Zur von Amts wegen zu berichtigenden offenbaren Unrichtigkeit
BFH 27.8.2013, VIII R 9/11Der Kläger hatte in den Streitjahren 2002 bis 2005 Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit als Ingenieur erzielt und ermittelte seinen Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG. In den von ihm selbst erstellten Gewinnermittlungen setzte er jeweils auf der Einnahmenseite die vereinnahmten Bruttoeinnahmen, auf der Ausgabenseite die nach Kostenarten aufgeschlüsselten Ausgaben einschließlich der darin enthaltenen Vorsteuer an. In der Aufstellung waren allerdings die an das Finanzamt geleisteten Umsatzsteuerzahlungen nicht als Betriebsausgaben enthalten.
Die Steuerbehörde veranlagte den Kläger auf der Grundlage der erklärten Einkünfte aus selbständiger Arbeit zur Einkommensteuer, ohne den Fehler des Klägers hinsichtlich der geleisteten Umsatzsteuerzahlungen zu bemerken. Nachdem die Einkommensteuerbescheide bestandskräftig geworden waren, beantragte der Kläger ihre Änderung unter Hinweis auf die unberücksichtigten Umsatzsteuerzahlungen. Dies lehnte das Finanzamt wegen Bestandskraft der Einkommensteuerbescheide ab.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BFH das Urteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.
Die Gründe:
Die Auffassung des FG, das Finanzamt habe zu Recht eine Berichtigung der streitigen Einkommensteuerbescheide nach § 129 AO abgelehnt, verletzte Bundesrecht. Wegen fehlender tatsächlicher Feststellungen konnte der Senat nicht selbst entscheiden.
Nach § 129 AO können Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigt werden. Offenbar ist eine Unrichtigkeit dann, wenn der Fehler bei Offenlegung des Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und eindeutig als offenbare Unrichtigkeit erkennbar ist. Offenbare Unrichtigkeiten i.d.S. sind mechanische Versehen wie etwa Eingabe- oder Übertragungsfehler. Dagegen schließen Fehler bei der Auslegung oder Anwendung einer Rechtsnorm, eine unrichtige Tatsachenwürdigung oder die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts die Annahme einer offenbaren Unrichtigkeit aus. Da die Unrichtigkeit nicht aus dem Bescheid selbst erkennbar sein muss, ist § 129 AO auch dann anwendbar, wenn das Finanzamt offenbar fehlerhafte Angaben des Steuerpflichtigen als eigene übernimmt.
Infolgedessen waren die Einkommensteuerbescheide im vorliegenden Fall offenbar unrichtig. Der Kläger hatte für die Streitjahre Einnahmenüberschussrechnungen vorgelegt und darin geleistete Umsatzsteuerzahlungen (Vorauszahlungen) nicht berücksichtigt, obschon er Umsatzsteuerzahlungen in den zeitgleich eingereichten Umsatzsteuererklärungen ausgewiesen hatte und die Umsatzsteuer jeweils erklärungsgemäß vom Finanzamt festgesetzt wurde.
Aufgrund der Berücksichtigung von Umsatzsteuerzahlungen bei der Umsatzsteuerfestsetzung durch die Behörde erschien es entgegen der Ansicht des FG ausgeschlossen, dass die unterbliebene Übernahme der Ausgabenposition "Umsatzsteuerzahlungen" in den Einkommensteuerveranlagungen "auch auf nicht hinreichender Sachaufklärung" beruhen konnte. Letzteres wäre eine rein hypothetische Annahme, die der Feststellung einer offenbaren Unrichtigkeit i.S.d. § 129 AO nicht entgegengehalten werden kann. Vielmehr ergab sich aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven Dritten, dass die Umsatzsteuerzahlungen nur aufgrund eines mechanischen Versehens vom Kläger nicht in seinen Einkommensteuererklärungen berücksichtigt worden waren.
Linkhinweis:
- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BFH veröffentlicht.
- Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.