26.04.2019

Zur Zulässigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage nach Erledigung eines dinglichen Arrests

Eine Verkürzung des Rechtsschutzes tritt nicht ein, weil die Möglichkeit der richterlichen Überprüfung eröffnet ist. Die unterschiedlichen Voraussetzungen von Arrest- und Steuerfestsetzungsverfahren schließen es auch aus, ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Arrestanordnung wegen einer möglichen Auswirkung auf das (nachfolgende) Festsetzungsverfahren anzunehmen.

FG Münster v. 14.3.2019 - 5 K 990/16 AO
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine GmbH und seit Juni 2007 in der Baubranche (Fassadendämmung und Trockenbau) tätig. Alleiniger Anteilseigner und Geschäftsführer war bis zum 15.10.2015 der G., seitdem ist sein Sohn F. alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer. Nach einer Betriebsprüfung sowie durch Ermittlungen der Steuerfahndung kam das zuständige Finanzamt zu dem Ergebnis, dass der G. zwischen 2009 und 2015 zur Verschleierung von Schwarzlohnleistungen Subunternehmerleistungen und Materialeinkäufe als Betriebsausgaben gebucht haben soll, die tatsächlich nicht angefallen sein sollen. Es sei davon auszugehen, dass es sich bei den Rechnungen der Lieferanten um Scheinrechnungen handele.

Infolgedessen war das Finanzamt der Ansicht, dass die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug aus diesen Rechnungen nicht gegeben seien. Es ordnete gem. § 324 AO gegen die Klägerin zur Sicherung entstandener Steueransprüche i.H.v. 206.655 € den dinglichen Arrest in ihr bewegliches und unbewegliches Vermögen an. Gegen diese Arrestanordnung erhob die Klägerin Sprungklage. Im März 2016 erließ das Finanzamt nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Umsatzsteuerjahresbescheide für die Jahre 2009-2014, die (inkl. Zinsen) zu Nachzahlungen führten. Daraufhin setzte die Behörde die Umsatzsteuerschulden sowie die Zinsen gegen Sicherheitsleistung von der Vollziehung aus. Zugleich teilte es mit, dass die Sicherheitsleistungen bereits durch die Zahlungen in das Verwahrbuch und die Eintragung der Zwangssicherungshypothek erbracht worden seien.

Die Klägerin trug nach Erlass der Umsatzsteuerbescheide und Gewährung der Aussetzung der Vollziehung vor, dass sie wegen der formalen Erledigung der Anordnung des dinglichen Arrestes ihr Begehren im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage weiterverfolge. Das erforderliche Feststellungsinteresse bestehe darin, dass sie durch den Nachweis der Rechtswidrigkeit des dinglichen Arrestes gegenüber den Banken und auch den Lieferanten und sonstigen Geschäftspartnern das geschäftliche Ansehen zurückerlange, das zur Sicherung der Kreditlinie erforderlich sei (Rehabilitationsinteresse).

Das FG wies die Klage ab.

Die Gründe:
Mangels Vorliegens eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses ist die auf Feststellung umgestellte Klage bereits unzulässig.

Zwar kann ein ideelles Interesse, insbesondere ein Rehabilitierungsinteresse eine Fortsetzungsfeststellungsklage i.S.d. § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO rechtfertigen; dies kann der Fall sein, wenn der Verwaltungsakt, der Gegenstand der Anfechtungsklage war, die sich in der Hauptsache erledigte, den Vorwurf der Steuerhinterziehung enthalten hat. Im vorliegenden Fall ist die Fortsetzungsfeststellungsklage jedoch nicht zulässig, weil die Klägerin ihr Ziel, den Vorwurf der Steuerhinterziehung zu beseitigen, in dem durch Einspruchseinlegung bereits eingeleiteten Anfechtungsverfahren gegen die Umsatzsteuerbescheide 2009-2014 erreichen kann.

Sowohl die bereits angefochtenen Umsatzsteuerbescheide als auch die Arrestanordnung beruhen gleichermaßen (u.a.) auf dem Vorwurf der Steuerhinterziehung. Stellt sich daher im Anfechtungsverfahren gegen die Steuerbescheide heraus, dass die Klägerin keine Steuerhinterziehung begangen hat, sind diese Bescheide aufzuheben. Gelingt es der Klägerin, sich in diesem Verfahren gegen die Steuerfestsetzungsbescheide von dem Vorwurf der Steuerhinterziehung zu rehabilitieren, so umfasst diese Rehabilitierung auch den im vorangegangenen Arrestverfahren erhobenen Vorwurf. Das gilt umso mehr, als das Anfechtungsverfahren nicht nur den gleichen, sondern einen effektiveren Rechtsschutz bietet, denn während die Steuerhinterziehung als anspruchsbegründende Tatsache im Arrestverfahren ggf. nur mit "hinreichender Wahrscheinlichkeit" vorliegen muss, ist der Sachverhalt bei der Überprüfung der Steuerfestsetzung umfassend und abschließend zu ermitteln; er muss mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden.

Eine Verkürzung des Rechtsschutzes tritt nicht ein, weil die Möglichkeit der richterlichen Überprüfung eröffnet ist (§ 40 FGO). Die unterschiedlichen Voraussetzungen von Arrest- und Steuerfestsetzungsverfahren schließen es auch aus, ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Arrestanordnung wegen einer möglichen Auswirkung auf das (nachfolgende) Festsetzungsverfahren anzunehmen. Die Entscheidung in dem einen Verfahren ist weder rechtlich noch tatsächlich für die Entscheidung in dem anderen Verfahren bindend.

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