Zur Wirksamkeit des sog. Ferrari-Fax-Verfahrens
BFH 18.3.2014, VIII R 9/10Der Kläger hatte gegen seine Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2001 bis 2003 Einspruch eingelegt. Diesen wies das Finanzamt als unbegründet zurück. Die Bekanntgabe der Entscheidung erfolgte im Wege des sog. Ferrari-Fax-Verfahrens. Bei diesem hängt der Sachbearbeiter eine Datei an eine E-Mail, die den Text des zu faxenden Schreibens (hier: die Einspruchsentscheidung) enthält und schickt diese über das Intranet der Finanzverwaltung an deren Rechenzentrum. Dieses wandelt die Textdatei in ein Telefax um und sendet es über das Telefonnetz mittels Tonsignalen an die angegebene Nummer. Die E-Mail wird nicht mit einer elektronischen Signatur versehen. Liegt das Zeichnungsrecht beim Sachgebietsleiter, muss dieser den Steuerfall an seinem Computer freigeben, bevor die E-Mail verschickt werden kann.
Dementsprechend veranlasste auch das Finanzamt im vorliegenden Fall die Übersendung der Einspruchsentscheidung an den Kläger. Zugleich druckte es den Text der Entscheidung aus und legte den Ausdruck mit dem Sendebericht zu den Akten. Nachdem das Finanzamt den Kläger wegen Nichtzahlung der geändert festgesetzten Steuern gemahnt hatte, machte dieser unter Vorlage seines Posteingangsbuchs geltend, das Telefax mit der Einspruchsentscheidung sei im Telefax-Gerät seines Büros nicht eingegangen. Das damals im September 2008 genutzte -inzwischen nicht mehr im Betrieb befindliche- Telefax-Gerät sei als Zentraldrucker, Scanner, Kopierer sowie für Erhalt und Versand von Telefaxen benutzt worden und habe eingehende Telefaxe automatisch ausgedruckt.
Die Steuerbehörde übergab dem Kläger im November 2008 eine Kopie der Einspruchsentscheidung, in der die Rechtsmittelbelehrung gestrichen worden war. Kurz darauf erhob der Kläger Klage. Das FG stellte durch Zwischenurteil die Zulässigkeit der Klage mit der Begründung fest, der Kläger habe die Klagefrist i.S.d. § 47 Abs. 1 FGO gewahrt. Das Finanzamt war der Ansicht, das angefochtene Urteil gehe unter Verletzung der §§ 87a, 119 u. 366 AO davon aus, dass die mit Computerfax versandte Einspruchsentscheidung nicht schriftlich i.S.d. § 366 AO ergangen und ohne qualifizierte elektronische Signatur nichtig sei.
Die Gründe:
Zwar war das FG rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass die Übersendung der Einspruchsentscheidung im Wege des sog. Ferrari-Fax-Verfahrens als Übersendung eines elektronischen Dokuments wegen fehlender elektronischer Signatur den Lauf der Klagefrist gegen die streitbefangenen Gewinnfeststellungs- und Einkommensteuerbescheide nicht in Gang gesetzt hatte und allein deshalb nicht von einer Verfristung der Klage auszugehen war. Denn nach ständiger BFH-Rechtsprechung wird eine gesetzlich gebotene Schriftform auch durch Übersendung per Telefax gewahrt. Dies gilt auch für die Übersendung im sog. Ferrari-Fax-Verfahren; die auf diesem Weg übersandten Bescheide sind keine elektronischen Dokumente i.S.d. § 87a AO und bedürfen deshalb zu ihrer Wirksamkeit keiner elektronischen Signatur.
Allerdings erwies sich die angefochtene FG-Entscheidung aus anderen Gründen als rechtmäßig, da die einmonatige Frist zur Erhebung der Klage gegen die angefochtenen Bescheide nach § 47 Abs. 1 FGO gewahrt worden war. Schließlich läuft die Klagefrist nicht an, wenn die anzufechtende Entscheidung - wie im im vorliegenden Fall die Einspruchsentscheidung - nicht wirksam bekannt gegeben wird. Zwar druckte das damals verwendete und inzwischen nicht mehr vorhandene Telefaxgerät des Klägers jeweils nach Maßgabe der technischen Einstellungen "automatisch" eingehende Telefaxe aus. Ein entsprechender Ausdruck der Einspruchsentscheidung wurde aber nach dem unwiderleglichen Vortrag des Klägers unter Bezugnahme auf sein Posteingangsbuch nicht von ihm vorgefunden.
Ohne eine solche Verkörperung fehlte es allerdings an der nach den §§ 122, 124 AO erforderlichen Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung. Sie kann zwar durch Telefax übermittelt werden, ist aber bei dieser Form der Übermittlung erst mit dem Ausdruck durch das empfangende Telefaxgerät "schriftlich" erlassen. Dabei kann nach BFH-Rechtsprechung nicht allein wegen des Sendeberichts des Sendegeräts (sog. "OK"-Vermerk) und eines Eingangsvermerks im Empfangsprotokoll des angewählten Geräts nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises davon ausgegangen werden, dass der betroffene Bescheid ordnungsgemäß übermittelt und ausgedruckt wurde. Die sich daraus ergebenden Zweifel an der wirksamen Bekanntgabe gehen zu Lasten der Finanzbehörde.
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