09.06.2022

Zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung eines bei Überlassung von elektronischen Zahlungskarten erhobenen Kartenpfandes

Bei dem im Rahmen eines bargeldlosen Zahlungssystems für die Überlassung elektronischer Zahlungskarten in Stadien erhobenen Kartenpfand handelt es sich nicht um pauschalierten (durch die Kartenrückgabe auflösend bedingten) Schadensersatz, sondern um eine steuerbare sonstige Leistung, die nach § 4 Nr. 8 Buchst. d UStG als Umsatz im Zahlungs- und Überweisungsverkehr steuerfrei ist, wenn der leistende Unternehmer selbst die Übertragung von Geldern vornimmt.

Kurzbesprechung
BFH v. 26.1.2022 - XI R 19/19 (XI R 12/17)

UStG § 1 Abs 1 Nr. 1 S 1, § 3 Abs 1, § 3 Abs 9, § 4 Nr. 8 Buchst d
EGRL 112/2006 Art 135 Abs 1 Buchst d
BGB § 241 Abs 2, § 280 Abs 1 S 1, § 823 Abs 1, § 989, § 990 Abs 1 S 1


Nach einer beim Steuerpflichtigen durchgeführten Außenprüfung, die die Jahre 2007 bis 2012 umfasste, vertrat der Prüfer die Auffassung, dass es sich bei den Erlösen aus dem Kartenpfand um steuerpflichtige Umsätze aus der Lieferung von Gegenständen handele, die dem Regelsteuersatz unterlägen. Soweit E-Karten gegen Auszahlung des Pfandbetrags innerhalb der zweijährigen Rücktauschfrist zurückgegeben worden seien, sei der geschuldete Steuerbetrag nach § 17 UStG zu berichtigen. Die dagegen erhobene Klage blieb erfolglos.

Der BFH hält dagegen die Revision des Steuerpflichtigen für zulässig und begründet, verwies den Streitfall jedoch an die Vorinstanz zurück.

Das hingegebene Pfand in Höhe von 2 € ist kein nicht umsatzsteuerbarer pauschalierter Schadensersatz, der durch die Rückgabe der überlassenen Karte auflösend bedingt ist, sondern ein steuerbarer Umsatz i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG. Ob die Voraussetzungen für einen Leistungsaustausch vorliegen, ist dabei nicht nach zivilrechtlichen, sondern ausschließlich nach den vom Unionsrecht geprägten umsatzsteuerrechtlichen Maßstäben zu beurteilen Es stellt eine unionsrechtliche ‑‑unabhängig von der Beurteilung nach nationalem Recht zu entscheidende‑‑ Frage dar, ob die Zahlung eines Entgelts als Gegenleistung für die Erbringung von Leistungen erfolgt. Dagegen sind Entschädigungen oder Schadensersatzzahlungen grundsätzlich kein Entgelt im Sinne des Umsatzsteuerrechts, wenn die Zahlung nicht für eine Leistung an den Zahlenden erfolgt, sondern weil der Zahlende nach Gesetz oder Vertrag für einen Schaden und seine Folgen einzustehen hat.

Im Streitfall war das FG zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei dem für die E-Karte hingegebenen Pfand in Höhe von 2 € um keinen pauschalierten Schadensersatz handelt. Das FG war bei der Überlassung der E-Karte gegen Zahlung eines Kartenpfandes in Höhe von 2 € jedoch von einer selbständigen Lieferung i.S. des § 3 Abs. 1 Satz 1 UStG ausgegangen. Dies sieht der BFH jedoch anders, da das FG bei seiner Würdigung des Sachverhalts nicht hinreichend berücksichtigt hatte, dass das Interesse der Karteninhaber ausschließlich auf die bargeldlose Zahlung (als Bedingung eines Erwerbs von z.B. Getränken) in den Stadien gerichtet war.

Ist das Interesse des Karteninhabers weder auf den Erwerb der E-Karte an sich noch auf das Wechseln von Bargeld in elektronisches Guthaben gerichtet, sondern auf den entgeltlichen Zugang zum bargeldlosen Zahlungsverkehr in den Stadien, berücksichtigt die Wertung des FG, dass die Kartenüberlassung eine eigenständige Lieferung i.S. des § 3 Abs. 1 UStG sei, die Interessenlage der Karteninhaber nicht zutreffend. Die Überlassung der E-Karte gegen ein Kartenpfand und die dem Karteninhaber dadurch eröffnete Möglichkeit, in den Stadien bargeldlos zu zahlen, sind so eng miteinander verbunden, dass sie objektiv einen einzigen untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang bilden, dessen Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Danach liegt eine einheitliche Leistung, dessen dominierender Bestandteil die in den Stadien eröffnete bargeldlose Zahlungsmöglichkeit ist (eine sonstige Leistung i.S. des § 3 Abs. 9 Satz 1 UStG), vor.

Diese sonstigen Leistungen der B i.S. des § 3 Abs. 9 Satz 1 UStG sind nach § 4 Nr. 8 Buchst. d UStG umsatzsteuerfrei. Die erbrachte Leistung bewirkte hinsichtlich des beim Karteninhaber ab- und beim Caterer oder B zugebuchten Geldbetrags als solche die rechtlichen und finanziellen Änderungen, die steuerbefreite Leistungen als Umsatz im Zahlungsverkehr nach § 4 Nr. 8 Buchst. d UStG auszeichnen. Das eröffnete (automatisierte) Zahlungssystem beinhaltete sowohl die Prüfung, ob Guthaben in Höhe der Zahlung auf der E-Karte verfügbar war, als auch die Freigabe, den betreffenden Geldbetrag nach Weisung des Karteninhabers von der E-Karte ab und zuzubuchen, so dass durch die in Rede stehende Leistung die Übertragung eines Geldbetrags erwirkt wurde.

Die Zurückverweisung an das FG erfolgte, weil das FG hat bisher keine Feststellungen zum Vorsteuerabzug getroffen hatte. Denn wenn die in Rede stehenden Umsätze entgegen der Vorentscheidung nach § 4 Nr. 8 Buchst. d UStG steuerfrei sind, ist insoweit der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ausgeschlossen.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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