27.08.2018

Zur Verfassungskonformität gewerbesteuerrechtlicher Hinzurechnungen

Die der Höhe nach unterschiedliche gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung von Miet- und Pachtzinsen für bewegliche und unbewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens und von Aufwendungen für die zeitlich befristete Überlassung von Rechten nach § 8 Nr. 1 Buchst. d, e und f GewStG muss nicht einem strikten Folgerichtigkeitsgebot genügen. Die Fiktion eines in Miet-/Pachtzinsen und in Aufwendungen für Rechteüberlassung enthaltenen Finanzierungsanteils zwingt den Gesetzgeber nicht dazu, die entsprechenden Hinzurechnungstatbestände an einem typischen, realitätsgerechten Zinsniveau auszurichten.

BFH 14.6.2018, III R 35/15
Der Sachverhalt:

Die Klägerin betreibt Hotels. Die Hotelgrundstücke gehören nicht ihr selbst, sie sind angemietet. Die Klägerin erwirtschaftete im Streitjahr 2008 einen handelsrechtlichen Verlust von rd. 8,8 Mio. €, der einem nach § 7 GewStG anzusetzenden Verlust von rd. 3,4 Mio. € entspricht. Ihr entstanden Aufwendungen für Schuldzinsen (rd. 15.000 €), für Miet-/Pachtzinsen für bewegliche und unbewegliche Wirtschaftsgüter (rd. 10.000 € bzw. rd. 60.0000 €) und für Lizenzgebühren (rd. 460.000 €). Die Aufwendungen führten zu gewerbesteuerrechtlichen Hinzurechnungen nach § 8 Nr. 1 Buchst. a, d, e und f GewStG, die sich auf rd. 3.700 € (Schuldentgelte), rd. 503.000 € (Miet-/Pachtzinsen für bewegliche Wirtschaftsgüter), rd. 9.600 € (Miet-/Pachtzinsen für unbewegliche Wirtschaftsgüter) und rd. 29.000 € (Lizenzen etc.) beliefen.

Nach Abzug des Freibetrages von 100.000 € ergab sich eine Summe der Hinzurechnungen von rd. 10,1 Mio. €, die das Finanzamt in dieser Höhe berücksichtigte. Aufgrund eines Verlustabzugs gem. § 10a GewStG ergab sich ein Gewerbeertrag von rd. 2,28 Mio. € und ein Messbetrag von rd. 80.000 €, den das Finanzamt durch einen geänderten Gewerbesteuermessbescheid festsetzte. Außerdem erließ es einen geänderten Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes zum 31.12.2008. Die Klägerin wendet gegen den Mess- und den Feststellungsbescheid. Sie machte verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Hinzurechnungen geltend.

Das FG wies die Klage ab. Die Revision der Klägerin hatte vor dem BFH keinen Erfolg.

Die Gründe:

Die vom Finanzamt vorgenommenen Hinzurechnungen nach § 8 Nr. 1 Buchst. a, d, e und f GewStG sind rechtmäßig. Die Hinzurechnungsvorschriften stehen nicht in Widerspruch zur Verfassung. Es besteht kein Anlass für eine Richtervorlage nach Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG.

Die Hinzurechnung eines Teils der Entgelte für Schulden, der Miet- und Pachtzinsen für bewegliche und unbewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens sowie der Aufwendungen für die zeitlich befristete Überlassung von Rechten nach § 8 Nr. 1 Buchst. a, d, e und f GewStG ist durch den Objektsteuercharakter des GewStG bedingt. Dieser besagt, dass die Steuer an das Objekt "Gewerbebetrieb" anknüpft, losgelöst von den Beziehungen zu einem bestimmten Rechtsträger. Ausdruck dieser Verobjektivierung sind die in den §§ 8 und 9 GewStG vorgesehenen Hinzurechnungen und Kürzungen, die dem Objektsteuercharakter immanent sind und sich vom subjektiven Leistungsgedanken abheben.

Die gegen die Gewerbesteuer als solche und insbesondere gegen die Hinzurechnungen vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken haben vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BVerfG keinen Bestand. Das BVerfG sieht die Gewerbesteuer in seiner Rechtsprechung mit ihrer Verankerung in Art. 106 Abs. 6 GG sowie Art. 28 Abs. 2 S. 3 Halbs. 2 GG und ihrer Grundstruktur und herkömmlichen Ausgestaltung als verfassungsrechtlich gerechtfertigt an. Sie ist eine vornehmlich auf den Ertrag des Gewerbebetriebs gerichtete Objektsteuer. Die damit einhergehenden Korrekturen des Gewinns, der sich nach den Grundsätzen des Einkommen- oder Körperschaftsteuerrechts ergibt (§ 7 GewStG), um Hinzurechnungen und Kürzungen, sind nach derzeitiger Rechtslage die Konsequenz des Objektsteuercharakters. Die von den Hinzurechnungsvorschriften ausgehenden Belastungen sind von der verfassungsrechtlichen Legitimität der Gewerbesteuer erfasst und im Grundsatz hinzunehmen.

Die Besonderheiten der Gewerbesteuer als Objektsteuer können dazu führen, dass ertraglose Betriebe belastet werden. Diese Belastungen sind hinzunehmen und verstoßen nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, ebenso wenig gegen Art. 12 und 14 GG. Ein Gleichheitsverstoß kann auch nicht daraus abgeleitet werden, dass im Streitfall die Klägerin, die mit gemietetem Grundbesitz wirtschaftet, wegen der Hinzurechnungsvorschriften einer höheren Gewerbesteuerbelastung unterliegt als ein vergleichbarer Gewerbetreibender, der mit eigenem Sachkapital arbeitet. Die Entscheidung des Gesetzgebers, nur Gewerbetreibende i.S.v. § 15 EStG mit Gewerbesteuer zu belasten und Steuerpflichtige, die Einkünfte aus selbständiger Arbeit oder aus Land- und Forstwirtschaft beziehen, zu verschonen, betrifft den Steuergegenstand, bei dem der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungs- und Einschätzungsspielraum hat. Es genügt, wenn sich die Hinzurechnungsvorschriften folgerichtig in das Konzept einer ertragsorientierten Objektsteuer einfügen lassen.

Auch wenn der Gesetzgeber mit dem UntStRefG 2008 die Hinzurechnungstatbestände für die Geld- und Kapitalüberlassung zusammenfassen und vereinheitlichen wollte, muss die der Höhe nach unterschiedliche Hinzurechnung von Miet- und Pachtzinsen für bewegliche und unbewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens oder für die zeitlich befristete Überlassung von Rechten nicht einem strikten Folgerichtigkeitsmaßstab genügen. Auch sind hinsichtlich der Höhe der Hinzurechnungen die strengen Vorgaben des BVerfG zu gesetzlichen Typisierungen nicht einschlägig. Die Fiktion eines Finanzierungsanteils, der in Miet- und Pachtzinsen für bewegliche und unbewegliche Wirtschaftsgüter und auch in Lizenzgebühren enthalten sei, zwingt den Gesetzgeber nicht dazu, die entsprechenden Hinzurechnungstatbestände an einem typischen, realitätsgerechten Zinsniveau auszurichten.

Der Gesetzgeber war auch nicht gehalten, die differierenden Finanzierungsanteile bei der Vermietung und Verpachtung von beweglichen und unbeweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens (§ 8 Nr. 1 Buchst. d und e GewStG) und auch bei der Rechteüberlassung (§ 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG) so auszugestalten und aufeinander abzustimmen, dass bei einer Gegenüberstellung der einzelnen Hinzurechnungstatbestände von realitätsgerechten Zinsanteilen gesprochen werden kann. Ebenso wenig brauchte er den jeweiligen Zinsanteil nach einem marktüblichen Zins auszurichten oder gar von ihm abhängig zu machen. Letztlich besteht auch kein Anlass für eine Richtervorlage aufgrund rückwirkender Gesetzesanwendung. Zwar hatte die erstmalige Hinzurechnung von Miet- und Pachtzinsen für unbewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens nach § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG ab dem Erhebungszeitraum 2008 erhebliche Auswirkungen auf das Unternehmenskonzept der Klägerin. Die Nichteinbeziehung von Miet- /Pachtzinsen für unbewegliche Wirtschaftsgüter nach der bis einschließlich Erhebungszeitraum 2007 geltenden Rechtslage verschaffte ihr jedoch keine gefestigte, schützenswerte Vermögensposition, die einer Anwendung der neuen Gesetzeslage entgegen stehen würde.

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