 78/01) davon ausgegangen ist, dass allgemein für die nach §§ 45, 13 StVO erfolgende Parkplatzüberlassung kein wettbewerbsrelevanter Markt bestehe, hält der Senat hieran im Hinblick auf das EuGH-Urteil nicht fest (Änderung der Rechtsprechung). Das Urteil des FG war demnach aufzuheben und die Klage abzuweisen.

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