02.09.2015

Zur unterschiedlichen Besteuerung von Dividendeneinkünften der Muttergesellschaften eines steuerlichen Konzerns

Die unterschiedliche Besteuerung von Dividendeneinkünften der Muttergesellschaften eines steuerlichen Konzerns nach Maßgabe des Ortes der Niederlassung der Tochtergesellschaften verstößt gegen das Unionsrecht. Eine solche unterschiedliche Behandlung beeinträchtigt ungerechtfertigt die Niederlassungsfreiheit.

EuGH 2.9.2015, C-386/14
Hintergrund:
Nach französischem Recht können die Dividendeneinkünfte einer Muttergesellschaft aus Beteiligungen, die sie an anderen Gesellschaften hält, von ihrem Nettogesamtgewinn abgezogen werden und sind somit vorbehaltlich eines Anteils von 5 Prozent steuerbefreit, der den Ausgaben und Aufwendungen entspricht, die sich auf die Beteiligungen beziehen. Stammen die Dividenden jedoch von Gesellschaften eines steuerlichen Konzerns, kann der Anteil für Ausgaben und Aufwendungen von dem Gewinn abgezogen werden, so dass die Dividenden letztlich keiner Steuer unterliegen.

Da nur Gesellschaften mit Sitz in Frankreich einem solchen Steuerkonzern angehören können, schließt die in Rede stehende Regelung die Muttergesellschaften, die Tochtergesellschaften in anderen Mitgliedstaaten halten, von der vollständigen Steuerbefreiung der bezogenen Dividenden aus. Stammen die Dividenden von in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Tochtergesellschaften, ist nämlich die Möglichkeit eines Abzugs des Anteils nicht vorgesehen, was zur Folge hat, dass die Dividenden i.H.v. 5 Prozent besteuert bleiben.

Der Sachverhalt:
Die zur Steria-Gruppe gehörende Gesellschaft Steria hält Beteiligungen an Tochtergesellschaften, die sowohl in Frankreich als auch in anderen Mitgliedstaaten ansässig sind. Sie ist der Ansicht, dass die französische Regelung gegen die im Unionsrecht verankerte Niederlassungsfreiheit verstößt, da ihr der Abzug des Anteils für Ausgaben und Aufwendungen bei den von ihren in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Tochtergesellschaften ausgeschütteten Dividenden verweigert wird, während sie diesen Abzug vornehmen könnte, wenn die Tochtergesellschaften ihren Sitz in Frankreich hätten.

Das mit der Sache befasste französische Gericht hat dem EuGH diese Frage im Wege des Vorabentscheidungsersuchens vorgelegt.

Die Gründe:
Die durch die französische Regelung eingeführte unterschiedliche Behandlung ist nicht mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar.

Die Regelung benachteiligt die Muttergesellschaften, die in anderen Mitgliedstaaten ansässige Tochtergesellschaften halten, wodurch es für diese Gesellschaften weniger attraktiv werden kann, von ihrer Niederlassungsfreiheit Gebrauch zu machen, weil sie davon abgehalten werden, in anderen Mitgliedstaaten Tochtergesellschaften zu gründen.

Diese ungleiche Behandlung ist nur dann mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar, wenn sie Situationen betrifft, die nicht objektiv vergleichbar sind, oder durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist. Die Situation der Gesellschaften eines steuerlichen Konzerns ist mit der Situation von Gesellschaften, die einem solchen Konzern nicht angehören, insofern vergleichbar, als in beiden Fällen die Muttergesellschaft die mit ihrer Beteiligung an ihrer Tochtergesellschaft verbundenen Ausgaben und Aufwendungen trägt.

Die unterschiedliche Behandlung ist nicht durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses wie das Erfordernis, die Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten zu wahren, gerechtfertigt. Diese unterschiedliche Behandlung bezieht sich nämlich nur auf ausländische Dividenden, die von gebietsansässigen Muttergesellschaften bezogen werden, so dass die Steuerhoheit ein und desselben Mitgliedstaats betroffen ist.

Ebenso wenig kann die Notwendigkeit, die Kohärenz des in Rede stehenden Steuersystems zu wahren, als zwingender Grund des Allgemeininteresses ins Treffen geführt werden, da die in Rede stehende französische Regelung für die Muttergesellschaft eines steuerlichen Konzerns zu keinem steuerlichen Nachteil führt, der den ihr gewährten Steuervorteil (vollständige Steuerbefreiung für Dividenden) ausgleicht.

Linkhinweis:

Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.

EuGH PM Nr. 92 vom 2.9.2015
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