04.01.2023

Zur Zulässigkeit einer im Jahr 2022 von einer Steuerberatungsgesellschaft mbH per Telefax eingelegten Revision

1. Vorbereitende oder bestimmende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt eingereicht werden, sind ab dem 01.01.2022 als elektronisches Dokument zu übermitteln (§ 52d Satz 1 FGO). Gleiches gilt für die nach § 62 Abs. 2 FGO vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg i.S. des § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO zur Verfügung steht (§ 52d Satz 2 FGO).
2. Berufsausübungsgesellschaften in Gestalt einer Steuerberatungsgesellschaft mbH, für die erst ab dem 01.01.2023 ein sicherer Übermittlungsweg in Gestalt des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs (beSt) eingerichtet wird, sind nach § 52d Satz 2 FGO erst ab diesem Zeitpunkt verpflichtet, vorbereitende oder bestimmende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen unter Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs als elektronisches Dokument zu übermitteln.
3. Eine nach § 52d Satz 2 FGO (noch) nicht nutzungspflichtige Prozessbevollmächtigte in Gestalt einer Steuerberatungsgesellschaft mbH wird nicht dadurch (i.S. des § 52d Satz 1 FGO) nutzungspflichtig, weil für sie ein gesetzlicher Vertreter (§ 55d Abs. 2 StBerG) handelt, der in seiner beruflichen Funktion als Rechtsanwalt nach § 52d Satz 1 FGO nutzungspflichtig wäre, wenn er als solcher selbst dem Gericht gegenüber auftreten würde.

Kurzbesprechung
BFH, Zwischenurteil v. 25. 10. 2022 - IX R 3/22

FGO § 52a Abs 4 S 1 Nr. 2, § 52d S 1, § 52d S 2, § 62 Abs 2, § 53 Abs 2, § 90a, § 97, § 120 Abs 1, § 120 Abs 2, § 121, § 126 Abs 1
BRAO § 31a, § 59l Abs 2
StBerG § 3, § 55d Abs 2


Nach § 120 Abs. 1 und 2 FGO ist die Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung des angefochtenen Urteils einzulegen und innerhalb eines weiteren Monats zu begründen. Im Streitfall war die Revision rechtzeitig und in zulässiger Weise per Telefax innerhalb der Revisionsfrist erhoben und rechtzeitig und in zulässiger Weise per Telefax innerhalb der (verlängerten) Revisionsbegründungsfrist begründet worden.

Nach § 52d Satz 1 FGO sind vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln. Die zum 01.01.2022 in Kraft getretene und in allen durch die FGO eröffneten Verfahren geltende Vorschrift verpflichtet u.a. Rechtsanwälte, welche nach § 31a BRAO i.d.F. des Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte und zur Änderung der Finanzgerichtsordnung vom 21.12.2015 (BGBl I 2015, 2517) ein beA unterhalten müssen, (vorbereitende und) bestimmende Schriftsätze unter Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs als elektronisches Dokument zu übermitteln.

Gleiches gilt nach § 52d Satz 2 FGO für die nach § 62 Abs. 2 FGO vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO zur Verfügung steht. Für Berufsausübungsgesellschaften in Gestalt einer Steuerberatungsgesellschaft mbH ‑ sie fallen grundsätzlich unter § 52d Satz 2 FGO ‑ wird allerdings erst ab dem 01.01.2023 von der Bundessteuerberaterkammer ein sicherer Übermittlungsweg in Gestalt des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs (beSt) eingerichtet (§ 86e StBerG).

Zwar sind Steuerberater bereits seit 01.01.2018 verpflichtet, einen sicheren Übertragungsweg nach § 130a Abs. 4 ZPO für Zustellungen seitens des Gerichts einzurichten (§ 155 FGO i.V.m. § 174 Abs. 3 Satz 4 ZPO i.d.F. des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10.10.2013, BGBl I 2013, 3786); eine Verpflichtung für Steuerberater, mit dem Gericht vollumfänglich elektronisch zu kommunizieren, ist damit jedoch noch nicht verbunden.

Im Streitfall war die Prozessbevollmächtigte daher ‑ als Steuerberatungsgesellschaft mbH ‑ nach § 52d Satz 2 FGO grundsätzlich erst ab 01.01.2023 zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs und zur Übermittlung (vorbereitender und) bestimmender Schriftsätze sowie schriftlich einzureichender Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument verpflichtet; bis dahin ‑ d.h. bis 31.12.2022 ‑ können Revisionsschriftsätze auch noch "schriftlich" ‑ d.h. in überkommener Schriftform (§ 120 Abs. 1 Satz 1 FGO) oder, wie im Streitfall, per Telefax ‑ übermittelt werden.

Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus dem Umstand, dass die Prozessbevollmächtigte im Streitfall durch einen gesetzlichen Vertreter (§ 55d Abs. 2 StBerG) gehandelt hat, der neben seiner Zulassung als Steuerberater (Verpflichtung nach § 52d Satz 2 FGO ab 01.01.2023) auch eine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft (Verpflichtung nach § 52d Satz 1 FGO seit 01.01.2022) besitzt und in dieser Form den Revisionsschriftsatz unterzeichnet hatte.

Der BFH vertritt hierzu die Auffassung, dass eine nach § 52d Satz 2 FGO (noch) nicht nutzungspflichtige Prozessbevollmächtigte in Gestalt einer Steuerberatungsgesellschaft mbH nicht dadurch (i.S. des § 52d Satz 1 FGO) nutzungspflichtig wird, weil für sie ein gesetzlicher Vertreter (§ 55d Abs. 2 StBerG) handelt, der in seiner beruflichen Funktion als Rechtsanwalt nach § 52d Satz 1 FGO nutzungspflichtig wäre, wenn er als solcher selbst dem Gericht gegenüber auftreten würde.

Im Streitfall war die Prozessbevollmächtigte, eine Steuerberatungsgesellschaft mbH, nach § 52d Satz 2 FGO als solche nicht nutzungspflichtig; die berufliche Qualifikation der für die Prozessbevollmächtigte aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses als angestellter Geschäftsführer handelnden Person (als Steuerberater und Rechtsanwalt) trat dahinter zurück.

Die Prozessbevollmächtigte konnte daher als nach § 52d Satz 2 FGO (noch) nicht zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs verpflichtete Verfahrensbeteiligte die Revision und die Revisionsbegründung in zulässiger Weise per Telefax übermitteln; beide Schriftsätze waren auch innerhalb der in der FGO vorgesehenen bzw. der vom Vorsitzenden verlängerten Frist beim BFH eingegangen.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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