Zur Wirkung eines Insolvenzplanverfahrens
BFH v. 23.10.2018 - VII R 13/17Der Kläger ist Rechtsanwalt und war ursprünglich an einer Sozietät beteiligt. Diese wurde Ende 2010 aufgelöst und als Liquidationsgesellschaft fortgeführt. Über das Vermögen des Klägers wurde im August 2011 das Insolvenzverfahren eröffnet. Den auf den Kläger entfallenden Teil am Liquidationserlös der Sozietät vereinnahmte der Insolvenzverwalter zugunsten der Insolvenzmasse.
Im Mai 2013 ging beim Finanzamt die von beiden Klägern unterschriebene Einkommensteuererklärung für 2012 ein. Das Ehepaar hatte darin jeweils Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erklärt. Nachdem auch der Insolvenzverwalter die Erklärung unterschrieben hatte, erließ das Finanzamt im September 2013 einen entsprechenden Einkommensteuerbescheid für 2012. Einkünfte des Klägers aus der aufgelösten Sozietät waren weder erklärt noch im Bescheid erfasst worden.
Mit Beschluss aus August 2013 bestätigte das AG einen vom Kläger erstellten Insolvenzplan. Mit Bescheiden aus Oktober und November 2013 änderte das Finanzamt die Einkommensteuerfestsetzung für 2012. Mit Beschluss aus März 2014 wurde das Insolvenzverfahren gem. § 258 Abs. 1 InsO aufgehoben. Mit Bescheid aus Mai 2014 stellte das Finanzamt die Einkünfte der Sozietät für das Jahr 2012 gesondert und einheitlich fest. Im Juni 2014 erließ es gegenüber den Klägern einen (erneut) geänderten Einkommensteuerbescheid für 2012, mit dem die für den Kläger gesondert und einheitlich festgestellten Einkünfte aus selbständiger Arbeit aus der ehemaligen Sozietät i.H.v. 20.018 € berücksichtigt wurden.
Der Kläger machte demgegenüber geltend, im Jahr 2012 seien ihm keine Einkünfte aus selbständiger Arbeit zugeflossen, da der Insolvenzverwalter diese Einkünfte für die Insolvenzmasse vereinnahmt habe. Einspruch und Klage gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid für 2012 blieben ohne Erfolg. Mit Bescheid aus September 2014 wurde der Einkommensteuerbescheid für 2012 erneut geändert. Der Kläger zahlte die festgesetzte Steuer und beantragte im März 2015 den Erlass eines Abrechnungsbescheids.
Das Finanzamt entschied, dass die Kläger die für das Jahr 2012 festgesetzte Einkommensteuerschuld samt steuerlichen Nebenleistungen vollständig getilgt hätten und dass kein Erstattungsanspruch bestehe. Die gegen den Abrechnungsbescheid gerichtete Klage blieb in allen Instanzen ohne Erfolg.
Gründe:
Die Kläger haben keinen Erstattungsanspruch.
Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 AO hat derjenige, auf dessen Rechnung eine Steuer, eine Steuervergütung, ein Haftungsbetrag oder eine steuerliche Nebenleistung ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden ist, gegen den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrags. Gem. § 37 Abs. 2 Satz 2 AO gilt dies auch dann, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung oder Rückzahlung später wegfällt.
Im Fall von Streitigkeiten über das Bestehen oder Nichtbestehen eines solchen Anspruchs entscheidet das Finanzamt gem. § 218 Abs. 2 AO durch Abrechnungsbescheid. Maßgeblich für diese Entscheidung ist allein die formelle Bescheidlage. Für die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit eines Abrechnungsbescheids wiederum sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (Einspruchsentscheidung) maßgebend.
Im vorliegenden Fall war die festgesetzte Einkommensteuer nicht ohne Rechtsgrund gezahlt worden. Denn nach formeller Bescheidlage bestand zum Zeitpunkt der von den Klägern geleisteten streitigen Zahlung ein Steueranspruch des Finanzamtes aus Einkommensteuer für 2012 in entsprechender Höhe. Der Rechtsgrund für die Zahlung ist auch nicht später weggefallen. Insbesondere ergibt sich aus der Durchführung des Insolvenzplanverfahrens keine "insolvenzimmanente Erhebungs- und Vollstreckungsbeschränkung", die dazu geführt hätte, dass der Steueranspruch des Finanzamtes erloschen wäre.
Die Bestätigung des Insolvenzplans durch das Insolvenzgericht nach § 248 Abs. 1 InsO und die Aufhebung des Insolvenzverfahrens nach § 258 Abs. 1 InsO stehen der Erhebung schon deswegen nicht entgegen, weil es sich im Streitfall bei der Einkommensteuer für 2012 um eine Masseverbindlichkeit gehandelt hat und Masseverbindlichkeiten von den Wirkungen des Insolvenzplanverfahrens grundsätzlich nicht betroffen sind. Die streitigen Einkommensteuerschulden waren gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 InsO Masseverbindlichkeiten. Sie resultierten aus der Verwaltung des zur Masse gehörenden Anteils des Steuerpflichtigen an einer aufgelösten Sozietät und hätten, wären sie rechtzeitig erklärt und festgesetzt worden, gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend gemacht werden müssen.
Als (ehemalige) Masseverbindlichkeiten werden die Einkommensteuerschulden von den Wirkungen des Insolvenzplans nicht erfasst. Zwar treten die Wirkungen des Insolvenzplans grundsätzlich nur gegenüber den am Insolvenzplanverfahren beteiligten Personen ein (§§ 254, 254a InsO). Massegläubiger sind nach den gesetzlichen Regelungen jedoch keine Beteiligten des Insolvenzplanverfahrens. Daher ermöglicht die Aufstellung eines Insolvenzplans auch keine von den Vorschriften der Insolvenzordnung über Massegläubiger abweichenden Regelungen; die Bestimmungen über die Befriedigung der Massegläubiger sind grundsätzlich "planfest".
Aus diesem Grund gilt insbesondere auch die Befreiung von den Restverbindlichkeiten nach § 227 Abs. 1 InsO nur gegenüber Insolvenzgläubigern und erstreckt sich nicht auf Masseverbindlichkeiten. Lediglich für den (hier nicht einschlägigen) Fall der angezeigten Masseunzulänglichkeit gem. § 210a InsO können bestimmte Massegläubiger in das Insolvenzplanverfahren einbezogen werden. Masseverbindlichkeiten werden damit von der Wirkung des Insolvenzplanverfahrens grundsätzlich ebenso wenig erfasst wie von einer nach § 301 InsO erteilten Restschuldbefreiung.
Linkhinweis:
- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BFH veröffentlicht.
- Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.