Zur Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung zur Umgliederung des vEK beim Übergang vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren
BFH 20.4.2011, I R 65/05Die Klägerin ist eine GmbH. Für sie wurden zum 31.12.2000 die Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals (vEK) wie folgt festgestellt: mit 45 % Körperschaftsteuer belastetes vEK (EK 45) = 422.164 DM; mit 40 % Körperschafteuer belastetes vEK (EK 40) = 778 DM; nicht mit Körperschaftsteuer belastetes vEK (EK 02) = ./. 174.273 DM. Das Finanzamt erließ zum 31.12.2001 zusammengefasste Bescheide über die gesonderte Feststellung der Endbestände gem. § 36 Abs. 7 KStG 1999 i.d.F. des StSenkG vom 23.10.2000 und die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gem. § 27 Abs. 2, § 28 Abs. 1 S. 3 und § 38 Abs. 1 KStG 1999 i.d.F. des StSenkG.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab, die Klägerin legte gegen das Urteil Revision ein. Nachdem das BVerfG die Regelungen zum Übergang vom Anrechnungsverfahren in das Halbeinkünfteverfahren für zumindest teilweise verfassungswidrig befunden hatte (Beschl. v. 17.11.2009, Az.: 1 BvR 2192/05), wurde § 36 KStG 1999 i.d.F. des StSenkG durch das JStG 2010 geändert. Das Finanzamt trug im vorliegenden Fall dieser Änderung in geänderten Bescheiden Rechnung. Die Klägerin war der Ansicht, dass § 36 KStG 2002 i.d.F. des JStG 2010 ebenfalls nicht mit dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz vereinbar sei.
Der BFH hob zwar das FG-Urteil auf, da es sich auf Verwaltungsakte bezogen hatte, die durch die während des Revisionsverfahrens erlassenen Änderungsbescheide wirkungslos wurden. Dennoch wies es die Klage ab.
Die Gründe:
Die streitgegenständlichen Bescheide waren rechtmäßig. Die in § 36 Abs. 4 KStG 2002 n.F. getroffene Regelung ist mit dem GG vereinbar. Sie verstößt weder gegen Art. 3 Abs. 1 GG noch gegen die durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährleistete Eigentumsgarantie oder gegen Art. 2 Abs. 1 GG.
Das BVerfG sah die in § 36 Abs. 4 KStG 1999 i.d.F. des StSenkG vorgesehene Verrechnung von negativem EK 02 mit positivem belastetem vEK im Grundsatz für sachgerecht und nur insoweit als dem Gleichheitssatz widersprechend an, als ein negatives EK 02 auf der in § 36 Abs. 3 KStG 1999 i.d.F. des StSenkG angeordneten Umgliederung beruht. In diesem Sinn wurde die Entscheidung nicht nur im Schrifttum verstanden, sondern sie wird auch dadurch gestützt, dass das BVerfG in seiner gesamten Argumentation stets nur die Umgliederung des EK 45 in das EK 40 und deren Folgen im Blick hatte.
Letztlich führte das BVerfG aus, dass die Klägerin des bei ihm geführten Verfahrens von einer Verrechnung von "originärem" negativem EK 02 nur in geringem Umfang betroffen sei. Dies wäre allerdings nicht verständlich, wenn es über die Folgen der Umgliederung hinaus auch die Verrechnung eines negativen EK 02 generell hätte beanstanden wollen. Im Ergebnis musste seine Entscheidung folglich dahin verstanden werden, dass es einer Prüfung am Maßstab des Gleichheitssatzes standhält, wenn schon vor der Umgliederung vorhandenes negatives EK 02 nach Maßgabe des § 36 Abs. 4 KStG 1999 i.d.F. des StSenkG mit belastetem vEK verrechnet werden soll.
Der erkennende Senat schloss sich dieser Beurteilung an. Denn es ist davon auszugehen, dass die nunmehr geltende Regelung des § 36 KStG 2002 n.F. mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist. Die Regelung geht dahin, dass die in § 36 Abs. 3 KStG 1999 i.d.F. des StSenkG vorgesehene Umgliederung nicht mehr stattfindet, während die in § 36 Abs. 4 KStG 1999 i.d.F. des StSenkG angeordnete Verrechnung von negativem EK 02 mit belastetem vEK unverändert vorgesehen ist. Damit hat der Gesetzgeber den vom BVerfG gemachten Vorgaben in ausreichendem Maße Rechnung getragen.
Die Klägerin wies zwar zu Recht darauf hin, dass sie mit dieser Lösung schlechter gestellt wird als ein ansonsten vergleichbares Unternehmen, das zunächst alle Gewinne ausgeschüttet und erst im Anschluss daran Verluste erlitten und damit ein negatives EK 02 aufgebaut hat. Daraus konnte allerdings kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz abgeleitet werden, weil die konkreten Auswirkungen einer Übergangsregelung stets von den individuellen Rahmendaten der betroffenen Unternehmen abhängen und der Gesetzgeber nicht verpflichtet ist, Unternehmen ohne für Ausschüttungen ausreichendes Eigenkapital ebenso wie Unternehmen mit ausreichender Eigenkapitalausstattung zu behandeln. Der Umfang der Kapitalausstattung bildet vielmehr nicht nur nach der Einschätzung des BVerfG, sondern auch nach Ansicht des Senats einen ausreichenden Grund dafür, dass in beiden Fällen unterschiedliche steuerrechtliche Folgen eintreten.
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