07.10.2020

Zur Verfassungsmäßigkeit der Abzugs- und Rücktragsbeschränkung für Spenden und Mitgliedsbeiträge

Die Vorschrift des § 10b Abs. 1 Sätze 9 und 10 EStG in der im Jahr 2016 gültigen Fassung ist nach Überzeugung des erkennenden Senats mit Art. 3 GG vereinbar. Dass § 10b Abs. 1 EStG nicht jedem Einzelsachverhalt gerecht wird und damit auch nicht der vorliegenden Sachverhaltsbesonderheit, bei der die beim Rechtsvorgänger noch nicht als Sonderausgaben berücksichtigten Zuwendungen nach dessen Tod wegen fehlender Rücktragsmöglichkeit endgültig keine Berücksichtigung mehr finden können, widerspricht nicht dem Gleichheitsgrundsatz.

FG Münster v. 27.8.2020 - 5 K 3940/18 E,F
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Gesamtrechtsnachfolger seiner im April 2018 verstorbenen Tante. Diese hatte in ihrer Einkommensteuererklärung für 2016 u.a. Spenden und Mitgliedsbeiträge zur Förderung steuerbegünstigter Zwecke i.H.v. 7.820 € erklärt. Am 1.2.2018 reichte sie weitere Spendenquittungen nach, so dass sich die Spenden und Mitgliedsbeiträge i.S.v. § 10b Abs. 1 EStG auf insgesamt 10.390 € beliefen.

Am 27.03.2018 erließ das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid 2016 gleichzeitig mit einem Bescheid über die gesonderten Feststellungen von Besteuerungsgrundlagen, die im Zusammenhang mit der Einkommensteuerfestsetzung durchzuführen sind. Die nach § 10b EStG geltend gemachten Beträge (die o.g. Spenden und Mitgliedsbeiträge) erkannte es an und ließ sie bei der Einkommensteuerveranlagung gem. § 10b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG i.H.v. 20% des Gesamtbetrags der Einkünfte, also i.H.v. 9.960 € zum Abzug zu. Die Behörde stellte den verbleibenden Zuwendungsvortrag nach § 10b Abs. 1 EStG auf den 31.12.2016 i.H.v. 38.055 € fest. Dieser errechnete sich wie folgt: Verbleibender Zuwendungsvortrag zum 31.12.2015 i.H.v. 37.625 € zzgl. in 2016 geleistete Zuwendungen nach § 10b EStG i.H.v. 10.390 € abzüglich für 2016 abgezogene Zuwendungen i.H.v. 9.960 €.

Später ergänzte das Finanzamt unter Hinweis auf das BFH-Urteil Az.: X R 44/05, dass seit der Änderung der Rechtslage ab dem Veranlagungszeitraum 2007 steuerlich nicht berücksichtigte Zuwendungen nur noch vorgetragen werden könnten. Ein Zuwendungsrücktrag sei hingegen nicht mehr möglich. Da die Zuwendungen bis zum Tod der Tante nicht mehr in voller Höhe hätten abgezogen werden können, sei der nicht aufgebrauchte Zuwendungsvortrag damit verloren, weil er nicht auf den Erben übergehen könne. Der Kläger vertrat hingegen die Auffassung, dass darin ein nicht hinnehmbarer Wertungswiderspruch und eine Ungleichbehandlung gegenüber dem praktisch freien Wahlrecht für Verlustabzüge nach § 10d EStG 2018 liege.

Das FG wies die Klage auf Feststellung, dass auf den 31.12.2016 ein unbegrenzt rücktragsfähiger Zuwendungsüberschuss i.H.v. 38.055 € festgestellt wird, ab.

Die Gründe:
Die Vorschrift des § 10b Abs. 1 Sätze 9 und 10 EStG in der im Jahr 2016 gültigen Fassung ist nach Überzeugung des erkennenden Senats mit Art. 3 GG vereinbar.

Der erkennende Senat teilt die Auffassung des Finanzamtes, dass die Gegenüberstellung von Verlusten und Zuwendungen keine geeigneten Vergleichsgruppen darstellen. Einzige Gemeinsamkeit ist die steuerliche Abzugsfähigkeit von Verlusten und Zuwendungen. Im Übrigen handelt es sich jedoch um gänzlich unterschiedliche Sachverhalte. Verluste sind erwerbsbedingte Aufwendungen, die dem objektiven Nettoprinzip zuzurechnen sind, wohingegen Zuwendungen dem subjektiven Nettoprinzip zugerechnet werden. Bei Zuwendungen handelt es sich im Gegensatz zu Verlusten um freiwillig getragene Aufwendungen.

Dass § 10b Abs. 1 EStG nicht jedem Einzelsachverhalt gerecht wird und damit auch nicht der vorliegenden Sachverhaltsbesonderheit, bei der die beim Rechtsvorgänger noch nicht als Sonderausgaben berücksichtigten Zuwendungen nach dessen Tod wegen fehlender Rücktragsmöglichkeit endgültig keine Berücksichtigung mehr finden können, widerspricht ebenfalls nicht dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Der Gesetzgeber darf nämlich bei der Ausgestaltung der mit der Wahl des Steuergegenstandes getroffenen Belastungsentscheidung generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne allein schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist er berechtigt, die Vielzahl von Einzelfällen in dem Gesamtbild zu erfassen, das nach den ihm vorliegenden Erfahrungen die regelungsbedürftigen Sachverhalte zutreffend wiedergibt.
FG Münster online
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