Zur Verwendung eines Mietspiegels bei Schätzung der üblichen Miete im Ertragswertverfahren
BFH v. 19.9.2018 - II R 20/15Die Klägerin ist seit 1985 Eigentümerin eines Grundstücks in X, auf dem 1966 ein Einfamilienhaus errichtet worden war. Im Jahr 1996 wurde das Gebäude durch einen Anbau erweitert und zu einem Zweifamilienhaus umgebaut. Das Finanzamt erließ am 15.3.1996 einen Bescheid über die Wert- und Artfortschreibung auf den 1.1.1997 und stellte den Einheitswert auf 82.500 DM fest. Die Jahresrohmiete ermittelte das Finanzamt aufgrund eines von ihm erstellten "Mietspiegels auf den 1.1.1964 für Ein- und Zweifamilienhäuser zum Zwecke von Nachfeststellungen und Wertfortschreibungen" (Mietspiegel).
Grundlage dieses Mitspiegels, der Angaben über Quadratmeterpreise enthält, waren vom Finanzamt geführte Listen bzw. Kontrollmitteilungen der Ertragsteuerstellen über Mieten. Die Originalunterlagen hierzu hat das Finanzamt nicht aufbewahrt. Der Mietspiegel ist aufgeteilt in einzelne Gemeindegebiete. Hinsichtlich der Ausstattung der Häuser wird zwischen den Standards "einfach", "mittel" und "gut" differenziert. Für die Gemeinde X ist bei einem Ausstattungsstandard "gut" ein Wert von 5,20 DM vermerkt. Nach den Feststellungen des FG ging das Finanzamt wegen der Ortsrandlage des streitgegenständlichen Grundstücks und eines ungünstigen Zuschnitts nur von einer üblichen Miete pro Quadratmeter i.H.v. 3,20 DM aus. Das Finanzamt folgte damit auch einem Vorschlag des Prozessbevollmächtigten.
Im Dezember 2010 beantragte die Klägerin beim Finanzamt, den Einheitswertbescheid "soweit rückwirkend wie möglich" zu korrigieren. Die im Bescheid angesetzte Miete von 3,20 DM pro Quadratmeter sei um 30 % bis 50 % zu hoch. Im Februar 2011 führte das Finanzamt eine fehlerbeseitigende Wertfortschreibung auf den 1.1.2011 durch und erhöhte den Einheitswert auf 51.589 €.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage teilweise statt und hob den Wertfortschreibungsbescheid auf den 1.1.2011 antragsgemäß auf. Soweit die Klägerin begehrte, das Finanzamt zu verpflichten, unter Änderung des Einheitswertbescheids auf den 1.1.1997 den Einheitswert auf 39.300 DM festzustellen sowie den Grundsteuermessbescheid entsprechend abzuändern, wies das FG die Klage ab. Die Revision der Klägerin hatte vor dem BFH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das Begehren, den Einheitswert auf den 1.1.2010 auf 39.300 DM feststellen zu lassen, hat keinen Erfolg. Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Einheitswertbescheid auf den 1.1.1997 vom 15.3.1996 rechtmäßig ist. Die Voraussetzungen einer fehlerbeseitigenden Wertfortschreibung liegen nicht vor.
Der vom Finanzamt festgestellte Einheitswert auf den 1.1.1997 steht in Einklang mit den maßgebenden Vorschriften. Die Bewertung bebauter Grundstücke erfolgt abhängig von der Grundstücksart (§ 75 BewG) nach Maßgabe des § 76 BewG im Regelfall im Ertragswertverfahren, in Ausnahmefällen im Sachwertverfahren. Die maßgebliche Jahresrohmiete richtet sich gem. § 79 Abs. 1 BewG nach der für das Grundstück aufgrund vertraglicher Vereinbarungen im Hauptfeststellungszeitpunkt gezahlten tatsächlichen Miete. Unmittelbar anwendbar ist diese Vorgabe nur für Grundstücke, die im Hauptfeststellungszeitpunkt am 1.1.1964 bereits vermietet waren. Andernfalls bestimmt sich die Jahresrohmiete gem. § 79 Abs. 2 BewG nach der üblichen Miete. Zur Ermittlung der üblichen Miete ziehen die Finanzbehörden überwiegend Mietspiegel heran, die regelmäßig nach Baujahren, mietpreisrechtlichen Gegebenheiten, Ausstattungsgruppen und Gemeindegrößen gegliederte Quadratmeter-Mieten zum Stand vom 1.1.1964 ausweisen.
Die Heranziehung dieser auf den Hauptfeststellungszeitpunkt 1.1.1964 aufgestellten Mietspiegel für die Schätzung der üblichen Miete gem. § 79 Abs. 2 S. 2 BewG auf diesen Zeitpunkt ist zulässig, wenn eine Schätzung der üblichen Miete im unmittelbaren Vergleich daran scheitert, dass nach Art, Lage und Ausstattung vergleichbare vermietete Objekte am 1.1.1964 nicht oder nicht in hinreichender Zahl vorhanden waren und die Mietspiegel in ihren Aufgliederungen nach Mietpreisregelungen und den anderen gem. § 79 Abs. 2 S. 2 BewG maßgebenden Kriterien (insbesondere Baujahr und Ausstattung) den vom Gesetz gestellten Anforderungen für die Schätzung der üblichen Miete entsprechen.
Gem. § 162 Abs. 1 Satz 2 AO sind, soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Dabei ist eine Schätzung nicht schon deswegen rechtswidrig, weil sie von den tatsächlichen Verhältnissen abweicht. Solche Abweichungen sind notwendig mit einer Schätzung verbunden, die in Unkenntnis der wahren Gegebenheiten erfolgt. Die Schätzung erweist sich vielmehr erst dann als rechtswidrig, wenn sie den durch die Umstände des Falles gezogenen Schätzungsrahmen verlässt. In einem Streitverfahren müssen die Schätzungsgrundlagen von der Finanzbehörde so dargelegt werden, dass ihre Nachprüfbarkeit möglich ist. Das zahlenmäßige Ergebnis der Schätzung muss auf Schlüssigkeit hin kontrollierbar sein. Der Mietspiegel soll mit einer gewissen Datenbreite nur einen Anhalt für die vorzunehmende Schätzung bieten, so dass Fehler in einzelnen Datengrundlagen keinen unmittelbaren Einfluss auf die Besteuerung haben.
Die Schätzung ist vom Gericht voll überprüfbar, weil sie keine Ermessensentscheidung darstellt. Nach diesen Maßgaben ist die Erkenntnis des FG - das keine eigene Schätzung vorgenommen, sondern die Ermittlung des Finanzamts geprüft hat - nicht zu beanstanden, der mit Bescheid vom 15.3.1996 vom Finanzamt auf den 1.1.1997 auf 82.500 DM festgestellte Einheitswert für das Grundstück der Klägerin sei zutreffend und das Finanzamt habe im Rahmen der angegriffenen Fortschreibung die für den Einheitswert maßgebende Jahresrohmiete richtig ermittelt. Das FA konnte sich bei der Bewertung des Zweifamilienhauses an dem Mietspiegel orientieren, den es bezogen auf den Hauptfeststellungszeitpunkt (1.1.1964) für die in seinem Bezirk belegenen Ein- und Zweifamilienhäuser aufgestellt hat.
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