Zur Wiederholung der mündlichen Steuerberaterprüfung bei Vernichtung der vom Prüflingen angefertigten Protokolle
BFH 12.4.2011, VII R 5/10Die als Rechtsanwältin zugelassene Klägerin war bei der zweiten Wiederholung der Steuerberaterprüfung gescheitert. Das hatte der Prüfungsausschuss aufgrund der Endnote von 4,35 entschieden. In dem auf Veranlassung der Klägerin durchgeführten außergerichtlichen Überdenkungsverfahren hielten die Prüfer an ihrer Bewertung fest.
Die Klägerin wandte ein, dass der Prüfungsausschuss ihr gegenüber voreingenommen gewesen sei, dass der Notenvergabe ein Ermessensfehlgebrauch zu Grunde liege und dass die Prüfungskommission gegen den Grundsatz der Fairness, der Sachlichkeit, der Gleichbehandlung und der Chancengleichheit verstoßen habe. Wie sich herausstellte, hatte die Prüfungsbehörde das Konzept der Klägerin für den mündlichen Kurzvortrag und ein von ihr über den weiteren Ablauf der mündlichen Prüfung angefertigtes Protokoll herausverlangt und dann vernichtet. Infolgedessen verlangte die Klägerin eine Wiederholung ihrer Prüfung.
Das FG wies die Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BFH das Urteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.
Die Gründe:
Die Auffassung des FG, das von einem Prüfling zur Vorbereitung seines Kurzvortrags angefertigte Konzept sowie ein von ihm während der Prüfung erstelltes Protokoll über deren Verlauf seien für ein Rechtsschutzverfahren wegen der Bewertung der Prüfungsleistungen ohne Bedeutung, weil solche Unterlagen keinen "sicheren" Nachweis über die Leistungen des Prüflings erbrächten, war nicht frei von Rechtsirrtum.
Die von der Prüfungsbehörde einbehaltenen Unterlagen, die dem Prüfling behilflich sein können, ggf. die Bewertung seiner mündlichen Prüfungsleistungen anzugreifen, müssen grundsätzlich bis zur Bestandskraft der Prüfungsentscheidung aufbewahrt werden. Das verlangt das Gebot der Verfahrensfairness, da der Prüfling die - gerichtlich grundsätzlich nur in engem Rahmen überprüfbare - Bewertung seiner Leistungen nur erfolgversprechend angreifen kann, wenn er substantiierte Angaben zum Prüfungsverlauf machen kann. Dafür sind solche Unterlagen hilfreich oder sogar unverzichtbar.
Der Prüfling muss allerdings zumindest glaubhaft machen, dass er für die Substantiierung seiner Einwendungen die Unterlagen tatsächlich benötigt, sein Erinnerungsvermögen also hierfür nicht ausreicht. Daher kann der Prüfling trotz Vernichtung solcher Unterlagen keinen Anspruch auf Wiederholung der mündlichen Prüfung erheben, wenn auszuschließen ist, dass ihn die Kenntnis der Unterlagen in die Lage versetzen könnte, weitere erfolgversprechende Einwendungen gegen die Bewertung seiner Prüfungsleistungen vorzutragen.
Das FG muss dies nun hier im weiteren Verfahren prüfen und entscheiden, weil es sich um eine der Beurteilung des BFH als Revisionsgericht grundsätzlich nicht zugängliche Frage der tatsächlichen Bewertung handelt.
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